Ersatzbauvorhaben

Die in § 35 Abs. 4 Nr. 2 geregelte Zulässigkeit von Ersatzbauvorhaben für abgängige Wohngebäude geht ebenfalls über den Bestandsschutz hinaus, da dieser nicht die Errichtung von Ersatzbauten zulässt. Die Beschränkung des § 35 Abs. 5 Nr. 1 BBauG, dass die Vorschrift nur für Vorhaben gilt, die bei ihrer Errichtung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1-3 privilegiert waren, hat das BauGB aufgegeben und die Regelung auf alle Wohngebäude ausgedehnt. Damit ist auch die ursprüngliche Rechtfertigung der Privilegierung, nämlich dem Strukturwandel in der Landwirtschaft Rechnung zu tragen in den Hintergrund getreten; entscheidend ist die Anknüpfung an den vorhandenen Baubestand. § 35 Abs. 4 Nr. 1 BBauG verlangte noch, dass das Ersatzbauvorhaben beabsichtigt ist. § 35 Abs. 4 Nr. 2 BauGB hat diese Voraussetzung aufgegeben, so dass nunmehr die Vergünstigung dieser Vorschrift auch für Ersatzbauten in Anspruch genommen werden kann, die ohne Baugenehmigung errichtet worden sind. Die Vorschrift verlangt nach ihrem Sinngehalt auch nicht einen vollständigen Abriß des alten Bauwerks. Auch wenn einzelne Teile stehen bleiben, weil sie in das neue Bauwerk integriert werden können, ist § 35 Abs. 4 Nr. 2 anwendbar, wenn es sich nach den Grundsätzen vom Bestandsschutz um einen Ersatzbau handelt.

§ 35 Abs. 4 Nr. 2 setzt voraus, dass es sich bei dem zu ersetzenden Ge bäude um ein zulässigerweise errichtetes Wohngebäude handelt. Eis Gebäude ist dann zulässigerweise errichtet, wenn es entweder aufgrund einer Baugenehmigung gebaut wurde oder aber, falls eine Baugenehmigung nicht erteilt wurde, das Gebäude bei seiner Errichtung nicht im Widerspruch zu § 35 bzw. den zuvor für die Bebauung des Außenbereichs maß geblichen bauplanungsrechtlichen Vorschriften stand ; dabei ist es ausreichend, dass das Gebäude bei der Errichtung rechtmäßig war, ein spätere Veränderung der Sach- oder Rechtslage ist gleichgültig. Ein zulässige Errichtung ist ferner dann anzunehmen, wenn das Gebäude au einer Zeit stammt, als es noch keine baurechtlichen Vorschriften gab. Wenn das Gebäude aufgrund einer Baugenehmigung errichte wurde, ist es wegen der Feststellungswirkung der Baugenehmigung auch dann zulässigerweise errichtet worden, wenn es materiell-rechtlich eigentlich unzulässig war, die Baugenehmigung also zu Unrecht erteilt wurde. Ist die Baugenehmigung nachträglich zurückgenommen worden, hängt die zulässige Errichtung des Gebäu des davon ab, ob die Rücknahme mit Wirkung ex tunc oder ex nunc er folgte. Eine zulässige Errichtung ist allerdings zu verneinen, wenn das Gebäude in nicht nur unerheblichem Umfang von der erteilten Baugenehmigung abweicht, also ein nicht so genehmigtes Gebäude errichtet wurde.

