Falschlieferung

1. Liefert beim Spezieskauf der Verkäufer eine andere als die vereinbarte Sache (sog. Identitäts-aliud), so bestimmen sich die Ansprüche des Käufers nicht nach Gewährleistungsrecht (§§ 459ff. BGB), sondern nach den allgemeinen Vorschriften über Leistungsstörungen (§§ 320ff. BGB). Das gilt beim Handelskauf auch dann, wenn der Käufer der Rügelast nach § 378 HGB unterliegt.

2. Steht dem Käufer wegen der Falschlieferung ein Schadensersatzanspruch nach § 326 BGB zu, so kann er die ihm angebotene Sache zurückweisen und als Schaden den entgangenen Gewinn aus dem zu erwartenden Weiterverkauf der vertragsgemäß zu liefernden Sache geltend machen.

3. Weist der im Ausland wohnende Käufer die noch in Zollverwahrung stehende Falschlieferung unverzüglich zurück, so trifft ihn keine einstweilige Aufbewahrungspflicht nach § 379 HGB.

Zum Sachverhalt: Der Kläger, ein ägyptischer Kaufmann, der u. a. Lastkraftwagen nach Ägypten einführt, kaufte am 25. 11. 1975 bei der Beklagte einen nach Baujahr, Fahrgestell- und Fabrik-Nummer näher bezeichneten gebrauchten Lkw. Neben dem Kaufpreis in Höhe von 38000 DM zahlte der Kläger4300 DM für Transportkosten nach Alexandria. Die Beklagte quittierte den Gesamtbetrag von 42300 DM auf dem Auftragsformular, das dem Kt sodann ausgehändigt wurde. Im Januar 1976 versandte die Beklagte einen anderen als den gekauften Lkw nach Alexandria. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz einschließlich entgangenen Gewinns wegen Nichterfüllung des Kaufvertrages in Anspruch und verlangt 91000 DM, weil ihm nicht der von ihm gekaufte Lkw geliefert worden sei.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe eines Teilbetrages von 42300 DM stattgegeben und sie im übrigen dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. In der Berufungsinstanz hat der Kläger mit Schriftsatz vom 14. 6. 1977 vorgetragen, er habe den Lkw zur Vermeidung weiterer Zoll- und Standgeldaufwendungen und höherer Wertverluste veräußern müssen und dabei 59000 DM erlöst. Etwa 30000 DM habe er vorher für Zoll- und Standgeld zahlen müssen. Gegen die der Beklagte danach zustehende Forderung auf Herausgabe des Erlöses hat er mit dem 42300 DM übersteigenden Teil seiner Forderung aufgerechnet, hilfsweise auch mit dem ihm vom Landgericht zugesprochenen Betrag. Die Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 22. 6. 1977 ihr in zweiter Instanz zunächst beanspruchtes Zurückbehaltungsrecht wegen einer Forderung auf Herausgabe des gelieferten Lkw fallen lassen und statt dessen hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, das sie mit einem Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung über die Umstände und das Ergebnis des Weiterverkaufs des Lkw und auf Herausgabe des Erlöses begründet hat. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagte wurde die Klage in Höhe von 29000 DM abgewiesen; im übrigen führte die Revision zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: ... II. 1. Die Lieferung eines anderen als des vom Kläger gekauften Lkw stellt - wie das Berufungsgericht mit Recht annimmt - keine Schlechterfüllung dar, sondern eine Falschlieferung (Lieferung eines sog. Identitäts-aliud). Für die Ansprüche des Käufers wegen einer solchen Abweichung vom Vertrage sind auch beim Handelskauf nicht die Gewährleistungsvorschriften (§§ 459ff. BGB), sondern die allgemeinen Bestimmungen über Leistungsstörungen (§§ 320ff. BGB) maßgebend. Andernfalls wäre der Käufer einer Speziessache von Anfang an - falls nicht die Voraussetzungen des § 463 BGB vorlägen - auf Wandelung oder Minderung beschränkt, selbst wenn die vertragsgemäße Leistung ohne weiteres noch möglich wäre und der Käufer weiterhin ein Interesse an ihr hätte. Das wäre offensichtlich unbillig. Deshalb hat der Käufer zunächst weiterhin den Erfüllungsanspruch und sodann - nach Erfüllung der in §§ 325, 326 BGB geregelten Voraussetzungen - u. a. den Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung (Brüggemann, in: Großkomm. z. HGB, 3. Aufl., § 378 Anm. 34; v. Caemmerer, in: Festschr. f. M. Wolff I, 1952, S. 19; vgl. auch J. v. Gierke, ZHR 114, 88 [Fußn. 8], 89, jeweils m. w. Nachw.), selbst wenn ihn beim Handelskauf die Rügelast nach § 378 HGB trifft (Brüggemann, § 378 Eint 3b und Anm. 34). Ob und inwieweit sich bei der Lieferung eines sogenannten Qualifikations-aliud oder beim Gattungskauf andere Rechtsfolgen ergeben (vgl. Brüggemann, § 378 Anm. 28 ff., 36f.; Mezger, in: RGRK, 12. Aufl., § 459 Rdnr. 7; RGZ 86, 90 [92, 93]; Senat, LM § 477 BGB Nrn. 5, 10 [ NJW 1968, 640]; NJW 1969, 787 = LM § 325 BGB Nr. 12 = WM 1969, 95, jeweils m. w. Nachw.), bedarf keiner Erörterung, weil beide Fallgestaltungen hier nicht vorliegen.

