Fremdenverkehr

Fremdenverkehr - Gesamtheit aller Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus dem Aufenthalt von Personen außerhalb des Wohnortes sowie durch die damit verbundene Ortsveränderung ergeben - vorausgesetzt, dass der Aufenthalt nicht Folge eines am fremden Ort eingegangenen Arbeitsrechtsverhältnisses ist; i. e. S. Komplex aller Einrichtungen, Maßnahmen und Erscheinungen, die einzeln oder in ihrem Zusammenwirken den Aufenthalt von Ortsfremden einschließlich der damit verbundenen Ortsveränderung gewährleisten und gestalten. Die Gliederung des Fremdenverkehrs in Fremdenverkehrsarten erfolgt nach verschiedenen Gesichtspunkten. Nach dem Motiv der Teilnahme am Fremdenverkehr wird rekreationsbedingter, berufsbedingter und sonstiger Fremdenverkehr unterschieden. Als rekreationsbedingter Fremdenverkehr, auch reproduktionsbedingter oder Erholungsverkehr (i. w. S.) gen., wird die Fremdenverkehrsart bezeichnet, deren Ziel in der Wiederherstellung, Erhaltung und Förderung der physischen und psychischen Potenzen des Menschen sowie der Entwicklung der Persönlichkeit besteht. Der rekreationsbedingte Fremdenverkehr besteht aus dem Tourismus und dem Kurverkehr. Im Unterschied zum Kurverkehr, dessen Gestaltung unmittelbar der ärztlichen Einflussnahme in Form einer medizinischen Beratung, Betreuung oder Behandlung des in ein Sanatorium, Genesungsoder Erholungsheim eingewiesenen Teilnehmers bestimmt wird, gehören zum Tourismus alle übrigen reproduktionsbedingten Reisen bzw. Ausflüge, unabhängig davon, ob es sich um Reisen bzw. Ausflüge im Jahresurlaub handelt, ob der aufgesuchte Ort im In- und Ausland liegt, ob die Vermittlung durch den Feriendienst der Gewerkschaften, durch Reisebüros, einen Betrieb oder eine andere Einrichtung bzw. privat erfolgt usw. Für Reisen bzw. Ausflüge mit überwiegend sportlichem Charakter hat sich innerhalb des Tourismus der Begriff Touristik herausgebildet. - Zum berufsbedingten Fremdenverkehr gehören z. B. Reisen zum Besuch von Ausstellungen, Messen, Tagungen, Kongressen, Gastspielreisen von Künstlern, Exkursionen. - Unter sonstigem Fremdenverkehr werden Reisen zu Verwandten, Freunden, Bekannten und Einkaufsfahrten verstanden. Von politisch-geographischen Aspekten aus betrachtet, wird zwischen Inlandsfremdenverkehr und Auslandsfremdenverkehr (Auslandstourismus) unterschieden, wobei der Auslandsfremdenverkehr wiederum in einströmenden und ausströmenden Fremdenverkehr gegliedert wird. Infolge der unterschiedlichen Wirkung auf die Zahlungsbilanz eines Landes wird der einströmende Fremdenverkehr auch als aktiver Fremdenverkehr, der ausströmende als passiver Fremdenverkehr bezeichnet. Der aktive Fremdenverkehr gleicht einem unsichtbaren Export, der passive Fremdenverkehr einem unsichtbaren Import. - Weitere Unterscheidungen erfolgen nach der Zeitdauer in kurz- und langzeitigen Fremdenverkehr, nach dem Träger der Vorbereitung und Gestaltung in institutionell und individuell organisierten Fremdenverkehr, nach der Gemeinschaftsform der Teilnahme in Gruppen- und Einzelreisen, nach der Anzahl der aufgesuchten Orte. in Ziel- und Rundreisen. Die politische, soziale und ökonomische Zielstellung des Fremdenverkehr hängt vorwiegend vom Charakter der jeweiligen Gesellschaftsformation ab. Unter kapitalistischen Bedingungen stellt auch der Fremdenverkehr eine Anlagesphäre von Kapital und damit primär ein Mittel der Profitrealisierung dar, dem alle anderen Aspekte untergeordnet sind. Unter sozialistischen Produktionsverhältnissen ist der Fremdenverkehr ein Ausdruck der Politik des Staates zur Entwicklung sozialistischer Persönlichkeiten, zur Reproduktion und Förderung des physischen und psychischen Leistungsvermögens der Menschen und damit entsprechend integriert in seine Wirtschafts-, Sozial-, Kultur- und Gesundheitspolitik. Der Umfang des Inlands- und passiven Auslandsfremdenverkehrs hängt vorwiegend vom Niveau der Produktivkräfte ab. Der aktive Auslandsfremdenverkehr kann z. B. insbesondere aus ökonomischen Gründen bes. gefördert werden. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Anziehungskraft der natürlichen, insbesondere der landschaftlichen Bedingungen und/ oder kultureller Sehens- und Erlebniswürdigkeiten neben einem angemessenen Ausbau des Verkehrs sowie des Beherbergungs- und Gaststättenwesens. Den äußeren Ablauf des Fremdenverkehrs bezeichnet man als Fremdenverkehrsvorgang. Dieser enthält die Phasen Vorbereitung, Ortsveränderung und Aufenthalt. Die Phasen Ortsveränderung und Aufenthalt durchläuft der Fremdenverkehrsteilnehmer außerhalb seines Wohnortes. Sie stellen die Hauptphasen dar und bilden den Fremdenverkehrsvorgang i. e. S. Unter Einschluss der Vorbereitungsphase, die durch die Mittlerinstitutionen (Reisebüros usw.) und den individuellen Konsumenten den Fremdenverkehrsvorgang wesentlich beeinflusst, spricht man vom Fremdenverkehrsvorgang i. w. S. Die Anfänge des Fremdenverkehrs liegen als zunächst kommerzielle Reisen bereits vor Beginn unserer Zeitrechnung (Ägypten, Griechenland). Im Römischen Reich gab es Auskunftsbüros, Reisebeschreibungen, Kursbücher sowie günstige Verkehrs-, Verpflegungs- und Übernachtungsbedingungen. Mit dem Übergang zum Feudalismus in Europa wurden dem Fremdenverkehr jedoch eine Reihe seiner Entwicklungsbedingungen genommen, so dass erst wieder mit dem beginnenden Frühkapitalismus eine vorwiegend handelsbedingte Reisetätigkeit einsetzte. Entscheidenden Einfluss auf Art und Umfang des Fremdenverkehr übten die Entwicklung der Eisenbahn im 19. Jh. sowie der Einsatz von Passagierdampfern aus, weiterhin die im 20. Jh. begonnene Entwicklung des Kraftverkehrs (einschl. Individualverkehr) sowie des Luftverkehrs. Von den technisch- ökonomischen Bedingungen gesehen, hing die Entwicklung des Fremdenverkehr in der Vergangenheit vorwiegend von der Entwicklung der Verkehrsmittel ab, in der Gegenwart spielen auch Beherbergungsund Verpflegungskapazitäten eine bestimmende Rolle.