Bürgschaftsformulare

Die in Bürgschaftsformularen der Sparkassen im Druck hervorgehobene Klausel, dass die (jederzeit kündbare) Bürgschaft ohne betragsmäßige Beschränkung zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Ansprüche der Sparkasse gegen den Hauptschuldner aus ihrer bankmäßigen Geschäftsverbindung übernommen werde, ist nach dem AGB-Gesetz nicht zu beanstanden.

Zum Sachverhalt: Zur Sicherung eines Überziehungskredits von 20 000 DM, den die Kläger der Beklagte, U S, als Inhaberin eines Einzelhandelsgeschäft für Küchenmöbel 1979 eingeräumt hatte, war der Ehemann der Beklagte, P S, eine Bürgschaft ohne betragsmäßige Beschränkung eingegangen. Im Herbst 1980 gab die Beklagte ihr Geschäft auf. Ihr Ehemann eröffnete an anderer Stelle einen Einzelhandel wiederum mit Küchenmöbeln. Mit der Kläger traf er eine Vereinbarung, nach der der bisher der Firma seiner Frau zur Verfügung gestellte Kontokorrentkredit von 20000 DM auf seine Firma übertragen und gleichzeitig auf 30000 DM erhöht werden sollte. Als Sicherheit für diesen Kredit und für alle sonstigen bereits bestehenden und künftigen Forderungen der Sparkasse aus der Geschäftsverbindung sollte sich die Beklagte selbstschuldnerisch verbürgen. Die Firma ihres Ehemannes sollte für alle bisherigen Forderungen der Klägeraus der Geschäftsverbindung mit der Firma der Beklagte haften. Die Beklagte unterschrieb danach am 10. 3. 1981 in den Geschäftsräumen einer Zweigstelle der Klägerfolgende formularmäßige Bürgschaftserklärung:

Zur Sicherung aller Ansprüche verbürgt sich U S- nachstehend Bürge genannt - gegenüber der Sparkasse ohne zeitliche und betragsmäßige Beschränkung als Selbstschuldner für den in Nr. 1 genannten Hauptschuldner. Bürgschaftsbedingungen

(1) Die Bürgschaft wird zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Sparkasse gegen den Hauptschuldner, Firma P S . . . aus Ihrer Geschäftsverbindung (insbesondere aus laufender Rechnung, Krediten und Darlehen jeder Art und Wechseln) übernommen ...

(5) Die Bürgschaft kann mit Wirkung für die Zukunft in der Weise gekündigt werden, dass sie vom Zugang der Kündigung an auf die zu diesem Zeitpunkt begründeten Forderungen ... beschränkt ist ...

Mit Schreiben vom 26. 5. 1981 kündigte die Kläger den Kontokorrentkredit und die Geschäftsverbindung mit dem Ehemann, weil dieser die Kreditlinie um mehr als 40000 DM überzogen hatte. Er zahlte nichts zurück.

Von den mit der Klage verlangten 71890,58 DM sprach das Landgericht durch Teilanerkenntnisurteil 30000 DM zu. Durch Schlussurteil vom 2. 9. 1982 verurteilte das Landgericht die Beklagte, weitere 41 890,58 DM zu zahlen. Auf ihre Berufung wies das Oberlandesgericht die Klage auf Zahlung von 41 890,58 DM ab. Die Revision der Kläger hatte Erfolg.

Aus den Gründen: I. ... 2. Die Bürgschaftserklärung der Beklagte ist entgegen der Unterstellung des Tatrichters nicht wegen eines Erklärungsirrtums gemäß §§ 119 I, 143 I BGB angefochten.

Dazu genügte es nicht, die nach dem objektiven Erklärungswert eingegangene Verpflichtung ganz oder zum Teil zu bestreiten oder nicht anzuerkennen. Es hätte sich unzweideutig der Wille ergeben müssen, dass die Bürgschaft gerade wegen eines Willensmangels nicht bestehen bleiben solle (BGH, NJW 1984, 2279 = LM § 119 BGB Nr. 28 = ZIP 1984, 939). Eine solche Erklärung hat die Beklagte nicht abgegeben. Sie hat nur die Vereinbarung zwischen ihrem Ehemann und der Kläger über einen auf 30000 DM begrenzten Kreditrahmen dargelegt und vorgetragen, dass entgegen dem Wortlaut der Bürgschaftsurkunde die Beschränkung ihrer Bürgschaftsverpflichtung auf 30000 DM abgesprochen worden sei. Es wurde mithin kein Irrtum über den Inhalt der mit der Bürgschaftsurkunde abgegebenen Willenserklärung, sondern nur eine mündliche Änderung des schriftlich Erklärten behauptet.

