Düsenflugzeug

Zur Haftung des Halters eines tief fliegenden Düsenflugzeugs, das durch Lärmirritation eines Kraftfahrers für einen Unfall im Straßenverkehr ursächlich geworden ist.

Zum Sachverhalt: Die 19jährige Klägerin zu 2, die etwa seit einem Jahr die Fahrerlaubnis besaß, befuhr mit dem vom Kläger zu 1 gehaltenen Pkw am 11. 5. 1978 wie stets gegen 12.45 Uhr ihren Schulweg. Unterwegs sah sie ein knapp über den Baumwipfeln fliegendes Militärdüsenflugzeug sodann hörte sie laute Fluggeräusche, die sich ihr wie ein explosionsartiger Schlag mit dem Hammer auf das Dach ihres Pkw einprägten. Sie erschrak und verlor die Herrschaft über den Pkw, als noch ein zweites Düsenflugzeug über sie im Tiefflug hinwegflog. Schließlich kam sie von der Fahrbahn ab und stieß gegen einen Leitpfosten und den Kilometerstein; der Wagen überschlug sich und rutschte quer über die Straße. Dem Kläger zu 1 entstand ein Sachschaden. Die Klägerin zu 2 erlitt eine leichte Gehirnerschütterung, Thoraxprellungen, Hautabschürfungen und eine Distorsion der Halswirbelsäule. Sie war einen Tag lang arbeitsunfähig. Der Kläger zu 1 begehrt Ersatz seiner Sachschäden, die Kläger zu 2 ein angemessenes Schmerzensgeld.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat dem Anspruch des Klägers zu 1 zur Hälfte entsprochen und der Kläger zu 2 ein Schmerzensgeld in Höhe von 200 DM zugesprochen. Die - zugelassene - Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. 1. Das Berufsgericht bejaht die Passivlegitimation der Beklagten und geht davon aus, beim Betrieb der Militärflugzeuge sei durch einen Unfall Körper- und Sachschaden verursacht worden. Es habe eine plötzliche akustische Einwirkung durch die Triebwerke der Düsenflugzeuge gegeben, wenn auch ein Überschallknall im eigentlichen Sinne nicht festzustellen sei.

Das Berufsgericht bejaht auch einen rechtlich zurechenbaren Verursachungszusammenhang zwischen dem plötzlich einsetzenden Lärm eines tief fliegenden Düsenflugzeugs, von dem es feststellt, dass er geeignet sei, auch einen nicht ungewöhnlich sensiblen und schreckhaften, durchschnittlich geübten Kraftfahrer zu einer kurzen, unkontrollierten Bewegung und einem darauf beruhenden Unfall zu veranlassen. Dass es einem besonders geistesgegenwärtigen, idealen Kraftfahrer gelingen möge, in dieser Lage das Fahrzeug wieder unter Kontrolle zu bringen, stehe der Zurechnung nicht entgegen. Indessen rechnet das Berufsgericht dem Kläger zu 1 die Betriebsgefahr seines Pkw gegenüber der des Flugzeugs mit 50% an und gelangt hinsichtlich der Kläger zu 2 zu dem Ergebnis, dass, weil bei Gefährdungshaftung die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes entfalle, lediglich ein Ausgleich für die erlittenen Verletzungen vorzunehmen sei, der im vorliegenden Fall zu einem angemessenen Schmerzensgeld in Höhe von 200 DM führe.

Diese Ausführungen halten im Ergebnis den Angriffen der Revision stand.

Das Berufsgericht bejaht zu Recht die Passivlegitimation der Beklagten, die die Revision zwar nicht angreift, die jedoch von Gerichts wegen zu prüfen ist. Der BGH hat ausgesprochen, dass die Vertragsparteien des Nato-Truppenstatus gesamtschuldnerisch für Stoßwellenschäden, die von militärischen Düsenflugzeugen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verursacht werden, haften, wenn als Verursacher nur Streitkräfte der Vertragsparteien in Betracht kommen, jedoch ein bestimmter Verursacher nicht zu ermitteln ist. So liegt es nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufsgerichts auch im vorliegenden Falle. Dass es sich nicht, auch nicht mittelbar, um Stoßwellenschäden, sondern um Schäden als Folge plötzlicher Lärmentwicklung der Düsenflugzeuge handelt, vermag die Passivlegitimation nicht zu beeinflussen.

Die Revision rügt zu Unrecht, dass das Berufsgericht den Zurechnungszusammenhang zwischen der Lärmentwicklung und den Schäden der Kläger bejaht. Sie berücksichtigt bei ihrer Rüge nicht ausreichend, dass § 33 I LuftVG, anzuwenden gemäß § 53I LuftVG auch auf militärische Luftfahrzeuge, einen Gefährdungshaftungstatbestand normiert. Die haftungsrechtliche Zurechnung unterliegt, wie der Senat im Urteil vom 27. 1. 1981 ausführlich entwickelt hat, im Bereich der Gefährdungshaftung anderen Grundsätzen, als dies etwa im Bereich der Haftung für Fahrlässigkeit der Fall ist. Der Gefährdungshaftung sind keine Verhaltenspflichten zugrunde gelegt. Sie dienst vielmehr dazu, die Auswirkungen einer im Einzelfall in erlaubter Weise gesetzten Gefahr auszugleichen.

Dementsprechend kommt es, was offenbar sowohl das Berufsgericht als auch die Revision verkennen, nicht darauf an, ob der festgestellte Schadensfall an Hand bisheriger Erfahrungen, insbesondere auch unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Nervenstärken der Kraftfahrer, vorausgesehen werden musste, sondern nur darauf, ob es sich um eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll.