2. Das Berufungsgericht billigt dem Kläger ohne Rechtsirrtum und ohne Rüge der Revision dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nach § 326 BGB zu. Durch die Nichteinhaltung der vertraglichen Lieferfrist zum 22. 12. 1975 war die Beklagte auch ohne Mahnung in Verzug geraten (§ 284 II BGB). Einer Nachfristsetzung und Ablehnungsandrohung (§ 326 I 1 BGB) bedurfte es nicht. Der Kläger hatte den falsch gelieferten Lkw unverzüglich zurückgewiesen; die Beklagte hatte nach der nicht zu beanstandenden Auslegung des Berufungsgerichts mit ihrem Schreiben vom 24. 2. 1976 die Erfüllung des Kaufvertrages durch Lieferung des im Vertrage bezeichneten Lkw ernsthaft und endgültig verweigert (vgl. Senat, LM § 326 [Dc] BGB Nr. 4 = WM 1976, 75 [76] = NJW 1976, 326 [Ls.]; BGH, LM § 326 [Dc] BGB Nr. 2; Ballhaus, in RGRK, § 326 Rdnr. 46).

3. Seinen Schaden berechnet der Kläger, der den Kaufpreis bereits voll bezahlt hat, in der Weise, dass er den gelieferten Lkw zurückweist und seinen vollen Nichterfüllungsschaden geltend macht, insbesondere den Erlös aus dem nach seiner Behauptung zu erwartenden Weiterverkauf des vertragsmäßig zu liefernden Lkw in Höhe von 87500 DM. Die Rechtsprechung hat diese vom Berufungsgericht zugrunde gelegte und auch von der Revision der Beklagte nicht grundsätzlich in Frage gestellte Berechnungsart für die insoweit ähnlichen Fälle anerkannt, in denen ein Käufer die Kaufsache wegen Fehlens einer zugesicherten Eigenschaft zurückweist (RGZ 134, 83 [90]; BGHZ 29, 148 [151] = NJW 1959, 620 = LM § 463 BGB Nr. 4 m. w. Nachw.). Für die Fälle der aliudLieferung muss dasselbe gelten, weil der Käufer die ihm zwecks Erfüllung angebotene Sache nicht nur als mangelhafte sondern als schlechthin nicht erfolgte Leistung behandeln darf (vgl. o. II 1). Weist er-wie es der Kläger hier getan hat - die Falschlieferung zurück, so braucht er sich also deren Wert entgegen der Ansicht der Revision auch nicht auf den entgangenen Weiterverkaufserlös als Schadensminderung anrechnen zu lassen. Daran ändert sich nichts dadurch, dass der Kläger den nach Alexandria gelieferten Lkw zu einem späteren, bisher nicht vorgetragenen Zeitpunkt in Ägypten veräußert hat. Eine solche Veräußerung könnte zwar Ausdruck einer nachträglichen Billigung der Lieferung als Erfüllung oder einer vom Käufer vollzogenen Änderung seiner Schadensberechnung (Behalten der Sache und Forderung der Wertdifferenz zum entgangenen Gewinn) sein. Ob eine solche nachträgliche Änderung der Schadensberechnung im vorliegenden Falle zulässig wäre, kann offen bleiben. Das Berufungsgericht hat nämlich in tatrichterlicher Würdigung festgestellt, dass der Kläger auf seiner Ablehnung der Kaufsache beharrt und den Lkw nur deshalb veräußert habe, weil er auch im Interesse der Beklagte weitere Zollgebühren und Lagerkosten für das im Zollhof verwahrte Fahrzeug habe vermeiden wollen. Unter solchen Umständen durfte das Oberlandesgericht annehmen, dass der Weiterverkauf nicht als Änderung der Schadensberechnung zu bewerten sei (vgl. RGZ 134, 83 [90]).

