Gewährleistungsrecht

Zur Vorteilsausgleichung im werkvertraglichen Gewährleistungsrecht.

Anmerkung: Nachdem der BGH bislang von Fall zu Fall über die Pflicht des Bestellers, sich an den Kosten der Nachbesserung zu beteiligen, zu befinden hatte, ergab sich nunmehr Anlass zu grundsätzlichen Ausführungen über die Vorteilsausgleichung im werkvertraglichen Gewährleistungsrecht.

Die kl. Bauunternehmung hatte im Auftrag des beklagte Bauträgers Wärmeschutzfassaden nach einem Verbundsystem erstellt, welches sich alsbald als untauglich erwies. Eine gründliche Sanierung der Fassaden nach einem anderen System wurde nötig. Dieses System gab es zur Zeit der Bauwerkserrichtung noch nicht und war auch teurer als das bestellte, aber untaugliche System. Die Parteien stritten darüber, wer die Mehrkosten zu tragen habe und ob der Bauträger sich nicht auch im Wege der Vorteilsausgleichung die längere Lebensdauer des neuen Systems sowie ersparte Renovierungsaufwendungen anrechnen lassen müsse.

Der BGH ist davon ausgegangen, dass der im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelte Rechtsgedanke der Vorteilsausgleichung (vgl. dazu BGHZ 60, 353 [358] = LM Allg. Geschäftsbedingungen Nr. 45 = NJW 1973, 1190) auf Nachbesserungs- und Kostenerstattungsansprüche gemäß §§ 63311 u. III BGB, 13 Nr. 5 VOB/B entsprechend anzuwenden ist. Dabei darf freilich nicht übersehen werden, dass es sich hierbei um vertraglich begründete Ansprüche handelt, deren Inhalt vor allem durch die getroffenen Vereinbarungen bestimmt wird. Der Vorteilsausgleichung sind daher regelmäßig nur diejenigen Vorteile zugänglich, die der Auftraggeber allein durch die Gewährleistung (außerhalb ohnehin bestehender vertraglicher Verpflichtungen des Auftragnehmers) erlangt.

Demgemäß ist der Aufwendungsersatzanspruch des Bestellers stets um diejenigen Mehrkosten zu kürzen, um die das Werk bei ordnungsgemäßer Ausführung von vorneherein teurer gewesen wäre (Sowieso-Kosten), wie es auch § 2 VOB/B entspricht (so schon BGH, BauR 1971, 60 [62]; 1976, 430 [432]; zuletzt BGHZ 90, 344 = LM § 273 BGB Nr. 38 = NJW 1984, 1676). Der Unternehmer darf nicht mit Kosten solcher Maßnahmen belastet werden, die er nach dem Vertrag nicht zu erbringen hatte. Andererseits ist es ihm nicht gestattet, sich deswegen seiner werkvertraglichen Erfolgshaftung zu entziehen. Hat er einen bestimmten Erfolg zu einem bestimmten Preis versprochen, so bleibt er an seine Zusage selbst dann gebunden, wenn sich die beabsichtigte Ausführungsart nachträglich als unzureichend erweist und aufwendigere Maßnahmen erforderlich werden. Solche Mehrkosten können auch im Wege der Vorteilsausgleichung dem Besteller nicht aufgebürdet werden. Anders, wenn der Unternehmer sich nach einem Leistungsverzeichnis des Bestellers zu richten und danach die Vergütung bestimmt hat; bei richtiger, aber teurerer Ausführungsart wäre dann auch der Werklohn von vorneherein höher ausgefallen.

Dagegen kann der Unternehmer in aller Regel nicht die Berücksichtigung höherer Lebensdauer des nachgebesserten Werks oder ersparter Unterhaltungskosten in der Zeit zwischen Mängelrüge und Mängelbeseitigung verlangen. Wenn solche Vorteile ausschließlich auf einer Verzögerung der Mängelbeseitigung beruhen und der Besteller sich jahrelang mit einem fehlerhaften Werk begnügen musste, ist eine Vorteilsausgleichung unangemessen; sie widerspricht dem Gesetzeszweck der Gewährleistung im Werkvertragsrecht, da der Unternehmer Mängel umgehend auf seine Kosten zu beseitigen hat und eine Verzögerung dem Besteller nicht zum Nachteil gereichen darf Sähe man ersparten Instandhaltungsaufwand oder längere Lebensdauer als auszugleichende Vorteile an, so hätte der Unternehmer es in der Hand, sich durch Verzögerung der Mängelbeseitigung seiner Kostenlast teilweise oder sogar ganz zu entziehen; er brauchte umso weniger eigene Mittel einzusetzen, je länger er die Nachbesserung hinauszuzögern verstünde. Auf der anderen Seite hätte der Besteller, insbesondere bei kurzlebigen oder sehr wartungsbedürftigen Gütern, eine weitgehende Entwertung seiner Gewährleistungsansprüche zu befürchten.

Insoweit unterscheidet sich die Interessenlage der Beteiligten grundlegend von den Schadensersatzfällen aus unerlaubter Handlung, bei denen eine entsprechende Vorteilsausgleichung unter dem Gesichtspunkt alt für neu seit langem anerkannt ist (vgl. BGHZ 30, 29 [32ff.] = LM § 249 [Ha] BGB Nr. 9 = NJW 1959, 1078 m. w. Nachw.). Während sich dort die Schadensersatzpflicht von vorneherein nur auf einen gebrauchten Gegenstand erstreckt, hat der Gewährleistungsanspruch des Bestellers eine Werkleistung zum Gegenstand, die neu und mängelfrei zu erbringen ist. Die unvermeidliche Nutzung des mangelhaften Werks ermöglicht nicht den vertraglich geschuldeten, unbeeinträchtigten Gebrauch und rechtfertigt daher in der Regel keinen Abzug.