Gesamtgläubigerschaft

Gesamtgläubigerschaft an einer bestehenden Forderung kann ohne Mitwirkung des Schuldners vertraglich nicht begründet werden.

Anmerkung: Der BGH hat die Möglichkeit, Gesamtgläubigerschaft an einer schon bestehenden Forderung ohne Einschaltung des Schuldners begründen zu wollen, verneint, weil es sich dabei um einen Vertrag zu dessen Lasten handele.

Im entschiedenen Falle hatten sich die Klägerinnen (Mutter- und Tochtergesellschaft) auf eine Vereinbarung berufen, wonach sie an der zugunsten der Klägerin zu 1 bereits bestehenden Forderung gegen die Beklagte fortan Gesamtgläubiger nach § 428 BGB sein wollten.

In der Entscheidung wird zunächst dargelegt, dass dieses Ziel nicht im Wege der Abtretung gemäß § 398 BGB erreicht werden konnte, weil das Wesen der Abtretung im vollständigen Rechtsübergang vom Zedenten auf den Zessionar bestehe, eine Wirkung, die, weil die Abtretung ein dingliches, der Vertragsfreiheit entzogenes Rechtsgeschäft sei, nicht eingeschränkt werden könne. Das erklärte Ziel der Klägerinnen, sie beide zu Gläubigerinnen der Forderung aus eigenem Recht zu machen, und zwar ohne Mitwirkung des Schuldners, womöglich gegen seinen Willen, habe daran scheitern müssen, dass dieses Rechtsgeschäft eigener Art (§§ 305, 428 BGB) wegen seiner nachteiligen Auswirkungen jedenfalls auf die Rechtsstellung des Schuldners im Prozess als Vertrag zu Lasten Dritter gewertet werden müsse. Der BGH hat das an Beispielen verdeutlicht: Ist der Schuldner der Überzeugung nicht zu schulden, wäre er zwei Klagen ausgesetzt. Zwar bliebe ihm nach § 428 BGB die Möglichkeit, sich durch Leistung an einen beliebigen der beiden Gläubiger von der Schuld zu befreien. Er müsste aber, statt wie sonst in einem Prozess, in deren zwei obsiegen. Würde er unterliegen, müsste er auch zweimal die Kosten tragen. Das Obsiegen gegenüber einem der beiden Gläubiger würde ihn vor der Inanspruchnahme durch den anderen nicht schützen. Gerade die Vorschrift des § 407 II BGB zeige aber für das Recht der Abtretung, dass der Gesetzgeber den Schuldner gerade auch vor prozessualen Nachteilen habe schützen wollen, Für den Fall des Rechtshängigwerdens der Forderung nach erfolgter Abtretung sei deshalb die Rechtskrafterstreckung auf den neuen Gläubiger in Erweiterung des § 325 ZPO bestimmt worden (PalandtHeinrichs, BGB, 33. Aufl., § 407 Anm. 3b).

Die unterschiedliche Behandlung der rechtsgeschäftlichen Begründung einer Gesamtgläubigerschaft an einer schon bestehenden Forderung ohne Mitwirkung des Schuldners gegenüber den Fällen, in denen dies beim Übergang von Ersatzansprüchen auf mehrere Versicherungsträger gemäß § 1542 RVO geschehe, hat der BGH damit gerechtfertigt, dass die Annahme einer Gesamtgläubigerschaft der mehreren Versicherungsträger die einzige Möglichkeit eines sachgerechten Interessenausgleichs darstelle. Die prozessuale Benachteiligung des Schuldners sei in Fällen das kleinste Übel, wobei zu beachten sei, dass die Tatsache, dass der Schädiger sich mehreren Versicherungsträgern gegenübersehe, ebenfalls auf dem Gesetz beruhe. Von einer vergleichbaren Lage könne im Bereich des Vertragsrechts nicht die Rede sein. Das Gesetz biete mit der Abtretung, die Rechtspraxis mit der Einzugsermächtigung ausreichende Möglichkeiten, wirtschaftlichem Ergebnis ähnliches zu erreichen, wie das, was im entscheidenen Falle mit der Begründung der Gesamtgläubigerschaft gewollt gewesen sei.