Gebührenforderung

Der Gedanke des § 654 BGB führt bei einem Rechtsanwalt nur dann zum Ausschluss einer Gebührenforderung, wenn der Rechtsanwalt in derselben Rechtssache vorsätzlich pflichtwidrig Parteien mit entgegengesetzten Interessen gedient, also Parteiverrat (§ 356 StGB) begangen hat (Fortführung der Rechtsprechung in den Senatsurteil LM § 611 BGB Nr. 22 u. vom 30. 9. 1976-111 ZR 140/74).

Zum Sachverhalt: Der Kläger, ein Rechtsanwalt, verlangt vom Beklagten eine Vergütung für die Mitwirkung bei einem am 23. 10. 1975 abgeschlossenen Vergleich des Beklagten mit einer GmbH und deren Gesellschaftern. Aufgrund einer Vereinbarung vom 1. 5. 1970, deren Wirksamkeit allerdings umstritten ist, führte die GmbH dem Versicherungsdienst L-KG (im folgenden: KG), deren Komplementär der Beklagte war, alle Kunden zu, die an einer Finanzierung ihres Kaufvertrags oder dem Abschluss einer Kraftfahrzeugversicherung interessiert waren. Kommanditisten der KG waren die beiden Gesellschafter der GmbH, R und dessen Schwester A. Frau A war mit der Ermittlung und Verteilung der Gewinne der KG nicht einverstanden und fühlte sich übervorteilt. Auf ihr Betreiben wurde R als Geschäftsführer abgelöst. Die Spannungen verschärften sich, als der neue Geschäftsführer der GmbH ab Februar 1975 der KG keine Kunden mehr zuführte. Der Kläger, der seit Jahren die Rechtsangelegenheiten des Beklagten betreut hatte, erwirkte im April 1975 zugunsten des Beklagten eine einstweilige Verfügung, durch die der GmbH untersagt wurde, in ihrem Betrieb anfallende Finanzierungen selbst durchzuführen oder zu vermitteln. Nach der Bestätigung der einstweiligen Verfügung durch Urteil begannen Vergleichsverhandlungen. Hierbei vertrat der Kläger unstreitig R, dessen Vertrauensanwalt er seit dem Jahr 1974 durch Vermittlung des Beklagten geworden war. Ob der Kläger bei diesen Verhandlungen auch für den Beklagten tätig war, ist streitig. Der am 23. 10. 1975 zustande gekommene Vergleich hat im wesentlichen folgen- den Inhalt: Der Beklagte führte keine Finanzierungen mehr für die GmbH durch, erhielt aber von ihr 120000 DM. Die Kommanditisten schieden aus der KG aus, bekamen jedoch den Versicherungsbestand. Der Beklagte durfte Versicherungsgeschäfte unter der bisherigen Firma weiter betreiben, verpflichtete sich aber, das auf dem Gelände der GmbH befindliche Büro der KG zum Jahresende 1975 zu räumen und bis dahin Miete zu zahlen. Die Büroeinrichtung verblieb ihm. Die GmbH übernahm die Kosten des Verfügungsverfahrens und des durch den Vergleich erledigten Hauptprozesses. Die Kosten des Vergleichs trug jede der an ihm beteiligten Parteien selbst. Der Kläger hat vorgetragen, er sei im Auftrag des Beklagten als dessen Vertreter sowohl bei dem zum Vergleich führenden Verhandlungen als auch bei dem Abschluss selbst tätig gewesen. Der Bei& und R hätten gleiche Interessen verfolgt. Von R habe er für die Mitwirkung bei dem Vergleich weder eine Vergütung verlangt noch erhalten.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Die - zugelassene - Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger neben R auch den Beklagten bei den zum Vergleich vom 23. 10. 1975 führenden Verhandlungen beraten und vertreten. Die Revision greift diese ihr günstigen und auch rechtsbedenkenfreien Ausführungen nicht an.

II. Das Berufungsgericht meint weiter, der Kläger habe die durch seine Mitwirkung am Vergleich verdiente Vergütung verwirkt, weil er unter Verstoß gegen das anwaltliche Standesrecht zumindest grob fahrlässig entweder verkannt habe, Parteien mit widerstreitenden Interessen zu vertreten oder geglaubt habe, durch ein beiderseitiges Einverständnis gedeckt zu sein. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Prüfung nicht stand.