Der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gegebene Hinweis der Revision auf § 379 HGB führt zu keinem anderen Ergebnis. Die Bestimmung verpflichtet den Käufer unter gewissen Umständen auch bei Lieferung eines aliud, für die einstweilige Aufbewahrung der beanstandeten Ware zu sorgen, um sie vor Verlust oder Beschädigung zu schützen. Für den Kläger bestand schon deshalb keine Aufbewahrungspflicht, weil er die ihm übersandte Sache nicht angenommen, sondern sofort zurückgewiesen hatte. Da § 379 HGB dem Käufer nur eine ihm zumutbare und mögliche Sicherung der Sache auferlegt, um dem Verkäufer die Möglichkeit der Wiedererlangung zu bewahren, setzt er voraus, dass die Sache in den Gewahrsam des Käufers gelangt ist oder dieser sie unberechtigt zurückgewiesen hat (vgl. Brüggemann, § 379 Anm. 16 m. w. Nachw.). Daran fehlt es. Die spätere Übernahme zwecks Weiterverkaufs konnte die Aufbewahrungspflicht nach § 379 HGB nicht mehr begründen, weil die Beklagte inzwischen ausreichend Gelegenheit gehabt hatte, selbst für die Erhaltung des Lkw zu sorgen (Brüggemann, § 379 Anm. 15 m. w. Nachw.).

4. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Veräußerung des tatsächlich gelieferten Lkw stelle auch keine Verwirkung des Schadensersatzanspruchs dar, wird von der Revision im einzelnen nicht angegriffen. Ein Rechtsfehler kann insoweit nicht festgestellt werden.

III. Zu Unrecht zieht das Berufungsgericht jedoch aus alledem - in Übereinstimmung mit dem Landgericht - die Folgerung, der Anspruch des Klägers stehe mit einem Teilbetrag von 42300 DM bereits endgültig und im übrigen dem Grunde nach fest. Mit Rücksicht auf die vom Kläger im Schriftsatz vom 14. 6. 1977 erklärte Aufrechnung konnte ohne weitere Aufklärung weder das Teilurteil noch das Grundurteil aufrechterhalten werden.

1. Das Berufungsgericht hält die Aufrechnung für unerheblich, weil sie nur für den Fall der Begründetheit des von der Beklagte geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts erklärt worden sei, die diese Einrede der Beklagte enthaltenden Hilfsanträge aber wegen Verspätung (§ 529 II ZPO a.F.) hätten zurückgewiesen werden müssen, so dass die Bedingung nicht eingetreten sei. Mit dieser Begründung kann die Aufrechnung jedoch schon deshalb nicht außer acht gelassen werden, weil die Einrede des Zurückbehaltungsrechts nach dem hier noch anwendbaren § 529 II ZPO in der vor dem 1 7. 1977 geltenden Fassung (vgl. Art. 10 Nr. 3 der Vereinfachungsnovelle - BGBl 1976 I, 3281 -) nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen.

a) Die Zurückweisung war schon deshalb unzulässig, weil Prozessantrage als solche nicht Angriffs- oder Verteidigungsmittel sind, sondern den Angriff oder die Verteidigung selbst darstellen und deshalb von § 529 II ZPO a. F. nicht erfaßt werden (Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann, ZPO, 34. Aufl., § 529 Anm. 1 m. Rspr.-Nachw.).

Auch soweit das Berufungsgericht nur die das Zurückbehaltungsrecht begründenden Tatsachen gemeint haben sollte, durfte es diese nicht zurückweisen. Veranlassung, diese Tatsachen einredeweise geltend zu machen, bestand erst, nachdem der Kläger erstmalig am 14. 6. 1977 mitgeteilt hatte, er habe den Lkw inzwischen veräußert. In erster Instanz war der Beklagte danach noch nicht bekannt, dass der Kläger den Lkw verkauft hatte. Grobe Nachlässigkeit kann der Beklagte für die Erhebung ihrer Einrede deshalb nicht vorgeworfen werden. Insbesondere reicht eine frühere Ankündigung des Klägers, das Fahrzeug verkaufen zu wollen, dafür nicht aus. Ob die Berücksichtigung der Einrede den Rechtsstreit verzögert hätte, wie das Berufungsgericht meint, ist danach unerheblich.

