Erbschaft

Besteht der zum Ersatz verpflichtende Schaden darin, dass ein Vermögensgegenstand nicht dem Geschädigten sondern dessen minderjährigen ehelichen Kindern zugeflossen ist, dann entspricht es regelmäßig der Billigkeit, den Schadensersatzanspruch nicht auf den vollen Wert des entgangenen Vermögensgegenstandes zu bemessen.

Zum Sachverhalt: Der Kläger verlangt von dem Beklagte Rechtsanwalt und Notar Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung. Er suchte im August 1972 zusammen mit seiner Schwester und deren Ehemann den Beklagte auf und trug ihm vor, sein verstorbener Vater habe die Schwester als Alleinerbin eingesetzt und ihm den Pflichtteil entzogen; er habe sich aber jetzt mit seiner Schwester geeinigt, gegen eine Abfindung von 50000 DM die Erbschaft zu übernehmen. Der wesentlichste Nachlassgegenstand war ein Grundstück, auf dem der Vater einen Hotel- und Gaststättenbetrieb unterhalten hatte. Die beim Beklagten erschienenen Personen wünschten eine Beratung über die Durchführung ihrer Absichten. Der Beklagte beurkundete daraufhin als Notar einen Abfindungsvertrag zwischen dem Kläger einerseits und dessen Schwester und ihrem Ehemann andererseits. Hierin erklärte die Schwester des Klägers, sie beabsichtige, die Erbschaft nach ihrem Vater für sich und ihre Kinder auszuschlagen. Außerdem ist in dem Vertrag erwähnt, der Ehemann der Schwester werde die Erbschaft ebenfalls für seine Kinder ausschlagen. Für den Fall, dass diese Erklärungen form- und fristgerecht abgegeben würden, verpflichtete sich der Kläger, an seine Schwester 50000 DM zu zahlen. Am selben Tag noch unterzeichneten die Schwester des Klägers sowie deren Ehemann eine vom Beklagten entworfene und an das zuständige Nachlassgericht gerichtete Erklärung, wonach die Schwester für sich und die Eheleute im Namen ihrer Kinder die Erbschaft ausschlugen. Der Kläger erlangte dadurch aber nicht, wie sich dies die Vertragsbeteiligten vorgestellt hatten, die Stellung eines Erben nach seinem Vater. Vielmehr erteilte das Nachlassgericht im Februar 1973 der Rechtslage entsprechend einen gemeinschaftlichen Erbschein zugunsten seiner beiden jetzt 7 bzw. 11 Jahre alten Kinder. Im September 1974 erhielt der Kläger vom VormG die Mitteilung, dass es zu einer Übertragung des Hotelgrundstücks auf ihn die Genehmigung erteilen werde, wenn er neben der Übernahme der eingetragenen Belastungen und etwaiger sonstiger vom Großvater der Kinder herrührender Schulden noch 218000 DM an seine Kinder zahle. Mit seiner Klage hat der Kläger davon einen Teilbetrag beansprucht.

LG und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Das Berufungsurteil hält, soweit es nicht wegen der übereinstimmend erklärten Teilerledigung wirkungslos geworden ist, der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

Zutreffend geht das Berufsgericht zunächst davon aus, dass der Beklagte am 4. 8. 1972 seine ihm dem Kläger gegenüber obliegende Notaramtspflicht schuldhaft verletzt hat. Er hätte dem Kläger und seiner Schwester einen Weg aufzeigen müssen, auf dem sie ihr Ziel erreichen konnten. Deshalb hätte er ihnen, wie das Berufsgericht mit Recht ausführt, vorschlagen müssen, einen Übereignungsvertrag betreffend das Grundstück und etwaige andere Nachlassgegenstände gegen Übernahme der Nachlassverbindlichkeiten und der Zahlung von 50000 DM zu schließen. Der Revision kann nicht darin gefolgt werden, der Abfindungsvertrag enthalte bereits eine Erbteilsabtretung, so dass es einer Grundstücksübertragung nicht mehr bedurft habe. Der Vertrag enthält nicht einmal eine verbindliche Festlegung der Schwester des Klägers, dass diese die Erbschaft ausschlägt; darin ist nur ihre dahingehende Absicht dokumentiert. Der Revisionserwiderung weist ferner zutreffend darauf hin, dass die Ausschlagung erst in eine besondere, an das Nachlassgericht gerichtete Erklärung aufgenommen war. Bei dieser Sachlage ist es entgegen der Auffassung der Revision auch rechtlich einwandfrei, dass das Berufsgericht aus diesem Abfindungsvertrag nicht im Wege der Auslegung eine Erbteilsabtretung herausgelesen hat.

Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Würdigung des Beweisergebnisses über den Anlass für die Entziehung des Pflichtteils und über die vom Beklagte behauptete Verzeihung zwischen dem Kläger und seinem Vater, die nach § 2337 S. 2 BGB zur Unwirksamkeit der Pflichtteilsentziehung führen würde... Damit konnte das Berufsgericht unbedenklich davon ausgehen, dass die Pflichtteilsentziehung wegen vorsätzlicher körperlicher Misshandlungen des Erblassers zulässig war und eine Verzeihung nicht erfolgt ist...

Ohne Rechtsfehler - und von der Revision nicht beanstandet - bejaht das Berufsgericht schließlich auch die Ursächlichkeit zwischen der schuldhaften Amtspflichtverletzung des Beklagte und dem Schaden des Kläger, wenn es ausführt, der Kläger wäre bei sorgfältiger Beratung durch den Beklagte und entsprechender Beurkundung eines Übertragungsvertrages gegen Zahlung der vereinbarten Abfindung an seine Schwester Eigentümer des Nachlassgrundstücks geworden.

Die nach der Teilerledigung noch offene Klageforderung ist aufgrund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen und den im Zusammenhang mit den Erledigungserklärungen von den Parteien übereinstimmend vorgetragenen neuen Tatsachen auch der Höhe nach gerechtfertigt.

Der Kläger hat infolge der Amtspflichtverletzung des Beklagte schon deshalb rein rechnerisch einen Schaden von 102 000 DM, weil er, um das Nachlassgrundstück einschließlich der darauf ruhenden Verbindlichkeiten zu erhalten, außer dem bereits an seine Schwester gezahlten Betrag von 50000 DM nun nochmals 102000 DM an seine Kinder zahlen muss.

Auf diesen Schaden braucht sich der Kläger - jedenfalls zurzeit - keine Vorteile anrechnen zu lassen, die er etwa im Zusammenhang mit dem Schadensfalle erlangt hätte.

Der Schaden des Klägers mindert sich nicht dadurch, dass die theoretische Möglichkeit besteht, dass er etwa noch einmal seine Kinder oder eines davon beerben und dann zumindest einen Teil des jetzt gezahlten Betrages zurückerlangen kann. Es ist schon fraglich, ob ein solcher Verlauf dem Kläger überhaupt als Vorteil angerechnet werden könnte. Zumindest wäre ein solcher Verlauf so ungewiss, dass jetzt noch nicht zu prüfen ist, ob er gegebenenfalls zu Rückforderungsansprüchen des Beklagte führen kann.