1. Nach § 654 BGB ist der Anspruch auf den Maklerlohn ausgeschlossen, wenn der Makler dem Inhalt des Vertrags zuwider auch für den anderen Teil tätig geworden ist. Ein Makler, der in dieser Weise seine Pflichten verletzt und dadurch den Vertrag nicht erfüllt, soll ohne Lohn bleiben, auch wenn er dem Auftraggeber keinen Schaden zugefügt hat (BGH, WM 1973, 1382; BGHZ 36, 323 [326f.] = LM vorstehend Nr. 1 = NJW 1962, 734; BGH, LM vorstehend Nr. 4; BGH, NJW 1981, 280 = WM 1981, 61; Schwerdtner, in: MünchKomm, § 652 Rdnrn. 160 bis 163, § 654 Rdnr. 15, jeweils m. w. Nachw.).

a) Das RG hat in dieser Bestimmung die Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgedankens erblickt und sie daher bei schwerwiegenden Verstößen eines Rechtsanwalts gegen seine Berufspflichten entsprechend angewandt (RGZ 113, 264 [269]; RG, HRR 1935 Nr. 725). Der Senat ist dieser Ansicht des RG in seinen Urteilen vom 29. 4. 1963 (NJW 1963, 1301 = LM § 611 BGB Nr. 22 =- VersR 1963, 755) und vom 30. 9. 1976 (III ZR 140/74 - nicht veröffentlicht) nicht gefolgt. Er hat für die dort entschiedenen Rechtsstreitigkeiten dargelegt, dass der Anwalt kein Makler sei und der Gedanke des § 654 BGB nach der Interessenlage bei einem Anwalt nur dann zum Ausschluss einer Gebührenforderung führen könne, wenn der Anwalt pflichtwidrig beiden Parteien gedient, sich also des Parteiverrats schuldig gemacht habe. An dieser Auffassung wird festgehalten.

b) Die Erteilung eines Auftrags begründet für einen Rechtsanwalt eine Treupflicht gegenüber dem Auftraggeber und darüber hinaus aufgrund seiner Stellung als Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) auch die Verpflichtung, im Interesse der Lauterkeit und der Glaubwürdigkeit der Rechtspflege, die einmal aufgrund eines Auftrags eingeschlagene Richtung seiner Tätigkeit grundsätzlich beizubehalten (Kalsbach, BRAO, § 45 Anm. 21 b). Gegen diese beiden grundlegenden standesrechtlichen Pflichten (vgl. §§ 43, 45 Nr. 2 BRAO) verstößt der Rechtsanwalt, wenn er - wie es in § 356 StGB heißt - in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient. Hierin liegt nicht nur eine Schlechterfüllung, sondern eine Nichterfüllung der ihm obliegenden Pflichten schlechthin. Bei einem derartigen Verstoß entsteht daher nach dem in § 654 BGB enthaltenen Gedanken für einen Rechtsanwalt von vornherein kein Anspruch auf eine Vergütung, so dass es unerheblich ist, ob dem Auftraggeber ein Schaden entstanden ist oder nicht (vgl. Schwerdtner, in: MünchKomm, § 654 Rdnr. 15).

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beseitigt nicht schon ein grob fahrlässiger Pflichtverstoß, sondern erst ein nach § 356 StGB auch allein strafbarer vorsätzlicher Parteiverrat den Anspruch auf eine Vergütung. Der Rechtsanwalt muss das Bewusstsein und den Willen haben, pflichtwidrig Parteien mit entgegengesetzten Interessen beruflichen Rat oder Beistand zu gewähren (Geppert, MDR 1960, 623; LK, 10. Aufl., § 356 Rdnr. 134 m. w. Nachw.). Nur der bewusste Verstoß gegen grundlegende anwaltliche Pflichten nimmt der Tätigkeit den Wert einer anwaltlichen Leistung. Bei bloß fahrlässiger Verkennung anwaltlicher Pflichten, selbst wenn grobe Fahrlässigkeit vorliegt, kann noch eine anwaltliche Leistung verbleiben, die grundsätzlich zu vergüten ist, wenn und soweit der Auftraggeber durch sie keinen Schaden erlitten hat. Da das Berufungsgericht offengelassen hat, ob der Kläger vorsätzlich gehandelt hat, rechtfertigt die Begründung des angefochtenen Urteils die Abweisung der Klage nicht.

