Erfüllung eines Kaufvertrages

Verweigert der Käufer grundlos und endgültig die Erfüllung eines Kaufvertrages, so kann der bis dahin vertragstreue Verkäufer auch nach Veräußerung der Kaufsache an einen Dritten noch ohne Verstoß gegen Treu und Glauben vom Erfüllungsanspruch zum Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung übergehen (Abweichung von RG, JW 1925, 606 Nr. 9).

Zum Sachverhalt: Der Beklagte wird von der IC1. auf Schadensersatz wegen unberechtigten. Rücktritts von einem Flugzeugkaufvertrag in Anspruch genommen. Vor Auslieferung des Flugzeugs warfen sich beide Parteien in der Korrespondenz nicht rechtzeitige Erfüllung ihrer Verpflichtungen vor. Schließlich setzte der Beklagte der Kläger eine Frist zur Übergabe des zugelassenen Flugzeuges und drohte für den Fall der Fristversäumung den Rücktritt vom Vertrage an, den er nach Fristablauf auch erklärte. Die Kläger erhob Zug um Zug Zahlungsklage. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Beklagte zu Recht zurückgetreten sei. Mit ihrer Berufung hat die Kläger zunächst ihren Zug-um-Zug-Zahlungsantrag wiederholt. Sie ließ diesen Antrag aber dann fallen und verlangte Schadensersatz wegen Nichterfüllung, nachdem sie das Flugzeug weiterverkauft hatte.

Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Die Revision der Kläger führte zur Teilaufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache im Umfange der Aufhebung.

Aus den Gründen: . . . II. Das Berufungsgericht hält die Schadensersatzforderungen der Kläger für unbegründet. Selbst wenn sich der Beklagte-was offen bleiben könne - mit seiner Rücktrittserklärung grundlos vom Vertrag losgesagt habe, könne die IU. das Erfüllungsinteresse (entgangener Gewinn, Umrüstungskosten) nicht fordern, weil sie sich selbst vertragsuntreu verhalten habe; mit der Übergabe der verkauften Maschine an einen anderen Käufer am 6. 11. 1973 - also lange Zeit vor ihrem Übergang zum Schadensersatzanspruch - habe sie sich selbst der Erfüllungsmöglichkeit beraubt und sich damit ebenfalls vom Vertrag losgesagt, so dass nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ihr Schadensersatzverlangen gegen Treu und Glauben verstoße. Ob die weiteren Schadensposten wenigstens teilweise vom Erfüllungsinteresse erfasst würden oder darüber hinausgingen, könne dahingestellt bleiben.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

III. 1. Zutreffend - und von der Revision auch nicht gerügt - wendet das Berufungsgericht deutsches materielles Recht an.

2. Nicht zu billigen ist jedoch die Ansicht des Berufungsgerichts, die Kläger könne Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages nicht geltend machen, weil sie sich selbst vertragsuntreu verhalten habe.

a) Das Berufungsgericht geht ohne Rechtsirrtum davon aus, dass ein Anspruch der Kläger auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages nur aus dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung in Betracht kommt. Die Kläger stützt diesen Anspruch auf den nach ihrer Ansicht unberechtigten Rücktritt des Beklagten in seinem Schreiben vom 9. 8. 1973.

Nach gefestigter Rechtsprechung bedeutet ein solcher Rücktritt, falls er eindeutig und endgültig ist, die willkürliche Lossagung vom Vertrage; der Zurücktretende verletzt damit seine Verpflichtung zu treuer und gewissenhafter Vertragserfüllung und kann - in entsprechender Anwendung der §§ 325, 326 BGB - zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung des ganzen Vertrages verpflichtet.

Allerdings hat das Berufungsgericht keine Feststellungen darüber getroffen, ob sich der Beklagte mit der Rücktrittserklärung vertragswidrig verhalten hat. Es hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen, den Anspruch der Kläger aber auch für den Fall verneint, dass der Beklagte keinen Grund zum Rücktritt hatte. Für die Revisionsinstanz ist deshalb zu unterstellen, dass der Beklagte ohne ausreichenden Grund zurückgetreten ist, während die IC1. sich bis dahin vertragstreu verhalten hatte.

b) Die weitere Folgerung des Berufungsgerichts, die Kläger könne einen Ersatzanspruch wegen Nichterfüllung nicht geltend machen, weil sie infolge des Weiterverkaufs der Maschine nicht bis zu ihrem Übergang zum Schadensersatzanspruch erfüllungsfähig und -bereit gewesen sei, überspannt die durch die gegenseitige Vertragsbindung und den Grundsatz von Treu und Glauben bestimmten Verpflichtungen.

