Fahrstunden

Wer Ersatz entgangenen Gewinns wegen verhinderter Geschäfte fordert, braucht sich den Ertrag nachgeholter Geschäfte nicht anrechnen zu lassen, soweit sich die Nachholung als überpflichtmäßige Maßnahme darstellt.

Anmerkung: Ein Omnibus der Beklagten fuhr auf den Fahrschulwagen des Klägers auf. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagte zum Ersatz des Unfallschadens verpflichtet ist. Unter ihnen ist nur im Streit, ob die Beklagten den mit der Klage geltend gemachten Verdienstausfall zu ersetzen hat. Das Berufsgericht hat hierzu folgenden von der Rev. nicht in Zweifel gezogenen Sachverhalt seiner Beurteilung zugrunde gelegt: Der Klägerin konnte seinen Fahrschulwagen wegen der unfallbedingten Reparatur während 9 Arbeitstagen nicht benutzen - die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs schied aus, weil es sich um ein besonders eingerichtetes Fahrschulfahrzeug handelte, das sowohl mit Knüppel- als auch Lenkradschaltung als Alternativschaltung ausgestattet war -. Während dieses Zeitraums hätte der Klägerin einen Verdienst nach Abzug ersparter Unkosten von 1559,52 DM erzielt. Im Zeitpunkt der Urteilsfällung hatte der Klägerin sämtliche unfallbedingt ausgefallenen Fahrstunden nachgeholt. Keiner der Fahrschüler, die ihren Fahrunterricht an dem Unfallwagen erhalten sollten, ist wegen der Verlegung der Stundenausgeschieden oder hat weniger Fahrstunden erhalten. Der Klägerin hat auch keinen der Interessenten, die sich zum Fahrunterricht meldeten, aus unfallbedingten Gründen abgewiesen. Die Ausbildung der Fahrschüler hat sich auch nicht etwa in der Art verschoben, dass es sich bis zur Urteilsfällung auswirkte und auch in Zukunft voraussichtlich nicht mehr ausgeglichen werden könnte.

LG und Oberlandesgericht haben der Klage voll stattgegeben. Der BGH hat das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Auf Grund dieser tatsächlichen Feststellungen drängen sich folgende schadensrechtlichen Erwägungen auf, die der VI. Zivilsenat vorweg stellt: Nach der Differenzhypothese liegt die Annahme nahe, dass gar kein Schaden in der Form entgangenen Gewinns entstanden ist. Ob ein Gewinnschaden als allgemeine Vermögensminderung und als Unterschied eines gedachten und des tatsächlichen Vermögensstandes vorliegt, ist vom Zeitpunkt der Urteilsfällung aus zu beurteilen. Soweit eine Mindermeinung abweichend auf, die Vergangenheit, im Regelfall auf den Zeitpunkt des Schadensereignisses, abstellt, berücksichtigt sie bei Erwerbsschäden trotzdem, wenn im Zeitpunkt der Beurteilung kein oder ein geringerer Gewinn entgangen ist. Im Zeitpunkt der Beurteilung scheint es aber an einem Nachteil des Klägers zu fehlen, den er ohne den Unfall nicht erlitten hätte.

Diese Auff. wird durch Äußerungen im Schrifttum und durch einige Judikate bestätigt, nach denen Schäden als entgangener Gewinn insbesondere bei selbständigen Erwerbstätigen dann endgültig nicht eintreten, wenn die einzelnen unfallbedingt entgangenen Geschäfte in späterer Zeit nachgeholt werden.

Trotzdem ist nach Auff. des VI. Zivilsenats hier die Bejahung eines zu ersetzenden Gewinnausfalls nicht schon grundsätzlich ausgeschlossen.,

Das Berufsgericht hatte zur Begründung seiner Bejahung eines. Gewinnschadens angeführt, die Nachholung der Stunden stelle eine überpflichtmäßige Maßnahme dar und habe deshalb bei der Schadensberechnung außer Betracht zu bleiben. Hierbei ging es von der Fragestellung aus, ob auf den entstandenen Schaden der spätere Vorteil anzurechnen sei.

Im Bereich der Vorteilsausgleichung sind in der Tat nach allgemeiner Rechtsauffassung die Vorteile aus eigener Tätigkeit des Geschädigten nicht anzurechnen, soweit diese über die Schadenminderungspflicht nach § 254. Abs. 2 BGB hinausgeht. Folgt das unmittelbar aus § 254 Abs. 2 BGB, so doch aus einer sinngemäßen Anwendung der in dieser Norm zum Ausdruck kommenden Wertung.