3. Eine solche Abrede über die Begrenzung der Bürgschaft der Höhe nach halten die Tatrichter für nicht erwiesen. Die Beklagte hat ihre dahingehende Behauptung im zweiten Rechtszug nicht mehr aufrechterhalten, vielmehr vorgetragen: Sie selbst habe seinerzeit mit Angestellten der Zentrale oder der Zweigstelle der Kläger keine Gespräche geführt. Ihr seit Ende 1980 von ihr getrennt lebender Ehemann habe sie über die Bereitschaft der Kläger, den ihr, der Beklagte, gewährten Kredit auf ihn zu übertragen und auf 30000 DM zu erhöhen, sowie davon unterrichtet, dass Voraussetzung hierfür jedoch sei, dass sie dafür die Bürgschaft übernehme. Eines Tages habe ihr Ehemann sie gedrängt, zur Zweigstelle der Kläger zu gehen und eine Unterschrift zu leisten; sonst bekäme er nicht das erforderliche Geld. Dort habe sie dann die ihr vorgelegte Bürgschaftserklärung unterschrieben.

II. Auf dieser tatsächlichen Grundlage gelangt das Berufungsgericht zu der Auffassung, die im Bürgschaftsvordruck vorformulierte, nicht ausgehandelte, also mit Recht den AGB i. S. des § 1 AGB-Gesetz zugeordnete Bestimmung, dass sich die Bürgschaft auf alle Ansprüche gegen den Hauptschuldner u. a. ohne betragsmäßige Beschränkung bezieht, sei nach den vorausgegangenen Vertragsverhandlungen zwischen der Kläger und dem Hauptschuldner für die Beklagte eine überraschende Klausel i. S. des § 3 AGB-Gesetz. Auf diese habe die Kläger die Beklagte nicht hinreichend hingewiesen. Deshalb sei der Anspruch aus der Bürgschaft auf 30000 DM nebst Zinsen beschränkt. Das trifft aus mehreren Gründen nicht zu:

1. Überraschende Klauseln i. S. des § 3 AGB-Gesetz werden nicht Vertragsbestandteil. Folgte man der Ansicht des Berufungsgerichts, wäre mithin die Bestimmung des Bürgschaftsvertrags, dass die Beklagte sich ohne betragsmäßige Beschränkung zur Sicherung aller Forderungen der Sparkasse gegen den Hauptschuldner verbürge, nicht Bestandteil des Vertrages geworden. Dieser würde, was das Berufungsgericht nicht erkennt, folgenden Inhalt haben: Von der Beklagte wird die Bürgschaft zur Sicherung der bestehenden und der künftigen Forderungen der Sparkasse gegen die Firma P S-Küchen, Inhaber P S, aus ihrer Geschäftsverbindung (insbesondere aus laufender Rechnung, Krediten . . .) übernommen. Ohne die beanstandete Klausel ist der objektive Erklärungswert des Bürgschaftsvertrags derselbe wie mit ihr: Die Beklagte hat für die bereits bestehenden und künftigen Schulden ihres Ehemannes aus seiner bankmäßigen Geschäftsverbindung mit der Kläger einzustehen, kann aber jederzeit kündigen und damit ihre Haftung auf die bei der Kündigung bestehende Kontokorrentschuld ihres Mannes beschränken, deren Höhe sie als für das Konto Zeichnungsberechtigte jederzeit festzustellen vermag. Eine Ergänzung aus den dispositiven Regeln der §§ 765ff. BGB oder anderen Vorschriften, wie sie § 6 II AGB-Gesetz vorschreibt, führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Denn keine dieser Vorschriften, insbesondere nicht § 767 BGB, sieht die Beschränkung einer Bürgschaft auf einen bestimmten Höchstbetrag vor, wenn die jederzeit kündbare Bürgschaft von vornherein für die künftig aus einer Geschäftsverbindung entstehenden Ansprüche übernommen worden ist; begrenzt wird die Bürgschaftsverpflichtung nach dem Gesetz allein durch die Akzessorität der Bürgschaft zur Hauptschuld. Danach kommt der Klausel, die das Berufungsgericht gemäß § 3 AGB-Gesetz beanstandet, kein Regelungsgehalt zu (vgl. BGH, NJW 1984, 2161 = WM 1984, 696 = ZIP 1984, 676 zum Ausschluss der Inhaltskontrolle nach § 8 AGB-Gesetz).