2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar, § 563 ZPO.

a) Allerdings ist dem Berufungsgericht darin beizutreten, dass der Kläger für den Beklagten und R in derselben Rechtssache tätig geworden ist, nämlich der vergleichsweisen Beseitigung der Spannungen, die zwischen den am Vergleich Beteiligten aufgetreten waren. Auch die Revision erinnert dazu nichts.

b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergeben seine Feststellungen aber nicht, dass der Kläger pflichtwidrig Parteien mit entgegengesetzten Interessen vertreten hat. Pflichtwidrig ist nicht schon jede Tätigkeit für Auftraggeber mit widerstreitenden Interessen (Nolte, AnwB11973, 122; BGHSt 15, 332 [336] = LM §356 StGB Nr. 11 = NJW 1961, 929). Weder die Bundesrechtsanwaltsordnung noch das Strafrecht verbieten sie allgemein. Untersagt ist es allein, in derselben Rechtssache gegensätzliche Interessen zu vertreten, also einmal die Interessen der einen Partei und ein anderes Mal die ihnen entgegengesetzten der anderen Partei wahrzunehmen (LK, § 356 Rdnr. 79). Das Berufungsgericht hat sich daher die Sicht für die richtige Fragestellung genommen, wenn es jede anwaltliche Tätigkeit für Parteien mit entgegengesetzten Interessen bereits als pflichtwidrig angesehen hat. Der Kläger hat daher erst dann pflichtwidrig gehandelt, wenn der Beklagte und R entgegengesetzte Inter- essen verfolgten, er dies erkannte, gleichwohl aber beiden weiterhin seinen beruflichen Beistand gewährt hat.

c) Nach dem bisherigen Sachstand ist es nicht ausgeschlossen, dass der Kläger für den Beklagten und R nur einander nicht widerstreitende Interessen wahrnehmen sollte, dann schiede eine pflichtwidrige Vertretung oder Beratung von vornherein aus. Das Berufungsgericht ist von einem unrichtigen Verständnis des Interessengegensatzes ausgegangen. Es stellt darauf ab, was die Interessen der Beteiligten sein mussten oder wie sie naturgemäß waren. Ob der Beklagte und R mit den dem Kläger erteilten Aufträgen entgegengesetzte Interessen verfolgten, ergibt jedoch nicht ein Unterschied ihrer objektiven Interessen, sondern nur ein Vergleich ihrer subjektiven Anliegen. Woran einer Partei gelegen ist, bestimmt sie allein. Ob mit zwei Aufträgen widerstreitende Interessen verfolgt werden, richtet sich daher nach den von den Auftraggebern jeweils (subjektiv) verfolgten Zielen (BGHSt 5, 301 [307] = LM § 356 StGB Nr. 4 = NJW 1954, 726; BGHSt7, 17 [20f.] = LM § 356 StGB Nr. 5 = NJW 1955, 150; LK, § 356 Rdnr. 80). Den danach maßgeblichen Inhalt des Auftrags festzustellen ist weithin Aufgabe des Tatrichters (Senat, NJW 1980, 2128 = WM 1980, 1044 [1045], in BGHZ 77, 27 nicht mit abgedruckt). Dieser Aufgabe ist das Berufungsgericht nicht ausreichend nachgekommen, da es nur auf den objektiven Gegensatz der Interessen des Beklagten und des R abgestellt hat.

