Eröffnung des Konkurses

Einer zur Kreditsicherung gegebenen Bürgschaft unterfallen mangels ausdrücklicher anderweiter Vereinbarung nicht Forderungen gegen den Hauptschuldner, die der Bürgschaftsgläubiger erst nach Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Hauptschuldners von Dritten erwirbt.

Für die Entscheidung der Frage, ob der Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat, kommt es auf sein Verhalten vor Prozessbeginn an.

Zum Sachverhalt: Am 3. 8. 1976 verbürgte sich der Beklagte selbstschuldnerisch gegenüber der Kläger, einer Sparkasse, zugunsten der Firma H (Hauptschuldnerin) bis zum Höchstbetrag von 200000 DM. Nr. 1 der Bürgschaftsurkunde lautet: Die Bürgschaft wird zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Forderungen der Sparkasse gegen den Hauptschuldner ... an Hauptsumme, Zinsen und Kosten aus ihrer Geschäftsverbindung (insbesondere aus laufender Rechnung, Krediten und Darlehen jeder Art und Wechseln) sowie aus Wechseln, die von Dritten hereingegeben werden, Abtretungen oder gesetzlichem Forderungsübergang übernommen. Die Kläger gewährte der Hauptschuldnerin hierauf am 29. 9. 1976 einen Kredit von 200000 DM. Über das Vermögen der Hauptschuldnerin wurde am 7. 1. 1977 das Konkursverfahren eröffnet. Zu dieser Zeit standen 184000 DM von der Kreditsumme offen. Am 26. 1. 1977 schloss die Kläger zur Verstärkung ihrer Sicherheiten mit einem anderen Kreditnehmer, der Firma A, einen Vertrag, nach dem ihr zur Sicherheit alle gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen der Firma A gegen ihre Kunden abgetreten werden. Unter den global abgetretenen Forderungen befand sich auch eine solche der Firma A gegen die Hauptschuldnerin aus einer Rechnung vom 20. 11. 1976. Hieraus macht die Kläger neben der Restkreditsumme von 184000 DM einen Teilbetrag von 16000 DM gegen den Beklagten als Bürgen geltend. Der Beklagte hat nach Widerspruch gegen den Zahlungsbefehl über 200000 DM in der mündlichen Verhandlung einen Teilbetrag von 184000 DM sofort anerkannt.

Das Landgericht hat den Beklagten entsprechend seinem Anerkenntnis verurteilt, im übrigen die Klage abgewiesen und der Kläger die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Das Oberlandesgericht hat die auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der weiteren 16000 DM gerichtete Berufung der Kläger zurückgewiesen und die Kostenentscheidung des Landgerichts geändert. Die Revision der 1C1. hatte keinen Erfolg. Die Anschlussrevision des Beklagten führte zur Kostenbelastung der IC1. für alle drei Instanzen und damit auch zur vollen Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Aus den Gründen: I. 1. Das Berufungsgericht hält die streitige Forderung von 16 000 aus zwei Gründen nicht für durch die Bürgschaft des Beklagten gesichert.

a) Zwar sei eine Bürgschaftsübernahme für alle Forderungen, die gegen den Hauptschuldner aus dessen bankmäßiger Geschäftsverbindung entstehen könnten, wirksam. Hier aber sei zusätzlich die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten u. a. auch auf schlechthin alle Forderungen der Kläger gegen die Hauptschuldnerin aus Abtretungen erstreckt worden, auch wenn solche Forderungen nicht im Rahmen der bankmäßigen Geschäftsverbindung zwischen der Kläger und der Hauptschuldnerin entstanden seien. Eine solche formularmäßige Erstreckung der Bürgschaft weite diese zu sehr aus und mache die Hauptschuld zu unbestimmt. Deshalb hafte der Beklagte hierfür nicht als Bürge.

b) Außerdem habe der Beklagte der Hauptschuldnerin mit seiner Bürgschaft lediglich eine Kreditbasis für ihre Geschäftstätigkeit schaffen wollen. Daraus sei zu folgern, dass seine Bürgschaftsverpflichtung nur Forderungen gegen die Hauptschuldnerin habe decken sollen, die die Kläger vor Konkurseröffnung über das Vermögen der Hauptschuldnerin erworben habe. Mindestens sei die Geschäftsgrundlage der Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten mit der Konkurseröffnung weggefallen, so dass später von der Kläger erworbene Forderungen gegen die Hauptschuldnerin nicht mehr von der Bürgschaft gedeckt würden.