2. Aus diesem Grund, weil nämlich der im Bürgschaftsformular umschriebene Umfang der Hauptverpflichtung der Bürgin nicht von den Rechtsvorschriften der §§ 765ff. BGB abweicht oder sie ergänzt, gelten, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, insoweit gemäß § 8 AGB- Gesetz die Vorschriften über die Inhaltskontrolle (§§ 9 bis 11 AGB- Gesetz) nicht.

3. Eine Bestimmung in AGB, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich ist, dass der Vertragspartner mit ihr nicht zu rechnen braucht (§ 3 AGB-Gesetz), liegt dann vor, wenn ihr ein Überrumpelungseffekt innewohnt. Sie muss eine Regelung enthalten, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und mit der dieser den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht (BGHZ 84, 109 [112] = LM § 3 AGBG Nr. 3 = NJW 1982, 2309; vgl. auch BGH, LM § 3 AGBG Nr. 8 = NJW 1985, 53 = WM 1984, 663; Senat, LM vorstehend Nr. 37 = NJW 1985, 45 = WM 1984, 1465). Maßgebend für die Annahme einer überraschenden Bestimmung in diesem Sinne kann neben dem Grad der Abweichung ihres Inhalts von der dispositiven gesetzlichen Ausgestaltung des vereinbarten Vertragsverhältnisses (BGH, LM § 3 AGBG Nr. 1 = NJW 1981, 117) auch der ungewöhnliche äußere Zuschnitt der Klausel, ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle im Vertragswerk, sein (BGHZ 84, 109 [113] = LM § 3 AGBG Nr. 3 = NJW 1982, 2309).

a) Die Vereinbarung, dass der Bürge nicht nur für bereits bestehende, sondern auch für künftige Forderungen der Sparkasse oder Bank aus der Geschäftsverbindung mit dem Hauptschuldner einzustehen habe, ist im Gesetz vorgesehen (§ 765 II BGB) und weit verbreitet. Eine solche Umschreibung des Umfangs der Bürgschaft ist üblich, wenn diese keine bereits entstandene, der Höhe nach feststehende Schuld, sondern einen dem Hauptschuldner vom Gläubiger zugesagten Kredit in laufender Rechnung i. S. des § 355 HGB sichern soll. Denn dann wird die künftige Höhe der Hauptschuld und Bürgschaftsverpflichtung erst jeweils durch die Rechnungsabschlüsse bestimmt. Es kann für eine Bank auch geboten sein, eine Überschreitung der Kreditlinie zuzulassen (vgl. BGH, NJW 1978, 947 = LM Allg. Geschäftsbedingungen der Banken Ziff. 17 Nr. 2 = WM 1978, 234). Schon aus diesen Gründen ist es nicht ungewöhnlich, dass eine Sparkasse oder Bank die Übernahme einer der Höhe nach nicht begrenzten Bürgschaft für die künftigen Forderungen aus ihrer Geschäftsverbindung mit dem ein Handelsgewerbe treibenden Hauptschuldner fordert. Die Fassung der von der Beklagte am 10. 3. 1981 unterzeichneten Urkunde entspricht ihrem Inhalt nach den von den Banken üblicherweise bei Gewährung eines Kredits im Rahmen laufender Geschäftsverbindung verlangten Bürgschaftserklärungen (so bereits ohne nähere Begründung BGH, NJW 1980, 1841 = WM 1980, 770 insoweit in BGHZ 77, 167 = LM vorstehend Nr. 31 nicht abgedr.). Mit einem solchen Ansinnen muss der Bürge, der für künftig entstehende Ansprüche der Bank aus einem Kontokorrentkredit einstehen soll, rechnen.

b) Ein Überrumpelungseffekt ergibt sich hier auch nicht aus der Fassung der Urkunde. Dass die Beklagte die Bürgschaft für alle, auch die künftigen Ansprüche der Sparkasse gegen ihren Ehemann ohne betragsmäßige Beschränkung übernehme, ist in der Urkunde als Hauptverpflichtung eindeutig erkennbar gemacht. Sie ist im ersten Abschnitt des Vordrucks durch Buchstaben, die erheblich größer als die für den übrigen Text verwendeten sind, und durch eine raumgreifende Anordnung des entscheidenden Satzes gegenüber den übrigen weniger wichtigen Bedingungen herausgehoben. Selbst wenn die Beklagte beim Betreten der Zweigstelle der Kläger am 10. 3. 1981 geglaubt haben sollte, dass von ihr nur eine Bürgschaft bis zu 30000 DM erwartet werde, reichte die äußere Gestaltung des Bürgschaftsvordrucks aus, sie darauf hinzuweisen, dass die Sparkasse eine Bürgschaft für alle künftigen Schulden des Mannes aus dem Kontokorrentkredit ohne Beschränkung verlange.