Gewinneinbußen

Wo mehrere Gesellschafter an einer Kapitalgesellschaft beteiligt sind, müssen Gewinneinbußen der Gesellschaft nicht eine Entsprechung im Vermögen der Gesellschafter finden, da der Wert von Gesellschaftsanteilen nicht mit einer Quote am Gesellschaftsvermögen gleich- zusetzen ist, sondern nach marktspezifischen Faktoren bewertet wird. U. a. können die Verluste, die der Gesellschafter durch Gewinneinbußen seiner Gesellschaft erleidet, beeinflusst werden durch die Entschließungen, die die Gesellschaft über Verwendung und Ausweisung der Gewinne getroffen haben würde. Dass der Schädiger auf diese Weise unter Umständen aus den Vermögensdispositionen der Gesellschaft für den Umfang seiner Ersatzverpflichtung gegenüber dem Gesellschafter Nutzen zieht, muss der Gesellschafter als eine Folge des Umstandes hinnehmen, dass für die schadensrechtliche Beurteilung nur seine Beteiligung an einem rechtlich fremden Vermögen in Betracht kommen kann.

Anders sind die Verhältnisse zu beurteilen, wenn es um den Ersatzanspruch des geschäftsführenden Alleingesellschafters einer Kapitalgesellschaft, etwa einer GmbH oder, wie hier, einer AG geht. Zwar wird auch sein Schaden von dem Schaden abgesehen, den er primär meist, auch hier, durch den Verlust seines gewinnabhängigen, festen Gehalts erleidet erst durch die Geschäftsverluste der rechtlich ihm gegenüber verselbständigten Kapitalgesellschaft vermittelt; je nach den Entschließungen seiner Gesellschaft mögen sich diese Verluste im Anteilswert oder Ertrag seiner Aktien gar nicht oder nicht in dieser Höhe niederschlagen. Aber eben dies wird ganz maßgebend von der Person des geschäftsführenden Alleingesellschafters, von seinen Aktivitäten und Entschließungen bestimmt. Indem er Dispositionen für das Gesellschaftsvermögen trifft, entscheidet er auch in Bezug, auf sein Vermögen; das ist eine Folge der engen Verflechtung beider Interessenbereiche durch die eine Person des geschäftsführenden Alleingesellschafters ungeachtet ihrer rechtlichen Aufspaltung in voneinander unterschiedene Vermögens- und Haftungsbereiche. Diese Verknüpfung der Interessen kann bei der Bemessung des Schadens des Alleingesellschafters nicht unberücksichtigt bleiben. Sie führt im Ergebnis dazu, dass der Schädiger sich nicht darauf berufen kann, die Gesellschaft würde den Gewinn, wenn er nicht entgangen wäre, nicht an den Alleingesellschafter ausgeschüttet haben.

Hätte der Schädiger für Geschäftsverluste eines Einzelkaufmanns oder des Mitinhabers einer Personalgesellschaft einzustehen, könnte er die Entschließungen, die jener über die Verwendung des Gewinns getroffen haben würde, ebenso wenig zu seinen Gunsten für die Schadensbeurteilung heranziehen; insoweit hat der Schädiger mit dem Gewinnausfall sozusagen auch einen Verlust an Dispositionsfreiheit auszugleichen. Nun trifft zwar der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft die Entscheidung, ob und inwieweit er den Geschäftsgewinn seiner Gesellschaft belassen oder an sich ausschütten will, zunächst als Geschäftsführer der Gesellschaft für diese; dies jedoch in Ansehung auch seines eigenen Vermögens, als dessen Träger er im Ergebnis der Gesellschaft den Gewinn belässt, mögen ihn dazu auch die Verhältnisse zwingen. Insoweit erscheint die Gesellschaft in schadensrechtlicher Betrachtung praktisch in der Tat als ein in besonderer Form verwalteter Teil seines Vermögens. Wie solche Entscheidungen betriebswirtschaftlich oder steuerrechtlich anzusehen sind, ist hier, wo es um die schadensrechtliche Beurteilung geht, unerheblich. Für diese geht es darum, ob bei der Bemessung des Schadens, den der Alleingesellschafter durch die Verluste seiner Gesellschaft erleidet, der entgangene Gewinn mit Rücksicht auf den Zweck des vom Schädiger geschuldeten Ausgleichs als Passivposten des Gesellschaftsvermögens ungeachtet dessen rechtlicher Verselbständigung auch in die Schadensrechnung über das Vermögen des Alleingesellschafters eingesetzt werden kann. Das ist zu bejahen; anderenfalls würde der Schädiger allein aus formalen Gründen Vorteile ziehen, auf die er, da der Alleingesellschafter als unmittelbar Verletzter in dieser Höhe wirtschaftlich einen eigenen Schaden erlitten hat, keinen Anspruch hat.

