Formbedürftigkeit

Zur Formbedürftigkeit eines Vertrages, durch den ein Grundstückskaufvertrag aufgehoben werden soll.

Anmerkung: I. Die Parteien haben hinsichtlich eines notariellen Grundstückskaufvertrages, auf Grund dessen für den Käufer eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen wurde, in privatschriftlicher Urkunde die Aufhebung erklärt. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Aufhebungsvertrages.

II. Der Senat hatte im Urteil vom 26. 2. 1964 - V ZR 154/62, WM 1964, 509 [510] erklärt, ein Grundstückskaufvertrag könne vor seinem dinglichen Vollzug im Grundbuch durch formfreie Vereinbarung aufgehoben werden. In dem damals entschiedenen Fall war für den Käufer eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Nach erneuter Überprüfung hat der Senat an der früheren Auffassung nicht mehr uneingeschränkt festgehalten. Für die Frage nach der Formbedürftigkeit eines Aufhebungsvertrages sind folgende Stufen im Vollzug eines Grundstückkaufvertrages denkbar:

1. Der Kaufvertrag ist durch Auflassung und Eintragung des Eigentumsüberganges im Grundbuch vollzogen. Die Aufhebungsvereinbarung begründet in einem solchen Fall die Verpflichtung des Käufers, das Grundstückseigentum auf den Verkäufer zurück zu übertragen.

a) Enthält der Aufhebungsvertrag diese Übertragungsverpflichtung ausdrücklich oder lässt sie sich als Vertragsinhalt durch Auslegung ermitteln, so bedarf die Vereinbarung nach § 313 S. 1 BGB der notariellen Beurkundung.

b) Enthält der Aufhebungsvertrag die Rückübertragungsverpflichtung nicht, so ergibt sich die Pflicht des Käufers kraft Gesetzes nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812ff. BGB). In einem solchen Fall ergibt sich die Formbedürftigkeit der Aufhebungsvereinbarung nach Meinung des Senats aus der entsprechenden Anwendung des § 313 S. 1 BGB. Der Zweck der Formvorschrift, den Grundstückseigentümer auf die Wichtigkeit des Geschäftes, welches zur Übertragungspflicht führt, hinzuweisen und ihm die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung und Beratung nahezulegen, trifft in gleicher Weise sowohl auf den die Rückübertragungspflicht unmittelbar regelnden Aufhebungsvertrag als auch auf die Vereinbarung zu, die nur den Rechtsgrund für den Verbleib des Grundstücks beim Käufer beseitigt und damit die Übertragungspflicht nach § 812 BGB auslöst. In beiden Fällen ist für die Parteien selbstverständlich, dass das Grundstück nicht im Eigentum des Käufers verbleibt.

Der Senat wird in Zukunft zu prüfen haben, ob sich aus dieser von ihm vertretenen Auffassung Konsequenzen für die Frage nach der Formbedürftigkeit eines Vertrages ergeben, durch den der eine Vertragspartner mit der Beschaffung eines Grundstücks beauftragt wird und der Beauftragte im eigenen Namen aber für Rechnung des Auftraggebers handeln soll und nach Erwerb vom Dritten das Grundstück auf den Auftraggeber zu übertragen hat. In solchen Fällen ist bisher die Formbedürftigkeit des Auftrages verneint worden, weil sich die Übertragungspflicht hinsichtlich des vom Dritten erworbenen Grundstücks auf den Auftraggeber nicht erst aus der vertraglichen Abmachung, sondern bereits unmittelbar aus § 667 BGB ergebe. Ob diese Rechtsprechung (vgl. zuletzt das Senatsurteil vom 17. 10. 1980 - V ZR 143/79, NJW 1981, 1267 = LM vorstehend Nr. 90) angesichts der zur durch Vertragsaufhebung ausgelösten Übertragungspflicht gemäß § 812 BGB geforderten notariellen Beurkundung aufrecht erhalten werden kann, erscheint fraglich (vgl. hierzu auch: Linden, Die neue Rechtsprechung des V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes zum Immobiliarrecht, MiTT BayNot 1981, 169 [171]).

2. Ist nach einem Kaufvertrag noch keine Auflassung erklärt und auch keine Auflassungsvormerkung eingetragen, so bedarf der Aufhebungsvertrag keiner Form. Die Aufhebung begründet nämlich in Bezug auf das verkaufte Grundstück keine irgendwie geartete unmittelbare oder mittelbare Rückübertragungsverpflichtung.

3. Ist die Auflassung erklärt, ohne dass eine Auflassungsvormerkung eingetragen oder ein Eigentumsumschreibungsantrag gestellt ist, so kann der Verkäufer das Grundstück nach wie vor anderweitig veräußern oder belasten; es befindet sich also noch - trotz einer möglichen Bindung nach § 873 II BGB im Verhältnis zum Käufer - ohne Verfügungsbeschränkung im wesentlichen Umfang im Vermögen des Verkäufers. Durch eine in diesem Stadium vereinbarte Aufhebung des Grundstückskaufvertrages wird folglich keine Verpflichtung des Käufers begründet, auf die Sinn und Zweck des § 313 S. 1 BGB zutreffen könnten. Die Aufhebung ist daher form frei.

4. Der Senat bejaht jedoch den Beurkundungszwang für die Aufhebungsvereinbarung, wenn sie zu einem Zeitpunkt geschlossen wird, in dem der Auflassungsempfänger in Bezug auf das Grundstück ein Anwartschaftsrecht erlangt hat. Zu der Frage, wann ein solches Anwartschaftsrecht besteht, wird auf BGHZ 45, 186 [188] = LM § 823 (Ad) BGB Nr. 4; BGHZ 49, 197ff. hingewiesen.

Das Anwartschaftsrecht ist ein dem Volleigentum wesensgleiches Recht und wird dementsprechend bei Grundstücken nicht durch Abtretung sondern durch Auflassung nach § 925 BGB übertragen. Es führt in der Regel in Bezug auf das Grundstück zu einem Wechsel in der Rechtszuständigkeit. Der bisherige Eigentümer kann einseitig den Verbleib des Eigentums in seinem Vermögen nicht erzwingen. Diese Rechtslage erfordert nach Auffassung des Senats die notarielle Beurkundung einer Verpflichtung zur Übertragung eines Anwartschaftsrechtes. Der Normzweck des § 313 S. 1 BGB (Warn- und Schutzfunktion, Beweis- und Gewährsfunktion) trifft auf die Verpflichtung zur Übertragung eines Anwartschaftsrechts voll zu.

Die Gleichbehandlung des Anwartschaftsrechts mit dem Grundstückseigentum hat i. ü. zur Folge, dass für die Aufhebungsvereinbarung zu einem Grundstückskaufvertrag die gleichen Regeln wie beim bereits übertragenen Eigentum gelten (vgl. oben zu 1). Der Inhaber des Anwartschaftsrechts wird durch den Aufhebungsvertrag gezwungen, seine gesicherte Rechtsposition in Bezug auf das Grundstück zugunsten des Verkäufers aufzugeben. Er muss daher wie ein Volleigentümer vor übereilten Verträgen, durch die er sein Anwartschaftsrecht verliert, geschützt werden. Die Aufhebungsvereinbarung ist daher auch hier in entsprechender Anwendung des § 313 S. 1 BGB formbedürftig.