Einmann-GmbH

Wird der Alleingesellsehafter einer GmbH von einem Dritten schuldhaft verletzt und tritt der Schaden an seinem Sondervermögen, seiner Gesellschaft, ein, so kann es nach Lage des Falles im Verhältnis zum Schädiger so angesehen werden, dass ihn persönlich ein Schaden getroffen hat.

Anmerkung: Das Urteil enthält einen interessanten Beitrag zu der Problematik, die die Anerkennung der Einmann-GmbH durch, die Rechtspraxis mit sich bringt. Ihm liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger hatte den Beklagten, Rechtsanwalt beauftragt, für Absetzung des gegen ihn von. seinem Gläubiger erwirkten Offenbarungseidtermins zu sorgen, weil er inzwischen die Forderung bezahlt hatte Da der Anwalt dies versäumte, erging gegen den Kläger Haftbefehl; er wurde in die Schuldnerkartei eingetragen. Als davon eine Bank erfuhr, die dem Kläger zum Ankauf eines gewinnversprechenden Baugrundstücks Kredit gewährt hatte, kündigte sie diesen Kredit. Der Kläger musste, um das Darlehen zurückzahlen zu können, den Bau- Platz wieder verkaufen; diesen bebaute der Käufer statt seiner mit gutem Gewinn.

Dass bei solcher Sachlage der Beklagten verpflichtet wäre, dem Kläger seinen Schaden aus den §§ 675, 276, 249, 252 BGB zu ersetzen, steht außer Frage. Die Schwierigkeit des Falles lag darin, dass der Kläger seine Grundstücks- und Baugeschäfte über eine GmbH abwickelte: nicht er persönlich, sondern seine GmbH, deren alleiniger Inhaber er war, hatte das Grundstück erworben; ihr hatte die Bank den Kredit; gewährt und sie war, nachdem ihr der Kredit gekündigt worden war, zur Versilberung des gewinnträchtigen Objektes genötigt gewesen. Der Schaden war also nicht beim Kläger sondern bei der GmbH eingetreten. Diese aber war nicht der Vertragspartner des säumigen Beklagten gewesen; aus Deliktsrecht aber konnte sie keinen Ersatzanspruch herleiten. Auf Grund Vertrages kann aber, wie es wieder in BGHZ 51, 91, 93 heißt, nur derjenige Ersatz des Schadens verlangen, bei dem dieser tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur best

Unter Bezugnahme auf diese Sätze hatte das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Dem ist der BGH nicht gefolgt und hat die Sache zu anderweiter Entscheidung zurückverwiesen.

Schon in dem Urteil BGHZ 51, 93 heißt es, es dürfe dem Schädiger nicht zum Vorteil gereichen, wenn das durch den Vertrag geschützte Interesse infolge besonderer Rechtsbeziehungen zwischen dein als dem Vertrag berechtigten Gläubiger und dem Träger des Interesses dergestalt auf den Dritten verlagert ist, dass der Schaden rechtlich ihn und nicht den Gläubiger trifft. Das Auseinanderfallen von Rechtsposition und Risiko kann dem Schädiger nicht zugute kommen; nur rein begriffliche Erwägungen könnten, so heißt es in BGHZ 49, 356, 361, zu dem untragbaren Ergebnis führen, dass etwa ein Verkäufer deshalb keinen Ersatzanspruch gegen den Schädiger habe, weil der Schade gemäß § 447 BGB auf den Käufer verlagert sei. Diese Rechtssätze hat der BGH allerdings für die Fälle aufgestellt, in denen der Gläubiger ausnahmsweise den Schaden eines Dritten geltend machen kann, also für die drei Fälle der Drittschadensliquidation, die im Gürtelleder- Fall genannt sind: Vertragsschluss für Rechnung des Dritten - Überwälzung auf den Dritten - Obhut für eine dem Dritten gehörige Sache. Im hier zu besprechenden Fall hatte es das Berufsgericht abgelehnt, einen Fall der Drittschadensliquidation anzunehmen. Da der BGH dies nicht beanstandet hat, war damit die Möglichkeit, auf diesem Wege den Beklagten ersatzpflichtig zu machen, verbaut.

Dass aber dessen Pflichtverletzung ohne Sanktion bleiben sollte, Wie dies das Berufsgericht gemeint hatte, will nicht einleuchten. Zwar hat es dabei zu bleiben, dass der Schuldige, wenn er seinem Vertragspartner keinen Schaden zugefügt hat, wohl aber einem Dritten, diesem grundsätzlich nicht haftet, falls er nur dessen Vermögen verletzt hatte; denn dieses ist in § 823 Abs. 1 BGB nicht geschützt. Die Drittschadensliquidation muss Ausnahme bleiben - auch die Konstruktion eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist nur bei einem eng beschriebenen Kreis von Fällen zulässig. Das Besondere des zu entscheidenden Falles lag aber darin, dass hier der Gläubiger zwar nicht rechtlich, wohl aber wirtschaftlich eben dieser Dritte war: er war der Inhaber der GmbH. Wirtschaftlich gesehen waren also hier der Gläubiger und der Dritte identisch. Der OH hat daher erwogen, ob nicht doch die GmbH - vielleicht sogar erst recht? in den Schutzbereich des vom Kläger geschlossenen Anwaltsvertrages einzubeziehen sei, so dass dieser ein Ersatzanspruch zugestanden hätte, den sie dem Kläger hätte abtreten können.

