Ersteigerungsmöglichkeit

Vertritt ein Rechtsanwalt gleichzeitig zwei Beteiligte mit gleichgerichteten Interessen in einem Zwangsversteigerungsverfahren zur Aufhebung einer Gemeinschaft, und ist er einem der beiden Beteiligten gegenüber verpflichtet; ihn über die Möglichkeiten des Mitbietens im Versteigerungstermin zu belehren und einen entsprechenden Bietauftrag auszuführen, dann trifft ihn auch dem anderen Beteiligten gegenüber die Pflicht, dem ersteren diese Ersteigerungsmöglichkeit zu erhalten.

Zum Sachverhalt: Die Kläger ist Alleinerbin ihrer Schwester H. Beide Schwestern waren zu je 1/4 und D zu/ Mitglied einer Erbengemeinschaft. Zum Nachlass gehörte ein Grundstück. Der beklagte Rechtsanwalt hatte die Beratung der Kläger und ihrer Schwester in der Grundstücksangelegenheit übernommen. Zwecks Aufhebung der Gemeinschaft beantragte der Beklagte namens der Klägerdie Versteigerung des Grundstücks. Danach führten die Bet. wiederholt Gespräche über eine gemeinsame freihändige Veräußerung des Grundstücks. Dabei hielt der Beklagte einen Preis für 400000 DM für erzielbar; eine Feststellung des Verkehrswertes des Grundstücks durch einen Sachverständigen veranlasste er jedoch nicht. Die Verkaufsverhandlungen führten zu keinem Erfolg. Bei der Versteigerung erhielt D für 280000 DM den Zuschlag. Nach Verhandlungen erklärte sich D schließlich bereit, unter Zugrundelegung eines Grundstückswertes von 400000 DM an die Kläger und ihre Schwester je 95000 DM zu zahlen. Weitere 5000 DM zahlte die Haftpflichtversicherung des Beklagten an jede der beiden Schwestern. Ein danach durch Anfrage beim Gutachterausschuss für Grundstückswerte eingeholtes Gutachten ergab, dass der Wert des Grundstücks 787500 DM betrug. Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Schwester der Kläger vom Beklagten Schadensersatz in Höhe von 96873 DM verlangt, weil er pflichtwidrig die Verschleuderung des Grundstücks zugelassen habe. Nach dem Tod ihrer Schwester hat die Kläger den Rechtsstreit weitergeführt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das KG hat der Klage in Höhe von 48517,77 DM stattgegeben. In der Revision hat der BGH dieses Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen (VersR 1981, 460). Das KG hat nunmehr die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Die nur noch gegen die Klagabweisung in Höhe von 26000 DM eingelegte Revision der Kläger führte in diesem Umfang zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht geht mit dem Urteil des BGH davon aus, dass auch zwischen der Schwester der jetzigen Kläger und dem Beklagten ein Anwaltsvertrag zustande gekommen ist und dass der Beklagte seine anwaltlichen Pflichten u. a. dadurch verletzt hat, dass er sich nicht nach dem Verkehrswert des Grundstücks erkundigte. Das pflichtwidrige Verhalten des Beklagten ist nach Auffassung des Berufungsgerichts jedoch nicht ursächlich für den der Schwester der Kläger entstandenen Schaden gewesen.

Das Berufungsgericht meint, diese habe den Beklagten nicht auf Ersatz ihres Anteils am Mehrerlös bei einer Ersteigerung des Grundstücks durch die Kläger in Anspruch nehmen können, weil insoweit kein adäquater Kausalzusammenhang zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Beklagten und der Entstehung des Schadens bestehe. Der Beklagte habe für die Schwester der Kläger kein Gebot abgeben können. Ihr gegenüber sei er auch nicht verpflichtet gewesen, der Kläger die Möglichkeit zu erhalten, das Grundstück selbst zu ersteigern. Deshalb könne ihr nicht zugute kommen, dass der Beklagte ebenfalls seine Pflichten aus dem mit der Kläger geschlossenen Anwaltsvertrag verletzt habe.