Wenn sich daher auch grundsätzlich die Schadensersatzpflicht an dem Betrag orientieren muss, den das VormG als Kaufpreis für die Veräußerung des Grundstücks von den Kindern an den Vater genehmigte, so darf doch nach Treu und Glauben bei der Schadensbeurteilung das von Kegel aufgezeigte Problem der lachenden Doppelerben nicht völlig außer Betracht bleiben. Allerdings führt die von Kegel vorgeschlagene Lösung, auf den besseren Erblasserwillen abzustellen, in Fällen, die dem hier vorliegenden Sachverhalt entsprechen, nicht weiter. Denn hier geht es nicht um die Gestaltung einer letztwilligen Verfügung, sondern um den Versuch, eine als unerwünscht empfundene Nachlassregelung nachträglich durch Vereinbarung zu berichtigen, und um die Haftung des Beklagte Notars, weil er dabei versagt hat. Dagegen bleibt hier bei natürlicher Betrachtung das Unbehagen an der Tatsache, dass der Stamm des Kapitals, für den der Vater Ersatz fordert, dessen minderjährigen Kindern - aus der Sicht der Parteien des Rechtsstreits zu Unrecht - zugeflossen ist und verbleibt, so dass dieser Betrag durch die begehrte Ersatzzahlung der Familie doppelt zufließt. Das erwähnte Unbehagen beruht darauf, dass die Vermögensbildung bei minderjährigen Kindern von ihren Eltern unter normalen Familienverhältnissen als wünschenswert empfunden und vielfach unter hohen eigenen Aufwendungen erkauft wird. Dass solche Zuwendungen an die Kinder nicht selten aus steuerlichen Erwägungen erfolgen, ändert daran im Grundsatz nichts, denn der steuerliche Erfolg ist bei legalem Verhalten eben nur dadurch erzielbar, dass die Zuwendung an die Kinder ernstlich und endgültig ist. Wenn in Fällen der hier gegebenen Art die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung gleichzeitig zu der bei Eltern in normalen Familienverhältnissen als wünschenswert und auch finanziellen Aufwandes würdig angesehenen Vermögensbildung bei den Kindern geführt hat, dann darf das bei der Bemessung des Schadensersatzes nicht außer Betracht bleiben. Das kann allerdings nie dazu führen, dass die Schadensersatzpflicht grundsätzlich entfällt, denn den Eltern kann auf diesem Umweg eine nicht unübliche aber auch keineswegs geschuldete Zuwendung an ihre Kinder nicht aufgezwungen werden. Wohl aber kann sich daraus nach den Umständen eine Ermäßigung der Schadensersatzpflicht unter den Betrag ergeben, auf den die reine Differenzbetrachtung hinweisen würde.

Im Streitfalle kommt eine solche Ermäßigung aber jetzt nicht mehr in Betracht, nachdem das VormG einer Veräußerung des Grundstücks an den Kläger zu einem Preis zugestimmt hat, der wesentlich niedriger als der Verkehrswert liegt.

Der Kläger braucht sich gegenwärtig auch nicht irgendwelche Erträgnisse des den Kindern zufließenden Grundstückskaufpreises als Unterhaltsersparnis anrechnen zu lassen. Das wäre zwar grundsätzlich nötig, wie auch das Berufsgericht zutreffend erkannt hat, da die Einkünfte des Kindesvermögens, die zu dessen ordnungsgemäßer Verwaltung nicht benötigt werden, für den Unterhalt des Kindes zu verwenden sind. Den Kindern des Klägers ist jedoch vorerst noch kein Vermögen zugeflossen, das Erträgnisse abwirft. Nach dem Inhalt des vom VormG genehmigten Kaufvertrages ist der vom Kläger geschuldete Kaufpreis grundsätzlich erst bei Vollendung des 18. Lebensjahres der Empfänger fällig. Lediglich etwaige vom Beklagten zur Erfüllung seiner Schadensersatzpflicht geleisteten Beträge sind unverzüglich je zur Hälfte auf Sparkonten zu überweisen, die für jedes der Kinder angelegt werden müssen. Ob und wann der Beklagte, der keinen Haftpflichtversicherungsschutz für die von ihm dem Kläger gegenüber begangene Amtspflichtverletzung genießt, die Urteilssumme zahlt und ob dann die Kinder in der Zeit ihrer Unterhaltsbedürftigkeit irgendwelche Erträge aus den erhaltenen Kaufpreisraten ziehen können, die die Unterhaltspflicht des Kläger mindern, ist derzeit so ungewiss, dass dieser noch nicht einmal absehbare, geschweige denn dem Kläger zugeflossene Vorteil seinen Schaden nicht mindern kann. Daran ändert es auch nichts, dass der Beklagte die Urteilssumme mit 4% verzinsen muss, dem Kläger jedoch, soweit er vom Beklagte keine Zahlung erlangt, der Kaufpreis bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres seiner Kinder gestundet ist.