Diesen Weg ist der BGH indes nicht gegangen, sondern hat daraus, dass wirtschaftlich der Kläger und die GmbH identisch waren, unter Heranziehung der zur sog. Durchgriffshaftung entwickelten Grundsätze den Schluss gezogen, dass im Sinne des Haftungsrechts der schade der GmbH als ein Schade des Kläger angesehen werden könne. Freilich hat er sich dabei nicht auf die zur Durchgriffshaftung ergangenen Urteile Stützen können. Denn bei diesen ging es darum, dass ein Gläubiger der GmbH seinen Anspruch gegen deren Gesellschafter durchsetzt, es sich also um einen Durchgriff auf der Schuldnerseite handelt, während es im Streitfall um einen Durchgriff auf der Gläubigerseite ging, besser: um ein Beiseiteschieben der juristischen Trennung. Der BGH wollte, Wie die im Urteil angeführten übrigen Entscheidungen zeigen, dem Beklagten die Berufung darauf, dass rechtlich der Kläger und seine GmbH auseinander zuhalten seien, versagen. Dass an sich diese Trennung auch bei einer Einmann-GmbH T hingenommen werden muss, ist auch die Ansicht des Senats. Im Streitfall schien ihm die Parallele zur Dürchgriffshaftung und zu ähnlichen Fällen einen Weg zu zeigen, mit dem er das gewünschte Haftungsergebnis rechtfertigen konnte. Dabei konnte er sieh auf ein Urteil vom 3. 4. 1962 stützen, in welchem er bereits ausgesprochen hatte; bei einer Einmann-GmbH sei praktisch die GmbH nur ein in besonderer Form verwalteter Teil des Vermögens ihres Gesellschafters, der Schädiger dürfe nicht, wolle man nicht an der wirtschaftlichen Wirklichkeit vorbeigehen, auf dem Wege über bloß formale Gegebenheiten ungerechtfertigt entlastet werden. So Wie es rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn sich der Einmann-GmbH auf die formal gegebene Selbständigkeit seiner juristischen Person gegenüber einem Dritten beruft, so sieht es der BGH als Rechtsmissbrauch an, wenn ein Dritter sich von seiner an sich zu bejahenden Haftung dadurch befreien will, das er sieh auf die bloß formal gegebene Selbständigkeit der GmbH beruft.

Diese Begründung des BGH ist kühn; erstmalig wendet er die zu Lasten eines Einmann-Gesellschafters entwickelten Grundsätze über Durchgriffshaftung usw. auch zu seinen Gunsten an. Indes dürfte die sog. Durchgriffshaftung nur ein Unterfall des allgemeinen Durchgriffs durch die juristische Person sein, den daher auch der GmbH-Gesellschafter nach Lage des Falles - hier im Schadensersatzrecht - zu seinen Gunsten geltend machen kann. Zwar hat das Reichsgericht in RGZ 156, 271, 277 die Hintansetzung der Trennung zwischen GmbH und ihrem Gesellschafter nicht auch zu Lasten eines Dritten zugelassen; das war richtig, da dort der Dritte ein Gläubiger der GmbH war, während der Dritte in dem jetzt vom BGH entschiedenen Fall der Schuldner war.

Allerdings geht es in all den Entscheidungen, die der BGH in seinen Urteil heranzieht, darum, den Gläubiger einer juristischen Person in seinem sachlich berechtigten Verlangen vor deren Einwand zu schützen, ihr Vermögen sei nun einmal von dem des Gesellschafters zu trennen. Die Begründung des Urteils des 13GH läßt nicht erkennen, ob er bei seinem Lösungsweg bedacht hat, dass der Durchgriff gerade dem Schutze der Gläubiger der juristischen Person dienen soll. Dass er die Haftung des Rechtsanwalts bejaht hat, war richtig- dem Urteil lässt sich aber nicht entnehmen, dass dessen Ersatzleistung nicht beim klagenden Gesellschafter bleiben soll, sondern der GmbH zufließen muss, doch ist das wohl die Vorstellung des BGH gewesen. Denn er hat den Schaden des Klägers nicht etwa darin gesehen, dass der Wert seines GmbH-Anteils gesunken war, als die GmbH ihren Bauplatz wieder verkaufen musste. Müsste aber der Kläger die, erstrittenen Beträge an seine GmbH auskehren, so hätte er in Wahrheit eben doch für deren Rechnung geklagt, so dass eine Lösung mittels Anwendung der Drittschadensliquidation die begrifflichen Bedenken gegen seinen Lösungsweg vermieden habe würde. Dass der BGH letztlich den Ersatz der GmbH hat zufließen lassen wollen, zeigt auch die Erwägung des Urteils, dass richtigerweise vielleicht die GmbH der Gläubiger des Ersatzanspruchs wäre, nämlich auf Grund Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, der Kläger also nur für sie klage.

Die vom BGH gegebene Begründung wird daher weiterer Überlegungen bedürfen. Dabei wird es nicht so sehr auf Billigung oder Nichtbilligung der Einmann-GmbH und deren rechtliche Konstruktion ankommen als auf schadensrechtliche Gesichtspunkte. Oder muss der, der den guten Tropfen seiner GmbH genießt, dass nur sie und nicht erden Gläubigern haftet, dann auch den bösen Tropfen hinnehmen, dass nur seine GmbH und nicht er Schaden erleidet, seine GmbH daher in gewissen Fällen keinen Ersatzanspruch hat?