Hier ist zu berücksichtigen, dass die Haftung des Luftfahrzeughalters, obwohl gleichermaßen Gefährdungshaftung, aus wohlerwogenen Gründen über die Haftung des Kraftfahrzeughalters hinausgeht. So kann sich der Luftfahrzeughalter, anders als der Kraftfahrzeughalter, jedenfalls im Rahmen des § 33 LuftVG nicht darauf berufen, dass der Vorfall ein unabwendbares Ereignis sei. Auch der Einwand höherer Gewalt, der in § 1 II 1 Haftpflichtgesetz für den Bahnbetriebsunternehmer eingeführt ist, steht dem Luftfahrzeughalter nicht zur Verfügung.

Das bedeutet allerdings nicht, dass im Bereich der reinen Gefährdungshaftung der ursächlichen Zurechnung schädigender Auswirkungen keine Grenzen gesetzt wären. Der Senat hat ausgesprochen, dass sie sich immer dort ergeben, wo die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will. Insofern hat schon das RG anerkannt, dass eine ursächliche Zurechnung in Frage gestellt sein kann, wenn eine Schädigung durch einen bei objektiver Betrachtung an sich ungefährlichen Vorgang nur infolge einer ungewöhnlichen Empfindlichkeit beim Geschädigten eingetreten ist.

Die Entscheidung des Berufsgerichts hält sich innerhalb dieser Grenzen und ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Strahlgetriebene Luftfahrzeuge, wie sie modern ausgerüstete Streitkräfte in großer Zahl betreiben, zeichnen sich auch bei Flügen im Unterschallbereich, von denen das Berufsgericht im vorliegenden Fall ohne Rechtsirrtum ausgeht, durch ein vielfältiges Gefährdungspotential aus. Sie sind einerseits durch ihre hochdifferenzierte Technik, die sich aus ihrer Verwendungsdefinition ergibt, selbst ausfallgefährdet. Aber auch ihr störungsfreier Betrieb erzeugt andererseits bestimmte Gefährdungen für die Umwelt, auf die sie einwirken und deren Grad in dem Maße ansteigt, in dem sich die Flugzeuge anderen Objekten nähern. Das ist insbesondere beim Tiefflug der Fall, von dem in von der Revision nicht beanstandeter Weise auszugehen ist. Typische Gefährdungen auch durch störungsfrei tief fliegende Düsenflugzeuge werden einerseits durch Luftdruck verursacht. Sie können sich aber gleichermaßen auch durch plötzliche Lärmentwicklung ergeben. Zwar kann im Regelfall ohne besondere Feststellungen hierzu noch nicht davon ausgegangen werden, dass die plötzliche Lärmbelastung durch ein Düsenflugzeug schon an sich einen Haftpflichtschaden darstellt. Ein typischer Gefährdungsvorgang ist es aber, wenn die plötzliche intensive Einwirkung auf das Nervensystem der betroffenen Menschen und Tiere unwillkürlichen, zumeist nicht steuerbaren Schreck-, Flucht-, Schutz- oder Abwehrreaktionen der Betroffenen führt. Daran, dass dieser Zusammenhang eine spezifische Auswirkung des Tiefflugs von Düsenflugzeugen ist, die damit auch zu den von der Gefährdungshaftung des Luftfahrzeughalters grundsätzlich zu deckenden Gefahren gehört, kann kein ernsthafter Zweifel bestehen. Das ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt und wird auch im Schrifttum nicht bestritten.

Wenn sich demnach aus der auf die plötzliche Lärmeinwirkung folgenden Schreckreaktion die Nichtbeherrschung eines Kraftfahrzeugs bis hin zum Unfall entwickelt, gehört das jedenfalls grundsätzlich in den Zurechnungsbereich der Gefährdung durch ein Luftfahrzeug, auch wenn diese Gefahr für den Kraftfahrer häufig beherrschbar sein wird. Der Revision kann nicht beigepflichtet werden, wenn sie meint, darin liege nur die Verwirklichung eines allgemeinen Lebensrisikos. Der Hinweis der Revision auf Naturerscheinungen wie Gewitter, die ebenfalls zu Schreckreaktionen führen können, geht fehl. Selbst wenn man davon ausgeht, dass diese dem Menschen von Jugend auf vertrauten Erscheinungen sich im Ausnahmefall ebenso unvorhersehbar einstellen können wie hier das Auftauchen der tief fliegenden Jäger, so handelt es sich doch bei der Einwirkung von Luftfahrzeugen nicht um eine naturgegebene, sondern um eine von Menschen willkürlich, allerdings in der Regel erlaubtermaßen gesetzte Gefahr, die zum Ausgleich von der Rechtsordnung mit einer Gefährdungshaftung belastet ist, soweit die Hinnahme ihrer Auswirkungen nicht zumutbar erscheint. Wenn die Revision demgegenüber meint, es lasse sich entweder nur aus der völlig ungenügenden Fahrpraxis oder aus einer ungewöhnlichen Schreckhaftigkeit und Nervosität der Kläger zu 2 erklären, dass es zu dem Unfall gekommen sei, dann stehen dem die tatrichterlichen Feststellungen entgegen, die sie ohne Erfolg angreift.

Die Revision meint schließlich, für die Gefährdungshaftung der Beklagten bleibe jedenfalls aus Gesichtspunkten des Mitverschuldens der Kläger zu 2 kein Raum. Sie wendet sich damit gegen die im Grundsatz dem Tatrichter vorbehaltene Verursachungsabwägung, ohne dabei unterlaufene Rechtsfehler aufzeigen zu können.