In solchen Fällen macht der Alleingesellschafter nicht einen Schaden der Gesellschaft geltend; solche Liquidierung eines Drittschadens würde freilich mit den deliktsrechtlichen Beschränkungen der Ersatzberechtigung des mittelbar Geschädigten in Konflikt geraten. Ebenso wenig wird damit ein Durchgriff auf den Vermögens- Bereich der Kapitalgesellschaft zugunsten des Gesellschafters zugelassen - gewissermaßen in spiegelbildlicher Umkehrung der zu seinen Lasten gehenden so genannten Durchgriffshaftung seines persönlichen Vermögens für Verbindlichkeiten seiner Gesellschaft -; solcher Durchgriff wäre allerdings vornehmlich im Blick auf eine mögliche Verkürzung der Haftungsmasse zum Nachteil der Gesellschaftsgläubiger problematisch. Vielmehr geht es hier allein um die richtige Bemessung des Schadens, der seinem eigenen Vermögen durch die Einbußen im Gesellschaftsvermögen vermittelt worden ist; und zwar unter Anlegung allgemeiner schadensrechtlicher Wertungsmaßstäbe, die es hier rechtfertigen, den Schädiger für den Umfang des zu ersetzenden Schadens nicht an den gesellschaftsinternen Faktoren, welche die Ausweisung des entzogenen Wertes, des entgangenen Gewinns in der Bilanz der Gesellschaft beeinflussen, teilhaben zu lassen.

Damit wird nicht die rechtliche Verselbständigung der Ein-Mann Gesellschaft gegenüber dem Alleingesellschafter gelockert, sondern lediglich auf die Bedeutung zurückgeführt die die bei der Lösung von Schadensersatzfragen gebotene wirtschaftliche Betrachtung erfordert. Insoweit finden sich Parallelen in den wenn auch auf anderer Grundlage beruhenden Grundsätzen der Rechtsprechung des BGH zur Verfolgungsentschädigung wegen eines Schadens, der im Zuge der so genannten Arisierung am Eigentum einer Ein-Mann-GmbH eingetreten war. Auch hier wird die Entschädigung nicht der Gesellschaft, sondern dem Alleingesellschafter zugestanden, weil es Sinn und Zweck der Wiedergutmachungsgesetzgebung ist, sie ihm als dem eigentlichen Verfolgten zukommen zu lassen.

Für die Art und Weise des Schadensausgleichs ist allerdings zu beachten, dass der Alleingesellschafter, wenn er - allein oder auch neben der ihm entgangenen Tätigkeitsvergütung - Gewinnentgang vom Schädiger fordert, damit Einbußen ersetzt verlangt, die identisch mit den Verlusten sind, welche das verselbständigte Vermögen der Gesellschaft belasten und deren Ausgleich an dieser Stelle in der Regel am ehesten geeignet ist, den Zustand herzustellen, der ohne das schädigende Ereignis bestanden haben würde. Solche Regulierung des Schadens trägt dem Erfordernis einer strikten Unterscheidung beider Vermögen als Haftungsmassen Rechnung, die gerade in den Fällen der so genannten Ein-Mann-Gesellschaft von besonderer Bedeutung ist. Insoweit muss sich deshalb der Alleingesellschafter, wenn er den so im Vermögen seiner Gesellschaft angesiedelten Schadensposten als solchen ersetzt verlangt, die rechtliche Trennung zwischen Gesellschafter und Gesellschaftsvermögen entgegenhalten lassen; er kann vom Schädiger - wenn auch aus eigenem Recht, grundsätzlich nur Leistung von Schadensersatz in das Vermögen seiner Gesellschaft verlangen. Im Ergebnis wird sein Schaden also dadurch ausgeglichen, dass der Gesellschaft der entstandene Verlust durch die Ersatzleistung des Schädigers wieder zufließt und damit auch ihn entschädigt. Diese Zweckbestimmung der Ersatzleistung tritt jedoch im Verhältnis zwischen dem Geschädigten und Schädiger zurück, wenn wie hier - mangels eines mit dem Ersatzanspruch des Gesellschafters konkurrierenden Schadensersatzanspruchs der Gesellschaft - Zahlung an die Gesellschaft statt an den Gesellschafter für den mit der Klage belangten Schädiger ohne schutzwertes Interesse ist. In solchem Fall kann der Gesellschafter wie hier der Kläger Zahlung auch an sich verlangen; ob und inwieweit er seiner Gesellschaft gegenüber verpflichtet ist, den empfangenen Betrag an sie abzuführen, berührt die Schadensersatzverpflichtung des Schädigers dann nicht.

Nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufsgerichts war der Kläger zu 99,15% an der AG beteiligt. Zu Recht hat ihn das Berufsgericht - jedenfalls soweit das im Revisionsrechtszug allein in Frage stehende deutsche Schadensrecht betroffen ist - im Blick auf dieses Ausmaß der Beteiligung einem Alleinaktionär gleichgestellt. Es hat nicht verkannt, dass ihm Ersatzansprüche allerdings nur im Umfang seiner Beteiligung zustehen, und die Berechnung in zulässiger Weise dem Höheverfahren vorbehalten.