Eigentumsverletzung

Haben für einen Schaden zwei Schuldner Ersatz zu leisten, der eine wegen einer Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB, der andere, weil er einer vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Eigentümer, dessen Eigentum vor Beeinträchtigungen Dritter zu schützen, schuldhaft nicht gehörig nachgekommen ist, so haften beide als Gesamtschuldner. Der Ausgleich zwischen ihnen vollzieht sich deshalb nach § 426 Abs. 1 BGB. In einem solchen Falle steht dem Vertragsschuldner gegen den Eigentümer kein Anspruch aus § 255 BGB zu.

Anmerkung: Der Kläger verkaufte im Januar 1953 im Auftrag und für Rechnung der Beklagte an den Webereiinhaber F. 4 000 kg Wolle. Die Ware sollte bis zur Bezahlung Eigentum der Beklagte bleiben. Sie wurde bei einem Spediteur eingelagert. Das Bankhaus W übernahm die Überwachung. Die aus dem Verkauf und der Verarbeitung der Wolle eingehenden Gelder wurden bei diesem auf ein besonderes Wollkonto einbezahlt. Davon hat die Beklagte lediglich 4000 DM erhalten, der Rest wurde entgegen der Verpflichtungen der Bank teils an F.; teils an Gläubiger des F., darunter auch die Bank selbst, ausbezahlt. Da von F. nichts mehr zu holen war, verklagte die Beklagte das Bankhaus, das vom Oberlandesgericht zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 42346,64 DM verurteilt wurde. Im RevVerfahren verglichen sich die Beklagte und das Bankhaus auf einen Betrag von 10000 DM. In einem weiteren Prozess erwirkte die jetzige Beklagte gegen den jetzigen Kläger ein rechtskräftiges Urteil über 41090 DM.

Nunmehr verlangte der Kläger von der Beklagte Schadensersatz mit der Begründung, dass die Beklagte durch den Vergleich mit dem Bankhaus die Durchsetzung ihrer Regressansprüche gegen das Bankhaus vereitelt habe, weil durch den Forderungserlass eine nach § 255 BGB ihm geschuldete Abtretung der Forderung der Beklagte gegen die Bank unmöglich geworden sei.

Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Der BGH hat das Urteil im Ergebnis bestätigt, jedoch mit einer anderen Begründung.

Das Oberlandesgericht hatte angenommen, dass zwischen dem Kläger und der Bank nur ein unechtes Gesamtschuldverhältnis vorgelegen habe, das einen Regrel3anspruch aus § 426 BGB nicht zulasse. Einen Anspruch aus § 255 BGB könne der Kläger nicht mehr geltend machen, da infolge des zwischen der Beklagte und der Bank abgeschlossenen Vergleichs ein abtretbarer Anspruch nicht mehr bestehe. Der Anspruch des Klägers könne auch nicht darauf gestützt werden, dass die Beklagte als Auftraggeberin die ihr gegen den Kläger als Auftragnehmer obliegenden Vertragspflichten verletzt habe. Die letztere Begründung erscheint allerdings nicht ganz unbedenklich zu sein. Doch kann das auf sich beruhen, da der BGH sich im gegenwärtigen Verfahren mit dieser Frage nicht mehr zu befassen brauchte und hierzu auch nichts ausgeführt hat.

Der BGH kommt auf einem anderen Wege als das Oberlandesgericht zu einer Abweisung der Klage. Entgegen der Auff. des Oberlandesgerichts nimmt er im vorliegenden Fall an, dass zwischen den Verpflichtungen der Bank und denen des Klägers ein innerer Zusammenhang im Sinne einer rechtlichen Zweckgemeinschaft bestehe, also ein echtes Gesamtschuldverhältnis vorliege, das dem Kläger einen Regressanspruch gegen die Bank gemäß § 426 BGB gewähre, ohne dass es darauf ankomme, ob und in welchem Umfang die Beklagte der Bank durch Vergleich einen Nachlass der Forderung gewährt habe. Der BGH schließt sich damit der Auff. des Großen Senats in Zivilsachen in BGHZ 43, 227 ( = Nr. 24 zu § 426 BGB) an (vgl. dazu auch das Urteil des VII. ZS in BGHZ 52, 39, 44 = Nr. 5 zu § 255 BGB). In beiden Entscheidungen wurde die Frage, ob es überhaupt ein unechtes Gesamtschuldverhältnis gebe, letztlich offengelassen. Sie wurde auch im vorliegenden Fall mit Hilfe der Konstruktion der Zweckgemeinschaft offengelassen. Es mag an dieser Stelle aber doch darauf hingewiesen werden, ob es nicht angebracht wäre, mit dem Phantom der unechten. Gesamtschuld, einem dem Gesetz fremden Begriff, aufzuräumen. Dem BGH wird es kaum erspart bleiben, in einem künftigen Fall hierzu endgültig Stellung zu nehmen (vgl. dazu die Schlussbemerkung in der Anmerkung zu BGHZ 43, 227 = Nr. 24 zu 5426 BGB).

Der Regressanspruch aus § 426 BGB schließt allerdings nicht die Anwendung des § 254 BGB aus; doch braucht sich der BGH im vor- liegenden Fall mit dieser Frage nicht zu befassen.

Ist dem Kläger demnach sein Regressanspruch gegen das Bankhaus erhalten geblieben, ist auch seiner Schadensersatzklage der Boden entzogen.

Die Bestimmung des § 255 BGB hält der BGH im vorliegenden Fall für nicht anwendbar, da er durch den Anspruch nach § 426 BGB ausgeschlossen werde. Die starre Bestimmung des § 255 BGB gebe dem zuerst zahlenden Gesamtschuldner die Möglichkeit, gegen den anderen Schuldner den vollen Schadensersatzanspruch geltend zu machen; die Anwendung des § 254 BGB sei in diesem Fall ausgeschlossen. Das könne, wolle man dem zahlenden Schuldner einen Anspruch aus § 255 BGB gewähren, möglicherweise dazu führen, dass selbst dann, wenn ihm an dem Schaden ein (überwiegendes) Mitverschulden treffe, der andere Schuldner den ganzen Schaden tragen müsse. Es wäre allerdings zu erwägen, ob nicht entgegen der Meinung des BGH auch im Falle des § 255 BGB ein Schadensausgleich in (analoger) Anwendung des § 254 BGB gewährt werden kann.