b) Der von der Beklagte gemäß § 273 BGB geltend gemachte Auskunfts- und Rechenschaftslegungsanspruch war nach §§ 681 S. 2, 666 BGB gerechtfertigt. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger den nach Alexandria gelieferten Lkw im Hinblick auf die anfallenden Kosten (Standgeld) und den sich infolge Zeitablaufes ergebenden Wertverlust zur Verminderung drohender Schäden im Interesse der Beklagte veräußert. Davon geht auch die Beklagte aus, die ausdrücklich den Anspruch aus §§ 681 S. 2, 666 BGB geltend macht und somit die Geschäftsführung jedenfalls i. S. des § 684 BGB genehmigt hat.

Auch das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass dieser Anspruch gemäß § 273 BGB ein Zurückbehaltungsrecht der Beklagte begründet. Insbesondere ist der erforderliche rechtliche Zusammenhang der gegenseitigen Ansprüche zu bejahen. Der Schadensersatzanspruch des Klägers und der Erlöscherausgabeanspruch bzw. Auskunfts- und Rechenschaftslegungsanspruch der Beklagte stehen aufgrund des Kaufvertrages vom 25. 11. 1975 in einem natürlichen wirtschaftlichen Zusammenhang, so dass es als treuwidrig bezeichnet werden müsste, den einen Anspruch geltend zu machen, ohne den anderen zu erfüllen (vgl. BGHZ 47, 157 [167] = LM § 705 BGB Nr. 19 = LM § 1360 BGB Nr. 4 -= NJW 1967, 1275).

2. Gegenüber der bis dahin nicht streitbefangenen, dem Grunde nach unstreitig gebliebenen Forderung der Beklagte auf den Erlös aus dem Verkauf des fälschlich gelieferten Lkw hat der Kläger in erster Linie mit dem 42300 DM übersteigenden Teil seiner Forderung aufgerechnet, hilfsweise auch mit dem Betrag von 42300 DM. War diese Aufrechnung wirksam, war die auf Zahlung gerichtete Klageforderung in Höhe des aufgerechneten Teils nicht mehr begründet, weil sie als im Zeitpunkt der Aufrechenbarkeit mit der Gegenforderung erloschen galt (§ 389 BGB). Nachdem der Kläger selbst die Forderung der Beklagte mit 29000 DM beziffert hat (59000 DM Erlös, abzüglich ca. 30000 DM Verwendungen auf den Lkw), konnte die Beklagte nicht mehr in voller Höhe verurteilt werden. Mindestens in Höhe des vom Kläger errechneten Betrages war die Klage nach seinem eigenen Vortrag unbegründet geworden. Insoweit hätte die vom Kläger weiterhin aufrechterhaltene Klage teilweise abgewiesen werden müssen. Aber auch das vom Berufungsgericht bestätigte Teilurteil des Landgerichts war nicht mehr gerechtfertigt. Da die vom Kläger als Verwendungen auf den Lkw geltend gemachten Zollgebühren und Standgeldkosten streitig sind, ist nicht auszuschließen, dass die Gegenforderung der Beklagte höher als 29000 DM (bis hin zum vollen vom Kläger angegebenen Erlös von 59000 DM) ist. Andererseits kann die Schadensersatzforderung des Klägers geringer als 91 000 DM sein. Wäre der primär aufgerechnete, 42300 DM übersteigende Teil geringer als die Gegenforderung der Beklagte, so wäre wegen der Hilfsaufrechnung des Klägers auch der bereits zugesprochene Teilbetrag von 42300 DM teilweise oder gar gänzlich zum Erlöschen gebracht. Das Teilurteil konnte daher nicht aufrechterhalten werden, weil nicht mehr feststeht, dass dem Kläger ein bestimmter Teilbetrag endgültig zusteht.

3. Eine abschließende Entscheidung war dem Senat nur insoweit möglich, als die Klage sich in Höhe vom 29000 DM als unbegründet erwiesen hat. Hinsichtlich dieses Teilbetrages wurde das Berufungsurteil daher geändert und die Klage abgewiesen. Da die gegenseitigen weiteren Ansprüche noch der Aufklärung bedürfen, musste das angefochtene Urteil im übrigen aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.