II. Gegen diese Ausführungen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Nachdem der V. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil vom 23. 1. 1981 (VersR 1981, 460) ausgeführt hat, das Berufungsgericht sei in seinem ersten Berufungsurteil ohne Rechtsverstoß zu dem Ergebnis gelangt, der Beklagte habe die Beratung auch der Schwester der Kläger in der Grundstücksangelegenheit übernommen gehabt und er habe in mehrfacher Hinsicht seine Pflichten aus diesem Anwaltsvertrag verletzt, u. a. dadurch, dass er sich nicht nach dem Verkehrswert des Grundstücks erkundigt hat, musste das Berufungsgericht und muss auch der erkennende Senat von diesem Sachverhalt ausgehen.

2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts über die Ursächlichkeit der vom Beklagten begangenen Pflichtverletzung für den Schaden der Schwester der Kläger halten jedoch einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe auch bei pflichtgemäßem Verhalten der Erbengemeinschaft das Grundstück nicht auf Dauer erhalten und habe auch nicht bewirken können, dass in einem späteren Versteigerungstermin ein höherer Versteigerungserlös erzielt worden wäre. Ebenso hält es den Revisionsangriffen stand, dass sich das Berufungsgericht nicht davon hat überzeugen können, dass die Kläger das Grundstück im Innenverhältnis für ihre Schwester mit ersteigert haben würde, wie die KL behauptet hat. Im Hinblick darauf hat der Senat die Revision der Kläger nur teilweise angenommen.

b) Die Revision rügt jedoch mit Recht, dass die jeweils isolierte Betrachtung der mit der Kläger und deren Schwester geschlossenen Anwaltsverträge der Pflichtenstellung des Beklagten nicht gerecht wird. Der Beklagte konnte allerdings für die Schwester der Kläger in dem Zwangsversteigerungsverfahren kein Gebot abgeben, schon weil ihr nach den insoweit unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts die Mittel fehlten, das Grundstück selbst zu ersteigern. Er war aber, wovon das Berufungsgericht- im Parallelprozess der Kläger bezüglich ihrer eigenen Ansprüche gegen den Beklagten mit Recht ausgeht, dieser gegenüber verpflichtet, sie über ihre Möglichkeiten des Mitbietens im Versteigerungstermin aufzuklären und einen entsprechenden Bietauftrag auszuführen. Da er in diesem Verfahren aber beide Schwestern gleichzeitig vertrat, musste er, wie die Revision zutreffend geltend macht, dafür sorgen, dass die beiderseitigen Interessen im Rahmen des Möglichen gewahrt wurden. Dazu gehörte auch, dass er die nur für eine von ihnen bestehenden Möglichkeiten zugunsten der anderen nutzte, soweit zwischen den Schwestern kein Interessenkonflikt bestand. Da nur die Kläger die finanzielle Möglichkeit hatte, ein das etwaige Höchstgebot des Onkels von 500000 DM übersteigendes Gebot abzugeben, war er damit auch deren Schwester gegenüber verpflichtet, der Kläger die Ersteigerungsmöglichkeit zu erhalten. Er hatte daher aufgrund des mit der Schwester der Kläger geschlossenen Anwaltsvertrages dieser gegenüber dafür zu sorgen, dass die Kläger bis zu einem Gebot von 504000 DM mitbot und damit verhinderte, dass das Grundstück unter Wert versteigert wurde.

III. Bei dieser Sachlage kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben, soweit die Klage in Höhe von 26000 DM abgewiesen worden ist. Insoweit läßt sich im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens ein Erfolg der Klage nicht verneinen. Denn wenn die Kläger ... ein Gebot von 504000 DM abgegeben hätte, dann wäre ihre Schwester mit A, nämlich mit 126000 DM daran beteiligt gewesen. Da diese bereits 95000 DM von ihrem Onkel und 5000 DM von der Haftpflichtversicherung des Beklagten, insgesamt also 100000 DM, erhalten hat, bleibt ihr ein vom Beklagten allenfalls noch zu ersetzender Schaden von 26000 DM. Eine abschließende Sachentscheidung ist dem Senat jedoch nicht möglich, da das Berufungsgericht im vorliegenden Rechtsstreit ausdrücklich unentschieden gelassen hat, ob die Kläger bei richtiger Beratung durch den Beklagten tatsächlich mehr als 500000 DM geboten hätte, um einen Zuschlag an den Onkel zu verhindern. Die Sache muss daher im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung ... zurückverwiesen werden.