2. a) Dass eine Bürgschaft für alle Ansprüche einer Bank gegen den Hauptschuldner, die sich aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung ergeben können, wirksam ist und dass damit die von der Bürgschaft umfassten künftigen Forderungen des Gläubigers gegen den Hauptschuldner hinreichend umschrieben sind, ist in der Rechtssprechung anerkannt (BGHZ 25, 318 [321] = LM § 765 BGB Nr. 2 = NJW 1957, 1873; Senat, WM 1974, 1129 [1130] = LM § 765 BGB Nr. 20). Ob die Ausweitung einer Bürgschaftsverpflichtung auf alle Forderungen gegen den Hauptschuldner, die der Bank auf andere Weise als im Rahmen ihrer Geschäftsverbindung zu diesem abgetreten werden, zulässig ist, braucht entgegen der Meinung des Berufungsgerichts hier nicht entschieden zu werden. Zutreffend ist es allerdings, wenn das Berufungsgericht ausführt, die hier streitige, durch Abtretung an die Kläger gelangte Forderung gegen die Hauptschuldnerin sei nicht im Rahmen der bankmäßigen Geschäftsverbindung zur Hauptschuldnerin, sondern zu einem anderen Unternehmen, nämlich zur Firma A, von der Kläger erworben worden.

b) Von der Bürgschaft des Beklagten war unbestritten der Schuldsaldo gedeckt, der zur Zeit der Konkurseröffnung über das Vermögen der Hauptschuldnerin zugunsten der Kläger bestand. Insoweit hat der Beklagte auch die Forderung der Kläger anerkannt. Die Kläger konnte aber nun nicht nach Konkurseröffnung weitere Forderungen gegen die Hauptschuldnerin von Dritten sich abtreten lassen und damit ihre durch die Bürgschaft begründete freie Sicherheit ausfüllen (vgl. Senat, WM 1969, 1276 [1277] = LM vorstehend Nr. 7; WM 1977, 812 [814] = LM vorstehend Nr. 9). Nichts anderes nämlich tat sie, wenn sie sich nach Konkurseröffnung über das Vermögen der Hauptschuldnerin von anderen Kunden als Sicherheit für an diese Kunden ausgereichte Kredite deren Forderungen gegen die Hauptschuldnerin abtreten ließ und sie sodann gegen den Beklagten als Bürgen geltend machte (vgl. dazu auch für die Frage der Anfechtbarkeit solcher Handlungen im Konkurs BGHZ 59, 230 [234] = LM § 30 KO Nr. 28 =- NJW 1972, 2084; Senat, NJW 1975, 122 = LM § 15 KO Nr. 4 = WM 1974, 1218; = WM 1975, 947 [948]). Die Geschäftsverbindung der Klägerzur Hauptschuldnerin war mit der Konkurseröffnung em. § 23 KO erloschen (BGHZ 63, 87 [92] = LM § 23 KO Nr. 3 = NJW 1974, 2285). Selbst wenn man davon ausgeht, da die Bürgschaft sich über die aus der Geschäftsverbindung zur Hauptschuldnerin ergebenden Forderungen hinaus auch auf alle ihr von Dritten abgetretenen, gegen die Hauptschuldnerin gerichteten Forderungen erstreckte, so kann doch nicht angenommen werden, dass davon auch Forderungen erfasst sein sollten, die die Kläger erst nach Konkurseröffnung über das Vermögen der Hauptschuldnerin erwarb. Das ergibt sich schon aus dem Zweck der Bürgschaft des Beklagten, den Kredit der Hauptschuldnerin zu sichern. Dieser hatte aber mit der Konkurseröffnung über das Vermögen der Hauptschuldnerin sein Ende gefunden. Das Berufungsgericht hat demnach recht, wenn es annimmt, dass der Bürgschaft des Beklagten gegenüber der Kläger die stillschweigend getroffene Vereinbarung zugrunde lag, dass die Kläger für alle ihre Forderungen gegen die Hauptschuldnerin gesichert sein sollte, dass sie aber nicht Forderungen Dritter gegen die Hauptschuldnerin nach Konkurseröffnung über deren Vermögen durch Abtretung erwerben und der Sicherung durch die Bürgschaft unterstellen konnte, die ohne ein solches Vorgehen der Bürgschaft nicht unterfallen wären; denn hierin liegt eine Erweiterung des Bürgenrisikos, das - ohne ausdrückliche Vereinbarung - nicht als gewollt angesehen werden kann. Damit erweist sich das Berufungsurteil, soweit es dem Begehren der Kläger nicht entsprochen hat, als zutreffend.

II. Die Anschlussrevision des Beklagten ist begründet.

1. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte habe der Kläger Anlass zur Klageerhebung gegeben. Dies sei nämlich nicht allein aus seinem Verhalten bis zur Klageerhebung zu beurteilen, sondern auch danach, wie er sich nach Klageerhebung verhalten habe. Hier sei über ein Jahr nach Erlass des Teilanerkenntnisurteils die Klageforderung insoweit immer noch nicht vom Beklagten bezahlt. Das zeige, dass die Kläger sich mit Recht einen Titel gegen den Beklagten verschafft habe. Letzteres könne daher kostenmäßig nicht zu ihren Lasten gehen.

2. Die Anschlussrevision meint, die Kläger habe hier ohne Vorwarnung einen Zahlungsbefehl an dem Tage beantragt, an dem sie den Beklagten als Bürgen zur Zahlung aufgefordert habe. Der Beklagte habe einen Teil der anerkannten Klageforderung auch nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Laufe des Verfahrens beglichen. Es sei nicht festgestellt, dass der Beklagte nicht imstande oder ernstlich nicht willens gewesen sei, Zahlungen auf die anerkannte Schuld zu leisten.

3. a) Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat. Veranlassung zur Erhebung einer Klage - auch die Zustellung eines Mahnbescheids (früher Zahlungsbefehls - § 696 II ZPO a. F.) bewirkt nach eingelegtem Widerspruch die Rechtshängigkeit einer Sache (§ 696 III ZPO) - gibt man durch ein Verhalten, das vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (RGZ 118. 261 [264]; Baumbach-Lauterbach, ZPO, 37. Aufl., § 93 Anm. 3; Stein-Jonas, ZPO, 20. Aufl., § 93 Rdnr. 12). Daraus folgt, dass es für die Frage, ob der Beklagte Anlass zur Klage gegeben hat, auf sein Verhalten vor dem Prozess ankommt (OLG Düsseldorf, GRUR 1970, 432; ebenso NJW 1967, 162; Oberlandesgericht Zweibrücken, MDR 1971, 591 [592]; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl., § 93 Anm. B. II a 1; vom Gamm, NJW 1961, 1048), zu dessen Beurteilung allerdings auch das Verhalten des Beklagten nach Klageerhebung herangezogen werden kann (KG, NJW 1957, 796; Oberlandesgericht München, NJW 1968, 556). Soweit in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten wird, auch allein aus dem Verhalten eines Beklagte während des Prozesses könne rückschauend ein Anlass zur Klageerhebung bejaht werden, auch wenn ein solcher bei Erhebung der Klage noch nicht vorgelegen habe, ein Klageanlass könne also nachwachsen (OLG München, NJW 1966, 1417 = MDR 1966, 682; NJW 1969, 1815; Oberlandesgericht Hamburg, MDR 1971, 591; KG, JurBüro 1972, 65; Oberlandesgericht Köln, WRP 1977, 357 [358]; Oberlandesgericht Frankfurt, OberlandesgerichtRspr. 25, 72; Schneider, Büro 1969, 208; Baumbach-Lauterbach, § 93 Anm. 5 Geldforderungen; Stein-Jonas, § 93 Rdnr. 12; Thomas-Putzo, ZPO, 9. Aufl., § 93 Anm. 3 a; Deubner, NJW 1967, 787; Rosenberg-Schwab, ZPR, 12. Aufl., S. 439f.), weil § 93 ZPO nicht den Zweck verfolgt, den leistungsunfähigen oder leistungsunwilligen Beklagte vor der Auferlegung der Prozesskosten zu schützen (Stein-Jonas, § 93 Rdnr. 12; Deubner, NJW 1967, 787), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Es erscheint ausgeschlossen, dass ein Anlass zur Klageerhebung später nachwächst (OLG München, NJW 1966, 1417; Deubner, NJW 1967, 787). Denn ein Anlass zur Erhebung der Klage muss in diesem Zeitpunkt vorhanden sein und kann nicht später rückwirkend eintreten. Insgesamt läuft diese in Rechtsprechung und Literatur vertretene Meinung darauf hinaus, für die Anwendung von § 93 ZPO zugunsten eines Beklagte nicht nur das Anerkenntnis genügen zu lassen, sondern auch die Erfüllung des Klageanspruchs mindestens nach kurzer Frist zu fordern, obwohl eine solche Verknüpfung beider Vorgänge überwiegend in Rechtsprechung und Literatur abgelehnt wird und im Gesetz keine Stütze findet.

b) Auch die Folgerung des Berufungsgerichts, dass ein Gläubiger von einem zahlungsunfähigen aber anerkennungsbereiten Schuldner einen Titel nur auf eigene Kosten erhalten könne, wenn die Frage, ob ein Klageanlass vorgelegen hat, nicht auch nach den Gegebenheiten am Schluss der mündlichen Verhandlung beurteilt würde, überzeugt nicht. Anlass zur Klageerhebung hat ein Schuldner immer dann gegeben, wenn er eine fällige Forderung trotz Aufforderung durch den Gläubiger nicht bezahlt oder wenn er bei anderen Klageansprüchen den Gläubiger auf Aufforderung hin nicht durch Unterlassungserklärung oder dergleichen klaglos stellt. Im vorliegenden Fall hatte die Kläger die Möglichkeit, vom Beklagten als Bürgen am 8. 2. 1977 Zahlung innerhalb einer Frist zu verlangen und nach fruchtlosem Ablauf derselben einen Zahlungsbefehl (jetzt Mahnbescheid) zu beantragen und die Sache damit anhängig zu machen. In gleicher Weise kann eine Partei bei drohender Verjährung ihrer Forderung vorgehen. Wenn sie ohne vorausgehende erfolglose Aufforderung sofort den Klageweg beschreitet, geht sie das Risiko ein, dass bei sofortigem Anerkenntnis seitens des Beklagten ihr die Kosten nach § 93 ZPO auferlegt werden können, wenn kein sonstiger hinreichender Anlass zur Klageerhebung erkennbar ist. Dementsprechend war auf die Anschlussrevision unter Abänderung des Berufungsurteils die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen. Weiter waren der Klägerauch die Kosten der Berufungs- und Revisionsinstanz aufzuerlegen (§§ 93, 97 I, 91 ZPO).