Bundesgesetzgeber

Stets beachtlich ist ferner die Verletzung zwingender Vorschriften des Verfassungsrechts. Der Bundesgesetzgeber hat durch 214 und 215 nur solche Fehler für unbeachtlich erklären können, die unterhalb der Schwelle des Verfassungsrechts dem einfachen Gesetzgeber zugänglich sind. Stets beachtlich sind demgemäß die Verletzungen des

- Art. 2 Abs. 2 GG: z. B. wenn durch den Bebauungsplan eine Nutzung ermöglicht wird, die Gesundheitsgefahren ausgesetzt ist oder solche hervorruft;

- Art. 14 GG;

- Bestimmtheitsgebots;

- Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bzw. des Übermaßverbots.

Ist ein Bebauungsplan undurchführbar und deshalb fehlerhaft, so ist dieser Fehler ebenfalls stets beachtlich. Auf § 214 Abs. 3 kommt es nicht an.

Fehlerfolgen - Die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans wird nicht in Frage gestellt, wenn lediglich Soll-Vorschriften oder sonstige Ordnungsvorschriften mit nicht zwingendem Charakter verletzt werden.

Nichtigkeit - Das BauGB hat mit seinen Vorschriften über Wirksamkeitsvoraussetzungen das allgemein für untergesetzliche Normen maßgebende Fehlerrecht nicht generell aufgehoben, sondern nur in verschiedener Hinsicht modifiziert. Hieraus folgt, dass ein fehlerhafter Bebauungsplan grundsätzlich nichtig ist, sofern diese Rechtsfolge nicht durch die besonderen Regelungen der Ø 214ff ausgeschlossen ist. Korrekturen an der herkömmlichen Fehlerlehre sind daher nur dort angebracht, wo solche sich aus der Regelung der §§ 214 bis 216 zwingend ergeben.

Nichtigkeit eines Bebauungsplan ist gegeben bei

- stets beachtlichen Rechtsverletzungen;

- bei rügefähigen Rechtsverletzungen, wenn der Hinweis nach § 215 Abs. 2 unterlassen worden ist;

- bei fristgerecht wirksam geltend gemachten Fehlern der Abwägung;

- bei fristgerecht geltend gemachten Verletzungen von Verfahrens- und Formvorschriften i. S. von § 214;

Dass in den beiden zuerst genannten Fällen die Rechtsverletzungen zur Nichtigkeit führen, ist unstreitig. Aber auch in den beiden zuletzt genannten Fällen ist die Nichtigkeit die einzig mögliche Rechtsfolge. Dies ergibt sich u. a. aus § 215 Abs. 3; denn nur bei einer unwirksamen Rechtsnorm ist ein erneutes Inkraftsetzen sinnvoll. Eine nichtige Rechtshandlung ist materiellrechtlich unwirksam. Sie erzeugt keinerlei Rechtswirkungen, weder für die erlassende Behörde, noch für Adressaten, noch für Dritte. Eine nichtige Rechtshandlung braucht von niemandem befolgt oder beachtet zu werden; sie darf auch nicht vollzogen werden. Für die Nichtigkeit ist typisch, dass der betreffende Rechtsakt einfach ignoriert werden darf, ohne dass rechtliche Folgen oder Sanktionen eintreten. Von dem Nicht-Akt unterscheidet sich die nichtige Rechtshandlung allerdings dadurch, dass durch sie der Rechtsschein einer wirksamen Handlung hervorgerufen werden kann. Formell-rechtlich gesehen kann jedermann bei jeder Gelegenheit die Rechtsfolge der Nichtigkeit geltend nachen. Für die Geltendmachung der Nichtigkeit bedarf es grundsätzlich keiner besonderen Ermächtigung oder Kompetenz; allerdings kann der Gesetzgeber insoweit formelle Regelungen treffen. Die Rechtsfolge der Nichtigkeit besteht ex tunc, d. h. vom Augenblick des Inkraftsetzens an. Sie tritt nicht erst ein, wenn der die Nichtigkeit begründende Fehler erkannt oder in rechtsverbindlicher Weise festgestellt wird. Die Nichtigkeitsfolge ergibt sich ipso iure, d. h. automatisch. Der nichtige Rechtsakt bedarf keiner Aufhebung. Eine interimistische Gültigkeit der nichtigen Rechtshandlung bis zu ihrer Aufhebung durch eine dazu berufene Instanz ist weder möglich noch notwendig. Die Rechtsordnung enthält keinen Satz, der nichtigen Normen eine wie immer geartete Rechtswirkung oder Bestandswirkung verleihen würde. Folgerichtig heben die Oberverwaltungsgerichte im Normenkontrollverfahren nach § 47 einen nichtigen Bebauungsplan nicht auf, sondern stellen nur dessen Unwirksamkeit fest. Allerdings kann es erforderlich sein, den durch eine nichtige Rechtshandlung erzeugten Rechtsschein zu beseitigen. Die Nichtigkeit eines Bebauungsplans hängt nicht davon ab, dass der Rechtsfehler offenkundig ist. Das Merkmal der Evidenz ist lediglich bei der Unterscheidung von nichtigen und bloß anfechtbaren Verwaltungsakten von Bedeutung. Bei Rechtsnormen kommt es hierauf nicht an. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 214 Abs. 3 Satz 2, denn die dort erwähnte Offenkundigkeit bezieht sich nur auf Mängel im Abwägungsvorgang. Zur Frage, ob fehlende Evidenz eines Fehlers der Verwerfung von Bebauungsplänen entgegensteht. Die Nichtigkeitsfolge tritt unabhängig davon ein, ob die betreffende Rechtshandlung vor Erlass von einer übergeordneten Stelle geprüft worden ist. Auch das Vorliegen einer Genehmigung nach § 11 kann einem unwirksamen Bebauungsplan nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Eine für einen nichtigen Bebauungsplan ausgesprochene Genehmigung geht ins Leere. Die Nichtigkeit kann zeitlich unbeschränkt geltend gemacht werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die nichtige Rechtshandlung bereits vollzogen oder ins Werk gesetzt worden ist. Die genannten Merkmale sind nur für die Frage der Rücknehmbarkeit von Verwaltungsakten relevant, nicht aber für die Wirksamkeit von Rechtsnormen. Nichtige Bebauungspläne können selbst bei langjähriger Übung nicht geheilt werden; sie können auch nicht durch Gewohnheitsrecht entstehen. Die Wirkungen der Nichtigkeit werden durch den Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht aufgehoben. Dieser Grundsatz ist unter anderem für den Widerruf oder die Rücknahme von rechtswidrigen Verwaltungsakten von Bedeutung. Auf ihn kommt es aber nicht an, wenn es um die Folgen der Nichtigkeit geht. Im Verfassungsrecht gilt vielmehr der Grundsatz, dass der Bürger sich nicht auf den durch eine nichtige Rechtsnorm erzeugten Rechtsschein verlassen kann. Dies trifft grundsätzlich auch für nichtige Bebauungspläne zu. Ein von Anfang an nichtiger Bebauungsplan bietet keine Grundlage für ein schutzwürdiges Vertrauen; er begründet keine nach Art. 14 GG schutzwürdige Rechtsposition. Dies schließt Ansprüche aus Amtspflichtverletzung wegen rechtswidriger Bebauungsplanung nicht aus.

Teilnichtigkeit - Rechtsvorschriften können auch teilweise nichtig sein. Dies gilt auch für Bebauungspläne. Allgemein zur Teilnichtigkeit von Satzungen Gern NVwZ 1987, 851. Ob bei einem fehlerhaften Bebauungsplan Teilnichtigkeit oder Gesamtnichtigkeit vorliegt, entscheidet sich, da spezielle Vorschriften im BauGB fehlen, nach den allgemeinen Grundsätzen. Hiernach ist bei rechtswidriger Normsetzung die Gesamtnichtigkeit die Regelrechtsfolge; eine Aufrechterhaltung von Teilen der Rechtsnorm kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise eine Teilwirksamkeit bzw. Teilnichtigkeit angenommen werden kann, ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Für privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Verträge enthalten jedoch die § 139 BGB und § 59 VwVfG normative Regeln. Für Verwaltungsakte gilt § 44 Abs. 4 VwVfG. Die in den genannten Vorschriften entwickelten Maßstäbe können im Wege der Rechtsanalogie auch für die Beurteilung von Rechtsvorschriften herangezogen werden; Gesetze und Satzungen sind für ihn nicht insgesamt, sondern nur teilnichtig, d. h. in ihrem primär nicht nichtigen Teil aufrechterhalten, wenn die Aufrechterhaltung im Rahmen der durch das Verfassungs- und Unterverfassungsrecht, speziell durch das Willkürverbot begrenzten normgeberischen Gestaltungsfreiheit liegt. Bei der Beurteilung von Bebauungsplänen wird von der herrschenden Auffassung weiterhin der in § 139 BGB bzw. § 44 Abs. 4 und § 58 Abs. 3 VwVfG entwickelte Rechtsgedanke herangezogen, jedoch mit gewissen Einschränkungen. Die Feststellung der Teilnichtigkeit von Bebauungsplänen setzt hiernach eine Prüfung in drei Schriften voraus; zu fragen ist

- ob die Verletzung einer Rechtsvorschrift zum Fehler aller Festsetzungen führt oder aber nur einzelne von ihnen betrifft und andere unberührt lässt;

- ob gegebenenfalls der festgestellte Fehler einzelner Festsetzungen sich räumlich oder sachlich begrenzen lässt oder aber den Bebauungsplan auch in seinen an sich fehlerfreien Teilen zu Fall bringt;

- ob die Gemeinde im Zweifel auch einen Plan mit einem auf den fehlerfreien Teil beschränkten Inhalt beschlossen hätte;