aa) Nach seinen Feststellungen kommt in Betracht, dass der Klägerlediglich die gemeinsamen Interessen des Beklagten und des R gegenüber Frau A und der GmbH wahrnehmen sollte. Soweit sich aber Interessen zweier im Übrigen untereinander streitender Parteien gemeinsam gegen einen Dritten richten, ist der Rechtsanwalt nicht gehindert, sich für die gemeinsamen Belange gegenüber dem Dritten einzusetzen (LK, § 356 Rdnr. 87 m. w. Nachw.). Allerdings haben der Beklagte und R unstreitig die dem Kläger erteilten Aufträge nicht ausdrücklich darauf beschränkt, er solle ihre gemeinsamen Belange gegenüber Frau A und der GmbH wahrnehmen. Eine solche gemeinsame Richtung der Aufträge konnte aber aus den dem Kläger erkennbaren Umständen folgen, was genügen würde. Nach der Zeugenaussage des Frau A vertretenden Rechtsanwalts W zogen der Beklagte und R gegenüber Frau A an einem Strang, weil sich R bei Ungültigkeit der von ihm für die GmbH im Jahr 1970 mit dem Beklagten abgeschlossenen Vereinbarung möglicherweise gegenüber Frau A schadensersatzpflichtig gemacht hatte. Auch im übrigen hat das Berufungsgericht, von der gleich zu erörternden Meinungsverschiedenheit bei der Besprechung am 23. 10. 1975 abgesehen, keine Streitigkeiten oder Auseinandersetzungen zwischen dem Beklagten und R während der zum Vergleich führenden Verhandlungen festgestellt.

bb) Zu einem Punkt hat der Kläger allerdings die Interessen des R gegenüber dem Kläger vertreten, als am 23. 10. 1975 während der Verhandlung wegen der künftigen Gestaltung des Finanzierungsgeschäfts und des Verbleibs des Geschäftslokals der KG auf dem Gelände der GmbH zwischen dem Beklagten und R Meinungsverschiedenheiten auftraten. Das Berufungsgericht hat dies als Anzeichen dafür gewertet, dass noch an diesem Tage unausgetragene Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden bestanden hätten. Dar. aus hat es gefolgert, dass der KI jedenfalls bei dieser Gelegenheit pflichtwidrig die Interessen des einen Auftraggebers gegenüber dem anderen wahrgenommen habe. Die Revision rügt zutreffend, dass das Berufungsgericht die Ergebnisse der Beweisaufnahme und den Parteivortrag hierzu nicht hinreichend gewürdigt hat. Schon deshalb kommt seiner Feststellung, die Meinungsverschiedenheiten hätten auch die für beide Seiten äußerst wichtige Frage, ob und inwieweit der Beklagte aus dem Finanzierungsgeschäft aussteigen sollte, betroffen, nicht das ihr in dem angefochtenen Urteil beigelegte Gewicht zu. Der Beklagte hat das Eintreten des Klägers für R unstreitig hingenommen. Das wäre für sich allein allerdings nicht entscheidend. Das Verbot der Doppelvertretung unterliegt grundsätzlich nicht der Verfügungsmacht der Parteien, weil es nicht nur ihrem Schutz, sondern daneben dem Ansehen der Rechtsanwaltschaft und der Rechtspflege allgemein dient (BGHSt 15, 332 [336] = LM § 356 StGB Nr. 11 = NJW 1961, 929; RG, JW 1929, 3168; LK, § 356 Rdnr. 91). Das Einverständnis mit der Doppelvertretung ist aber dann bedeutsam, wenn zwischen den Auftraggebern kein Interessenwiderstreit in dem vorstehend unter 2c dargelegten Sinn besteht. Darauf kann hier hindeuten, dass der Beklagte die vom Berufungsgericht als wesentlich erachtete Parteinahme des Klägers für R bei der Besprechung weder bei seiner Berufungsbegründung und auch nicht in seiner gegen den Kläger gerichteten Anzeige bei der Rechtsanwaltskammer gerügt oder auch nur erwähnt hat. In diesem Zusammenhang können auch die Zeugenaussagen der übrigen Teilnehmer an der Besprechung bedeutsam sein, die das Berufungsgericht bis auf einen Teil der Angaben des Rechtsanwalts W noch nicht ausgewertet hat. Bisher kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei den Meinungsverschiedenheiten um erst während der Besprechung aufgetauchte und als- bald im allseitigen Einverständnis beigelegte, im Ergebnis als unwesentlich angesehene Differenzen gehandelt hat. Dann könnte der ganze Vorgang nicht als gewichtige Verletzung der vom Beklagten verfolgten Interessen ge- würdigt werden.

3. Das angefochtene Urteil kann aus diesen Gründen nicht bestehenbleiben. Die Sache musste an das I3erGer. zurückverwiesen werden, weil noch tatrichterlich festgestellt werden muss, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beklagte und R bei den zum Vergleich führenden Verhandlungen subjektiv entgegengesetzte Anliegen verfolgten und welche Bedeutung den am 23. 10. 1975 aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten zukommt.