Der BGH äußert Zweifel, ob man hier davon sprechen kann, dass dem durch den Gewinnausfall in der Reparaturzeit bereits entstandenen Nachteil durch die weitere Tätigkeit des Klägerin ein Vermögensvorteil gegenübergetreten ist, wie ihn die sog. Vorteilsausgleichung voraussetzt. Nur dann stellte sich aber die Frage der Anrechnung eines Vorteils auf einen entstandenen Schaden. Stellt man auf. den Zeitpunkt der Beurteilung ab, spricht dagegen nach Auf. des VI. Zivilsenats einiges für die Auff., dass ein Erwerbsschaden erst gar nicht eingetreten ist: Den Gewinn, den der Klägerin in der Reparaturzeit machen wollte, hat er später gemacht. Man könnte das dahin ausdrücken: ein zunächst lediglich möglicher Schaden wäre dann schließlich doch nicht eingetreten.

Nach Auff. des VI. Zivilsenats kommt es auf diese Frage hier nicht an. Er meint, auch wenn man den durch die Nachholung der Fahrstunden erzielten Gewinn hier als bloßen Schadensberechnungsfaktor in einem engeren Sinne qualifiziere, führe das unter dem Gesichtspunkt fehlenden Schadens nicht, schon ohne weiteres zur Abweisung des Klageanspruchs. Er hält vielmehr eine rechtliche Wertung dahingehend für nicht verwehrt „gegebenenfalls sogar für geboten, ob dieser Umstand bei der Schadensberechnung einzusetzen oder von der Einstellung in die Differenzbilanz auszunehmen ist. Zusammenfassend führt er aus, der im Bereich der eigentlichen Vorteilsausgleichung entwickelte Grundsatz treffe auch hier zu, dass die mit dem Schadensereignis verbundenen günstigen Umstände nur dann einzusetzen sind, wenn die Anrechnung dem; Zweck des Schadensersatzes entspricht und den Schädiger nicht unbillig entlastet. Ebenso wie dort sei dem Rechtsgedanken und der gesetzlichen Wertung des §254 Abs. 2 BGB zu entnehmen, dass eine Schadensverhinderung und -minderung durch überpflichtmäßige Anstrengungen den Schädiger nicht entlasten sollen. In diesem Zusammenhang weist das Urteil darauf hin, dass die Abgrenzung zwischen Vermögensvorteilen im Sinne der Vorteilsausgleichung und im Sinne von bloßen Schadensberechnungsfaktoren durchaus nicht eindeutig und zudem nach formalen Gesichtspunkten kaum durchführbar ist, worauf Esser hingewiesen hat.

Ersichtlich erblickt der Senat den entscheidenden Grund seiner wertungsmäßigen Begründung in folgendem: Plätte der Klägerin anders als hier die unfallbedingt ausgefallenen Fahrstunden nicht nachgeholt, wäre. sein Anspruch auf Gewinnersatz unberührt geblieben, soweit ihm eine Nachholung nach § 254 Abs. 2 BGB nicht oblag. Der Senat vermisst einen Sachgrund, der die Frage der Anrechnung unterschiedlich zu werten erlaubt und gebietet, wenn der Klägerin wie hier die ausgefallenen Stunden über das nach § 254 Abs. 2 BGB Gebotene- hinaus nachgeholt hat.

Trotzdem hat der BGH das BerUrt. nicht bestätigt, es vielmehr aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Die bisherigen Feststellungen genügten ihm nicht zur Bestätigung der Ansicht des Berufsgericht, der Kl sei durch die Nachholung der ausgefallenen Fahrstunden über die Opfergrenze hinausgegangen, die seiner Schadenminderungspflicht gesetzt war.

Zunächst wird beanstandet: sofern dem Klägerin eine Nachholung der gesamten ausgefallenen 108 Stunden nicht zuzumuten gewesen sei - so das Berufsgericht -, folge daraus nicht, dass der Klägerin auch bei teilweiser Nachholung die ihm zuzumutende Opfergrenze überschritten hätte. Insoweit wäre der Gewinn bei Schätzung, des zu ersetzenden Schadens zu berücksichtigen.

Zudem lässt sieh die Zumutbarkeit der unstreitigen Nachholung der 108 Fahrstunden nur beurteilen, wenn der zur Vermeidung von Verlusten gebotene und nach dem weiteren Verlauf ausreichende Zeitraum der Nachholung feststeht. In tatsächlicher Hinsicht war nur zu entnehmen, dass es dem Klägerin etwa 11/2 Jahre nach dem Unfall gelungen war, ohne Verlust bisheriger und Abweisung neuer Fahrschüler den Rückstand nachzuholen.