§ 35 Abs. 4 Nr. 2 gilt nur für Wohngebäude. Hierunter fallen nur Gebäude, die zum nicht nur vorübergehenden Aufenthalt für den Eigentümer oder Besitzer sowie seine Familie bestimmt sind; daher sind Wochenend- oder Ferienhäuser keine Wohngebäude im Sinn des § 35 Abs. 4 Nr. 2. Eine Privilegierung von Wochenend- und Ferienhäusern durch § 35 Abs. 4 Nr. 2 stünde im Übrigen auch im Widerspruch. Da es sich um ein eigengenutztes Wohngebäude handeln muss, reicht es bei einem nunmehr als Wochenend- oder Ferienhaus genutztem Gelände auch nicht aus, dass es früher als Wohngebäude genutzt worden ist. Vielmehr muss diese Nutzung bis zuletzt bestanden haben. Der Qualifizierung eines Wohngebäudes steht es nicht entgegen, dass einzelne Räume zu anderen Zwecken, etwa für eine gewerbliche Betätigung genutzt worden sind. Ausreichend ist, dass das Gebäude überwiegend dem Wohnen diente; die Wohnnutzung also dem Gebäude das Gepräge gab. Es gelten insoweit dieselben Grundsätze wie bei §§ 3, 4 BauNVO. Die Forderung des § 35 Abs. 4 Nr. 2, dass es sich um ein gleichartiges Gebäude an der gleichen Stelle handeln muss, wird ergänzt durch § 35 Abs. 4 Satz 2, wonach geringfügige Erweiterungen gegenüber dem bisherigen Gebäude und geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort zulässig sind. Es ist danach also unschädlich, wenn der Ersatzbau hinsichtlich der Größe und dem Standort nicht ganz identisch mit dem alten Bauwerk ist. Das Tatbestandsmerkmal der Gleichartigkeit bedeutet nach der Rechtsprechung des BVerwG eine Übereinstimmung des alten und des neuen Gebäudes in bodenrechtlicher Hinsicht; dies bezieht sich vor allem auf die Nutzung und die Funktion des Gebäudes. Diese Voraussetzung hat allerdings bei § 35 Abs. 4 Nr. 2 - anders als bei Nr. 3 - keine große Bedeutung, weil von dieser Vorschrift nur Wohngebäude erfasst werden, die vom Eigentümer selbst genutzt werden. Ein Ersatzbauvorhaben ist nur zulässig, wenn das vorhandene Gebäude nicht durch wirtschaftlich vertretbare Modernisierungsmaßnahmen den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse angepasst werden kann. Die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse in § 35 Abs. 4 Nr. 2 sind identisch mit denen des § 177 Abs. 2. Dabei ist vor allem abzustellen auf den Zuschnitt der einzelnen Räume, die Belichtung und Belüftung, den Wärme- und Schallschutz, die Wasserversorgung, die Entwässerung sowie die sanitären Verhältnisse, die Heizung und die Kochmöglichkeit. § 35 Abs. 4 Nr.2 stellt auf gesunde und nicht etwa auf bequeme oder zeitgemäße Wohnverhältnisse ab. Daher ist ein Gebäude nicht schon deshalb abgängig, weil es keine Zentralheizung oder Warmwasserversorgung aufweist. Auch das Unterschreiten der üblichen Raumhöhe oder Zimmergröße, zu steile Treppen oder eine funktionell ungünstige Anordnung der einzelne Räume begründet noch nicht unbedingt ungesunde Wohnverhältnisse, so lange nicht konkrete Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass ein Bewohnen des Hauses zu gesundheitlichen Nachteilen führen kann. Die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse sind nicht absolut im Sinn einer naturgesetzlichen Festlegung zu sehen, sondern von den jeweiligen zeitbedingten Anschauungen der Allgemeinheit abhängig. Auch wenn ungesunde Wohnverhältnisse bestehen, kann ein Ersatz Bauvorhaben nach § 35 Abs. 4 Nr. 2 nur zugelassen werden, wenn eine Anpassung an gesunde Wohnverhältnisse mit einem wirtschaftlich vertretbaren Aufwand nicht möglich ist. Dabei richtet sich die wirtschaftlich Vertretbarkeit nach objektiven Kriterien und nicht nach der wirtschaftlichen Situation des jeweiligen Grundstückseigentümers; dies ist insbesondere der Fall, wenn die Koste einer Modernisierung höher wären als die eines entsprechenden Neubau oder auch zumindest nicht wesentlich unter den Kosten eines Neubaus liegen würden.