Ersatz des Unterhaltsschadens

Auf den Anspruch des nichtehelichen Kindes auf Ersatz des Unterhaltsschadens gegen denjenigen, der für den Tod seiner Mutter haftungsrechtlich einzustehen hat, ist die aus der Sozialversicherung seines nachverstorbenen Großvaters gezahlte (höhere) Rente bei Ruhen der vorher aus der Sozialversicherung seiner Mutter gewährten Rente dann nicht anzurechnen, wenn die Unterhaltsleistung des Großvaters an das Kind nach dem Tode der Mutter aus Anlass ihrer Tötung erbracht worden ist.

Der 1963 geborene Kläger ist das nichteheliche Kind der M. Der Vater des Kindes konnte nicht festgestellt werden. Der Kläger lebte zuerst bei seinen Großeltern.

1967 fuhr seine Mutter im Pkw des Beklagten mit. Dieser verschuldete einen Verkehrsunfall. An den hierbei erlittenen Schädelverletzungen verstarb die Mutter des Klägers

Der Kläger erhielt nach dem Tode der Mutter aus deren Versicherung bei der BfA eine Waisenrente in Höhe von monatlich 127 DM. Diese Rente ruht ab 1. 3. 1968, weil der Kläger nach dem Ende Januar 1968 eingetretenen Tod seines Großvaters aus dessen Arbeiter-Rentenversicherung von der LVA eine höhere Waisenrente erhielt.

Die Klage auf Ersatz des Unterhaltssehadens ohne Anrechnung der nach dem Großvater gezahlten Waisenrente hatte in allen Rechtszügen Erfolg.

Aus den Gründen: Das Berufungsgericht verneint eine Anrechnung der beiden Waisenrenten, und zwar der aus der Versicherung der Kindesmutter (BfA), weil diese Rentenzahlung ruht, und der aus der Versicherung des Großvaters (LVA) mit der Begründung, der ihr zugrunde liegende Rentenanspruch sei keine Folge des vom Beklagten verursachten Unfalls; sein Entstehen sei vielmehr lediglich an die Voraussetzung geknüpft, dass der KL beim Tode seines Großvaters in dessen Haushalt aufgenommen war. Diese Rente trete damit an die Stelle des vom Großvater zu seinen Lebzeiten tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeitrages i. S. des § 843 Abs. 4 BGB.

Dieser Beurteilung tritt die Rev. im Ergebnis ohne Erfolg entgegen.

1. Der Berechtigung des KL steht nicht schon ein Übergang des Schadensersatzanspruchs kraft Gesetzes auf einen der beiden Sozialversicherungsträger (SVT) entgegen (§ 1542 RVO, § 77 Abs. 2 AVG).

a) Die Gewährung der Rente nach dem Tode des Großvaters durch die LVA beruht nicht auf dem vom Beklagten zu verantwortenden Unfalltod der Mutter des KL, sondern allein darauf, dass der Kläger im Zeitpunkt des Todes des rentenberechtigten Großvaters in dessen Haushalt aufgenommen war (§§ 1267, 1262 Abs. 2 RVO). Diese Rente hätte der Kläger auch dann erhalten, wenn seine Mutter nicht vorher verstorben gewesen wäre. Damit fehlt es an dem erforderlichen Zusammenhang zwischen der Leistungspflicht der LVA und dem Schadenersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten (Einheitlichkeit der Schadensverursachung). So nimmt denn auch die LVA nach ihrer Auskunft keinen Rückgriff gegen den Beklagten

b) Das Landgericht hatte zu Recht einen Übergang kraft Gesetzes auf die BfA wegen der von ihr aus Anlass des Todes der Mutter gezahlten Rente bejaht (§ 77 Abs. 2 AVG, § 1542 RVO), und zwar im Umfang des Anspruchs auf Ersatz des gesamten Unterhaltsschadens (vgl. BGH, Urteil vom 8. 3. 1966 - VI ZR 231/64 = Nr. 51 zu § 1542 RVO = NJW 66, 1319). Seitdem diese Rente aber ruht, weil die von der LVA gewährte höher ist (§§ 71, 57 Abs. 2 AVG), ist die Grundlage eines Übergangs auf die BfA entfallen.

Entgegen der Meinung der Rev. genügt für den gesetzlichen Eorderungsübergang nicht, dass der Schadensersatzanspruch des Klägers im Unfallzeitpunkt auf die BfA übergegangen war. Denn ein sinngemäßes Verständnis ergibt, dass ein Übergang nur Bestand haben soll, soweit der SVT (BfA) auf Grund des die Leistungspflicht auslösenden Schadensereignisses Leistungen zu erbringen hat (vgl. BGHZ 54, 377, 382 = Nr. 71 zu § 1542 RVO). Daran fehlt es hier aber (vgl. auch BGH, Urteil vom 3. 5. 1960 - VI ZR 74/59 = Nr. 1 zu § 1543 RVO = VersR 60, 709). Wenn das Ruhen den Anspruch auf Leistung gegen den SVT sachlich-rechtlich auch nicht erlöschen lässt, so kann der Berechtigte ihn doch nicht mit Erfolg geltend machen. Die Rente, die ruht, ist also - worauf es hier ankommt - nicht zu gewähren.

c) Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass man die beiden SVT im Verhältnis zum geschädigten Kläger als eine Einheit ansieht und damit die Leistungen der LVA hier auch als für die BfA erbracht wertet. Dem steht, von anderen Bedenken abgesehen, schon entgegen, dass es an einem Sachgrund fehlt, dem SVT einen Rückgriff zu gewähren. Denn die LVA hätte ihre Leistungen beim Tode des Großvaters auch dann erbringen müssen, wenn die Kindesmutter nicht vorher durch den vom Beklagten zu vertretenden Unfall ums Leben gekommen und damit eine Waisenrente aus diesem Anlass nicht entstanden wäre.

Dieser Beurteilung steht nicht die Entscheidung in BGIIZ 54, 377 = Nr. 71 zu § 1542 RVO, entgegen. Dort erwuchs einem nichtehelichen Kind nach dem Tode seines durch Verschulden des Schädigers getöteten Vaters eine Waisenrente der LVA. Dem Kind stand schon vorher eine Waisenrente der BfA aus der Versicherung seines vorverstorbenen Stiefvaters zu. Diese ruhte jetzt, weil sie niedriger als die von der LVA gewährte Rente war. Bei dieser Sachlage hat der erk. Senat einen Rechtsübergang nach § 1542 RVO nur für den Unterschiedsbetrag der beiden Renten bejaht, also insoweit, als die (unfallbedingte) Rente der LVA höher als die der BfA lag. Grundlage dieser Entscheidung war - betrachtet man die beiden SVT gegenüber dem Geschädigten als Einheit -, dass die SVT unfallbedingt nicht mit der (vollen) durch den Unfall ausgelösten Rente belastet wurden, sondern nur mit dem Unterschiedsbetrag. Auch die dortige Wertung beschränkt den Rechtsübergang also auf den Teil, der dem entsprach, was die SVT unfallbedingt mehr zu erbringen hatten.

2. a) Es mag dahinstehen, ob die von der LVA gezahlte Rente gegenüber dem Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seine Mutter - für dessen Verlust der Beklagte Ersatz zu leisten hat - hei deren Fortleben unter dem Gesichtspunkt der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen gewesen wäre (§ 1602 Abs. 2 BGB). Allerdings mögen die Unterhaltsleistungen, die der Großvater des Klägers nach dem Tode der Kindesmutter erbrachte, ebenso wie der von ihm zu Lebzeiten der Mutter gewährte Unterhalt nicht dazu bestimmt gewesen sein, auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch des Klägers gegen seine Mutter angerechnet zu werden. Eine solche Anrechnung hängt im Wesentlichen von dem Willen des Spenders ab, der unter Berücksichtigung seines Interesses an der Anrechnung und anderer Umstände zu ermitteln ist (vgl. Brühl, Unterhaltsrecht, 3. Aufl., Rdnr. 545 m. w. Nachw.). Immerhin könnte die nach dem Tode des Großvaters nunmehr von der LVA zu zahlende Waisenrente möglicherweise einer anderen Beurteilung unterliegen. So wird die Ansicht vertreten, dass wiederkehrende Rentenbezüge aus der Sozialversicherung im allgemeinen zu den Einkünften gehören, die sich ein minderjähriges unverheiratetes Kind nach § 1602 Abs. 2 BGB auf seinen Unterhaltsanspruch anrechnen lassen muß (vgl. BGHZ 54, 269, 273 m. w. Nachw. = Nr. 6 zu § 10 StVG). Andererseits sind Waisenrenten grundsätzlich nicht auf den vom Vater eines nichtehelichen Kindes zu zahlenden Regelunterhalt anzurechnen (vgl. § 1615g Abs. 3 BGB n. F.; Weyer, VersR 71, 413; vgl. aber auch Odersky, Nichtehelichengesetz, 3. Aufl., § 1615h BGB Anm. II 3a unter Hinweis auf § 1615h BGB n. F.).

b) Eine Anrechnung der von der LVA gezahlten Rente auf den hier vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist jedenfalls aus schadensrechtlichen Gesichtspunkten nicht gerechtfertigt.

aa) Die weitere Aufnahme und das Verbleihen des Klägers im Haushalt des Großvaters stand in engem Zusammenhang mit dem schadensverursachenden Ereignis. Damit ist davon auszugehen, dass die weiteren Unterhaltsleistungen des Großvaters an den Kläger nach dem Tode der Mutter aus Anlass ihrer Tötung und zur Behebung ihrer Folgen erbracht worden sind. Diese Leistungen des Großvaters waren somit nicht auf den Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten anzurechnen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Großvater in Erfüllung einer ihm nunmehr obliegenden Unterhaltspflicht handelte oder ob er diese Leistungen dem Kläger freiwillig zuwendete (vgl. § 844 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2, § 843 Abs. 4 BGB).

bb) Gleiches hat auch für die Rente zu gelten, die die LVA dem Kläger nach dem Tode des Großvaters aufgrund des Umstandes gewährt, dass der Kläger im Zeitpunkt des Todes im Haushalt des Großvaters aufgenommen war. Der Sinn dieser Rente ist, die zuvor vom Großvater erbrachten und mit seinem Tod entfallenen Leistungen pauschal zu ersetzen. Damit ist sie an die Stelle der Leistungen getreten, die zuvor der Großvater erbrachte. Es fehlt an einem Sachgrund, diese Rente Schadens rechtlich anders als die früheren Leistungen des Großvaters auf den Schadensersatzanspruch des Klägers anzurechnen und damit dem held. Schädiger zugutekommen zu lassen. Sie ist wirtschaftlich aus Beiträgen des rentenberechtigten Großvaters und aus Zuschüssen aus öffentlichen Mitteln gespeist worden und bezweckt, den durch schicksalsmäßige Entwicklungen betroffenen Hinterbliebenen vor Not und Entbehrungen zu schützen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Berechtigte in eine solche Notlage geraten ist (vgl. BGHZ 44, 312, 317 = Nr. 2 zu § 1712 BGB). Diese Vorsorge hat dagegen nicht den Sinn, den Schädiger von seiner Schadensersatzpflicht zu entlasten (vgl. auch BGH, Urteil vom 8. 3. 1966 - VI ZR 231/64 a. E., aaO; Urteil vom 11. 1. 1966 - VI ZR 173/64 = Nr. 5 unter 3 zu § 400 BGB m. w. Nachw.).