aa) Grundsätzlich ist ein Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung aus § 326 BGB oder aus der analogen Anwendung dieser Bestimmung im Falle einer positiven Vertragsverletzung des Schuldners zwar nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn der Gläubiger selbst vertragsuntreu ist und die Vertragswidrigkeit nicht bis zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs beseitigt. Dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmslos. Insbesondere hat die Rechtsprechung dem vertragsuntreuen, allerdings grundsätzlich noch leistungsfähigen Gläubiger die Rechte aus § 326 BGB dann nicht versagt, wenn der Schuldner eindeutig erklärt hatte, auch bei Beseitigung der Vertragsuntreue des Gläubigers den Vertrag nicht erfüllen zu wollen (Senat, NJW 1958, 177 = WM 1958, 113 = Nr. 6 zu § 325 BGB m. w. Nachw ) Sinn dieser Ausnahme ist es, den Gläubiger nicht zur Vorhaltung seiner Leistung zu zwingen, wenn mit Sicherheit anzunehmen ist, dass der Schuldner den Vertrag ohnehin nicht erfüllen wird.

bb) Auch der hier zu unterstellende Sachverhalt rechtfertigt eine Ausnahme von der oben genannten Regel. Denn der Beklagte hat durch zwei von Rechtsanwälten abgefasste Schreiben seinen Rücktritt nicht nur angekündigt sondern auch erklärt und sich damit seinerseits endgültig und - wie im Revisionsrechtszug zu unterstellen ist - unberechtigt vom Vertrag losgesagt, ohne diese Entscheidung in irgendeiner Weise mit der Erfüllungsbereitschaft der Kläger zu verknüpfen. Hinzu kommt, dass die Kläger alsbald nach der Rücktrittserklärung Klage auf Erfüllung erhoben und der Beklagte sich ohne jede Einschränkung unter Berufung auf seine Rücktrittserklärung dagegen gewehrt hat. Wollte man in einem solchen Falle die Kläger an ihrer Erfüllungsverpflichtung festhalten und ihr den Schadensersatz wegen Nichterfüllung nur deshalb versagen, weil sie die - wirtschaftlich vernünftigen - Konsequenzen aus dem Verhalten des Beklagten gezogen und das Flugzeug weiterverkauft hat, ohne dem Beklagten vorher mitzuteilen, dass sie nunmehr Schadensersatz fordere, so liefe das auf eine bloße Förmlichkeit hinaus, die mit der bei Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht vereinbar wäre.

Das RG hat allerdings in einem ähnlich liegenden Fall (vgl. RG, JW 1925, 606 Nr. 9) die Anforderung an die Erfüllungsbereitschaft des Gläubigers aufrechterhalten und ihm den Anspruch auf Schadensersatz versagt. Aus den dargelegten Gründen vermag sich der erkennende Senat dieser Rechtsprechung jedoch nicht anzuschließen. Mit den übrigen oben erwähnten Entscheidungen steht die hier getroffene dagegen nicht in Widerspruch. In diesen anderen Fällen handelte es sich nämlich um Vertragsverstöße des Gläubigers, die zeitlich vor der vertragswidrigen Handlung des Schuldners lagen und keine unmittelbare innere Beziehung zu ihr hatten. Das gilt besonders von dem im Urteil des BGH (Nr. 12 zu § 326 BGB = MDR 1965, 649 = WM 1965, 1011) entschiedenen Fall, der dem BGH Veranlassung gegeben hatte, die Leistungsmöglichkeit des Gläubigers bis zum Zeitpunkt der Erklärung über die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs besonders zu betonen.

cc) Möglicherweise geht allerdings der Gläubiger, der - wie die Kläger - die verkaufte Sache vor seiner Erklärung, Schadensersatz zu verlangen, an einen Dritten veräußert, ein gewisses Risiko ein. Da er bis zu diesem Zeitpunkt seine Erfüllungsforderung aufrechterhält, muss er damit rechnen, dass der Schuldner auf diese Forderung doch noch eingeht. Ob der Gläubiger dadurch gehindert würde, zum Schadensersatz überzugehen, braucht nicht entschieden zu werden, weil ein solcher Sachverhalt hier nicht vorliegt.

3. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung läßt sich die Verneinung des Schadensersatzanspruchs wegen Nichterfüllung (für den entgangenen Gewinn und die Umrüstungskosten) daher nicht aufrechterhalten. Auch andere Gründe tragen insoweit die Entscheidung schon deshalb nicht, weil es hierzu an den erforderlichen Feststellungen fehlt. Das Berufungsgericht, an das die Sache zurückzuverweisen ist, wird insbesondere zu prüfen haben, ob sich die Kläger schon vor der Rücktrittserklärung des Beklagten vertragswidrig verhalten hatte. In diesem Falle könnte entweder der Rücktritt berechtigt oder aber - bei beiderseitiger Vertragsuntreue - der Klägerdie Berufung auf vertragswidriges Verhalten des Beklagten und damit, auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens verwehrt sein.