Grundstücke

Auch im Mietrecht gilt Schweigen in der Regel nicht als Zustimmung zu einem Vertragsangebot. Zur Frage, ob und unter welchen Umständen die Verzichtserklärung eines Gläubigers auch diesem unbekannte Ansprüche aus unerlaubter Handlung umfasst.

Zum Sachverhalt: Der Kläger, der Eigentümer mehrerer Grundstücke auf Ibiza war, wollte dort Feriensiedlungen errichten. Zu diesem Zweck gründete er mehrere spanische Grundstücksgesellschaften und beteiligte sich als Kommanditist an der neu gegründeten G-Gesellschaft, einer mit der Bebauung und Verwertung von Grundstücken befassten Abschreibungsgesellschaft, deren Geschäfte von Rechtsanwalt Dr. K geführt wurden. Der Beklagten war Geschäftsführer der von der G mit den Bauarbeiten beauftragten Firma L, die ihrerseits die Arbeiten an Subunternehmer vergab, und zwar im wesentlichen an mehrere von dem spanischen Rechtsanwalt und Bankier M beherrschte Bauunternehmungen. Als im Laufe der Bauarbeiten Finanzierungsschwierigkeiten auftraten, indossierte der Kläger zum Zwecke der Zwischenfinanzierung im Juni 1973 als Bürge 15 auf die G gezogene Wechsel über je 300000 DM, die er Dr. K aushändigte; dieser gab sie an den Beklagten weiter. In der Zeit vom 24. bis 27. 7. 1973 fanden erneut Gespräche über die Finanzierung statt, an denen der Kläger, Dr. K und der Beklagten teilnahmen. Der Kläger wollte zunächst keine weiteren Geldmittel zur Verfügung stellen. Nachdem der Beklagten von Erfolg versprechenden Kaufverhandlungen mit dem P-Konzern berichtet, über die Gewährung langfristiger Kredite durch die Schweizer Bank R gesprochen und erklärt hatte, dass auch über M Gelder fließen könnten, versah der Kläger gegen Rückerhalt von 5 der oben genannten 15 Wechsel auf Vorschlag des Beklagten Wechsel über insgesamt 9,5 Millionen DM mit seinem Bürgschaftsindossament und übergab sie dem Beklagten, der sich am 27. 7. 1973 schriftlich unwiderruflich zur vorzeitigen Einlösung der Wechsel aus einem mittelfristigen Kredit verpflichtete, sofern ihm die notwendigen Sicherheiten für eine Garantieleistung zur Verfügung gestellt würden. Der Beklagten gab die Wechsel - nach Darstellung des Kläger abredewidrig - an M weiter. Zu einem Verkauf an den F-Konzern und zur Gewährung langfristiger Bankkredite kam es nicht. Im November 1973 wurde die G zahlungsunfähig. Der Beklagten löste die Wechsel nicht ein. Nach mehrtägigen Verhandlungen mit M übernahm der Kläger am 12. 9. 1974 im Austausch gegen sämtliche von ihm indossierten Wechsel neue Wechselverbindlichkeiten von insgesamt 5110011 DM. Am selben Tage trafen die Parteien eine Vereinbarung, in welcher der Beklagten erklärte, gegen den Kläger mit Ausnahme von Forderungen in Höhe von 1,5 Mio. DM keine weiteren Ansprüche aus vertraglichen oder außervertraglichen Beziehungen zu haben; der Kläger verpflichtete sich zur Übergabe indossierter Wechsel von 1,5 Mio. DM und erklärte seinerseits, gegen den Beklagten aus den vertraglichen Beziehungen keine Forderungen mehr zu unterhalten; beide Parteien erteilten sich gegenseitig eine umfassende und endgültige Entlastung von jeglichen Verpflichtungen. Mit der Behauptung, auf die am 12. 9. 1974 eingegangenen Verbindlichkeiten 2935000 DM gezahlt zu haben, hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung eines Teilbetrages von 2000000 DM in Anspruch genommen und dazu vorgetragen, der Beklagten und Dr. K hätten ihn von vornherein in betrügerischer Absicht zu dem finanziellen Engagement in Spanien verleitet. Zu der Übernahme der Wechselverbindlichkeiten von 9,5 Mio. DM am 27. 7. 1973 sei er durch Täuschung bewogen worden.

Das Landgericht hat den Beklagten gemäß § 826 BGB zur Zahlung verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Das Berufsgericht lässt es dahingestellt, ob der Kläger vom Beklagten im Juli 1973 durch Täuschung zur Zeichnung der Bürgschaftswechsel veranlasst worden, ihm der Betrug bei Abgabe seiner Verzichtserklärung vom 12. 9. 1974 noch nicht bekannt und ihm deshalb dabei auch nicht bewusst gewesen ist, Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten wegen betrügerischer Verleitung zur Wechselzeichnung zu haben. Es meint, der Kläger habe in jedem Fall am 12. 9. 1974 sowohl auf vertragliche als auch auf deliktische Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten wirksam verzichtet. Hierzu erwägt das Berufsgericht:

Die eingehenden Beratungen vor der Vereinbarung vom 12. 9. 1974, der Zusammenhang mit der am selben Tage zwischen dem Kläger und M erfolgten Globalbereinigung und der Inhalt der Absprache der Parteien ließen auf eine ganz umfassend gewollte Abrechnung schließen. Wenn auch an den Nachweis des Verzichtswillens eines Gläubigers strenge Anforderungen zu stellen seien und es sich insbesondere verbieten könne, den Verzicht auf unerkannt gebliebene Forderungen aus unerlaubter Handlung zu erstrecken, so sei hier doch ein solcher Verzicht anzunehmen. Da der Kläger nach seinem vorausgegangenen Verhalten am 12. 9. 1974 aus der von ihm übernommenen Wechselhaftung gegen den Beklagten keine Ansprüche mehr habe herleiten wollen, komme es nicht darauf an, ob ihm bei Abgabe seines Verzichts bewusst gewesen sei, außer dem vertraglichen Anspruch auf Einlösung der Wechsel auch einen deliktischen Schadensersatzanspruch auf Freistellung von den Wechselverbindlichkeiten wegen betrügerischer Verleitung zur Wechselzeichnung zu haben. Auch wenn dem Kläger diese zusätzliche rechtliche Qualifikation seines Anspruchs unbekannt geblieben sei, liege ein umfassender Verzicht vor. Im Übrigen erscheine es auch ungewiss, ob dem Kläger durch die Verleitung zur Übernahme der Wechselbürgschaften im Juli 1973 überhaupt ein Schaden entstanden sei. Es stehe nämlich zu vermuten, dass die im September 1974 eingegangenen Wechselverpflichtungen über 5110011 DM ihre Grundlage in Vertragsansprüchen des M gehabt hätten, die von den früheren Wechseln unabhängig gewesen seien. Der Kläger habe jedenfalls den Kausalzusammenhang zwischen dem betrügerischen Verhalten, das er dem Beklagten zur Last lege, und dem von ihm behaupteten Schaden nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

Mit dieser Begründung hält das Berufungsurteil den Angriffen der Revision nicht stand.

Nach dem zutreffenden Ausgangspunkt des Berufsgericht sind an die Annahme, dass ein rechtlich als Schulderlass einzuordnender Verzicht auf Ansprüche auch unbekannt gebliebene Forderungen aus unerlaubter Handlung des Vertragspartners umfasse, strenge Anforderungen zu stellen. