Darlehnsgläubiger

Ein Darlehnsgläubiger handelt in der Regel nicht rechtsmißbräuchlich, wenn er einen Gesamtschuldner ohne Rücksicht darauf in Anspruch nimmt, dass der andere Gesamtschuldner diesen im Innenverhältnis von der Verbindlichkeit freigestellt hat.

Zum Sachverhalt: Die Kläger nehmen den Beklagten auf Rückzahlung eines Darlehns in Höhe von 50000 DM in Anspruch, das ihm und seinem Sohn L aufgrund eines schriftlichen Darlehnsvertrages vom Mai 1984 gewährt wurde. Dieser Vertrag hat folgenden Wortlaut: Darlehnsvertrag zwischen Herrn H und a) Herrn P, b) Herrn L, je zu Y2.

1. Der Darlehnsgeber stellt den Darlehnsnehmern einen Betrag von 50000 DM zur Verfügung. Die erste ä conto Zahlung in Höhe von 30000 DM erfolgt am 29. 5. 1984. Die zweite ä conto Zahlung in Höhe von 20000 DM erfolgt am 20. 6. 1984.

2. Das Darlehn ist zuzüglich der vereinbarten Zinsen am 29. 5. 1985 zurückzuzahlen.

3. Für die Laufzeit wird ein Zinssatz in Höhe von 7% vereinbart

4. Weitere Sicherheiten werden nicht geboten.

Der Beklagte und L waren seinerzeit Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die sich mit dem Erwerb, dem Umbau und der Weiterveräußerung von Wohngebäuden befasste. Der Beklagte macht geltend, dass in einer notariell beurkundeten Vereinbarung vom 1. 10. 1985 im Namen der Kläger wirksam auf die Darlehnsforderung gegen ihn verzichtet worden sei. Hilfsweise rechnet der Beklagte mit restlichen Honoraransprüchen in Höhe von 146234 DM auf, die ihm nach seiner Auffassung gegen die Kläger aus einem mit ihnen abgeschlossenen Architektenvertrag noch zustehen. Die Kläger machen geltend, dass die notarielle Vereinbarung vom 1. 10. 1985 nicht wirksam in ihrem Namen abgeschlossen worden sei. Außerdem behaupten sie, dass dem Beklagten eine Gegenforderung aus dem Architektenvertrag nicht mehr zustehe, da er auf etwaige restliche Honoraransprüche bereits in einer notariell beurkundeten Vereinbarung mit L vom 6. 7. 1984 verzichtet habe. Schließlich bestreiten sie die Höhe der Gegenforderung.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Kläger führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache.

Aus den Gründen: 1. Das Berufungsgericht ist von einem wirksamen Darlehnsvertrag mit den Kläger ausgegangen, aus dem der Beklagte als Gesamtschuldner in vollem Umfang hafte. Es hat jedoch angenommen, dass die Inanspruchnahme des Beklagten durch die Kläger rechtsmißbräuchlich sei, und hierzu ausgeführt:

In der notariell beurkundeten Vereinbarung zwischen L und dem Beklagten vom 6. 7. 1984 habe der Beklagte ausdrücklich auf weitere Honoraransprüche gegen die Kläger verzichtet. Darin sei entgegen der Auffassung des Landgerichts kein rechtlich nicht möglicher Erlassvertrag zugunsten Dritter, sondern eine rechtlich zulässige Vereinbarung zu sehen, den fraglichen Anspruch gegen Dritte nicht mehr geltend zu machen (pactum de non petendo). Dieser Teil der Vereinbarung könne jedoch nicht isoliert von den übrigen Regelungen des notariellen Vertrages vom 6. 7. 1984 gesehen werden. Aus dem Gesamtzusammenhang müsse gefolgert werden, dass sich der Beklagte zu diesem Verzicht unter anderem nur im Hinblick auf die ihm von L gewährte Freistellung von Rückzahlungsansprüchen wegen des von den Kläger gewährten Darlehns bereitgefunden habe. Diese Verpflichtung binde zwar nur L. Die Kläger würden aber rechtsmißbräuchlich handeln, wenn sie aus dieser nicht von ihnen selbst, sondern von ihrem Sohn L mit dem Beklagten abgeschlossenen Vereinbarung zwar einerseits den für sie vorteilhaften Verzicht des Beklagten auf seine restlichen Honoraransprüche für sich in Anspruch nehmen, aber andererseits nicht die für sie nachteilige Freistellungsvereinbarung gegen sich gelten lassen würden. Die Freiheit der Kläger, das Darlehn beliebig von jedem der Gesamtschuldner fordern zu können, sei deshalb nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) beschränkt.

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, dass Darlehnsgeber die Kläger waren und der Beklagte aus dem Darlehnsvertrag vom Mai 1984 in Höhe der vollen Darlehnssumme als Gesamtschuldner verpflichtet wurde. Seine Auffassung, dass der im Darlehnsvertrag enthaltene Zusatz bei den Darlehnsnehmern je zu 4 dem nicht entgegensteht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

b) Die Inanspruchnahme des Beklagten durch die Kläger kann unter den gegebenen Umständen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht als rechtsmißbräuchlich angesehen werden.

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Gläubiger grundsätzlich frei wählen kann, welchen Gesamtschuldner er in Anspruch nehmen will, und dass er im allgemeinen keine Rücksicht darauf zu nehmen braucht, welcher Gesamtschuldner im Innenverhältnis ausgleichspflichtig ist. Unter besonderen Umständen kann allerdings das Vorgehen des Gläubigers gegen einen bestimmten Gesamtschuldner rechtsmißbräuchlich sein (BGH, WM 1967, 397 [398]; BGH, NJW 1983, 1423 [1424] = LM § 242 [Cd] BGB Nr. 247; BGH, WM 1984, 906). In der Regel ist einem Gesamtschuldner der Einwand versagt, der Gläubiger hätte sich durch rechtzeitigen Zugriff bei dem im Innenverhältnis verpflichteten Gesamtschuldner befriedigen können und müssen. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Gläubiger arglistig handelt, wenn also sein Vorgehen im Hinblick auf besondere Umstände des Falles sich als Missbrauch des Rechts darstellen würde, die Leistung nach Belieben von jedem Schuldner zu fordern (BGH, WM 1967, 397 [398]. Als rechtsmißbräuchlich wäre das Verhalten des Gläubigers dann anzusehen, wenn er sich nur deswegen an einen von mehreren Gesamtschuldern halten und ihm das Regressrisiko aufbürden würde, weil er aus mißbilligenswerten Motiven die Absicht hat, gerade diesen Schuldner zu belasten (BGH, WM 1984, 906).

c) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die vom Berufungsgericht hervorgehobenen Umstände lassen die Geltendmachung des Darlehnsrückzahlungsanspruchs gegen den Beklagten nicht rechtsmißbräuchlich erscheinen.

aa) Der notarielle Vertrag zwischen dem Beklagten und L vom 6. 7. 1984 diente nach der einleitenden Zweckerklärung der Auseinandersetzung über das gemeinsame Vermögen nach Beendigung der Zusammenarbeit. Was Forderungen und Verbindlichkeiten angeht, so enthält der Vertrag insbesondere folgende Regelungen: Der Beklagte verzichtete über insoweit bereits erhaltene Zahlungen hinaus auf weitere Honoraransprüche für Architektenleistungen, die er für das Bauvorhaben der Kläger erbracht hatte. L stellte ihn von allen Gewährleistungsansprüchen der Klägerund Dritter aus diesem Bauvorhaben frei. Hinsichtlich der Verbindlichkeiten stellte L den Beklagten von im Einzelnen bezeichneten Bürgschaftsverpflichtungen, von Bankschulden sowie von der hier streitigen Darlehnsverpflichtung frei.

bb) Durch den genannten Vertrag wurden Rechte und Pflichten der Klägerauch nicht mittelbar begründet. Es handelt sich ausschließlich um interne Regelungen zwischen dem Beklagten und L. Der vom Berufungsgericht als entscheidend angesehene Zusammenhang zwischen dem Verzicht des Beklagten auf die Geltendmachung seiner restlichen Honorarforderung gegen die Kläger und der dem Beklagten von L gewährten Freistellung von Rückzahlungsansprüchen wegen des hier umstrittenen Darlehns wird von den Kläger bestritten. Diese Frage kann jedoch auf sich beruhen. Auch wenn man mit dem Berufungsgericht einen entsprechenden Zusammenhang annimmt, so bedeutet das nicht, dass die Kläger die zwischen dem Beklagten und ihrem Sohn L im Innenverhältnis getroffene Freistellungsvereinbarung nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) auch gegen sich gelten lassen müssten. Die Freistellungsvereinbarung hat nur zur Folge, dass L im Innenverhältnis allein haftet und dass der Beklagte im Falle der Inanspruchnahme durch die Kläger von L in vollem Umfang - und nicht nur zur Hälfte - Ausgleich verlangen kann. Es verstößt im vorliegenden Fall nicht gegen Treu und Glauben, wenn der Beklagte nach der Inanspruchnahme durch die Kläger auf den Rückgriff gegen L angewiesen bleibt. Außergewöhnliche Umstände im Sinne der unter b dargelegten Rechtsprechung, die das Verhalten der Kläger als mißbilligenswert erscheinen lassen könnten, liegen nicht vor.

Der weitere vom Beklagten unwidersprochen vorgetragene Umstand, dass mit dem Darlehen der Kläger ausschließlich Verbindlichkeiten des L bzw. der mit seinem Bruder H geführten Gesellschaften getilgt worden seien, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Verwendung der Darlehnsbeträge spielt für die ausschließlich nach dem Darlehnsvertrag zu beurteilende Rückzahlungsverpflichtung des Beklagten keine Rolle. Wenn der Beklagte der Ansicht war, dass die Rückzahlung des Darlehns im Hinblick auf seine Verwendung eine familieninterne Angelegenheit der Familie sei, hätte er auf einer Freistellungsvereinbarung unmittelbar mit den Kläger bestehen müssen.

3. Der Senat kann eine Entscheidung in der Sache selbst nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht treffen. Das Berufungsgericht hat unentschieden gelassen, ob dem Rückzahlungsverlangen der Klägerdie in Ziff. 9 des notariellen Vertrages vom 1. 10. 1985 enthaltene allgemeine Ausgleichsklausel entgegensteht. Da über die Frage des Zustandekommens dieses Vertrages - insbesondere seine Wirksamkeit (auch) gegenüber den Kläger - Streit besteht und das Berufungsgericht hierzu bisher keine Feststellungen getroffen hat, ist auch für eine Auslegung der Klausel durch den erkennenden Senat kein Raum. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.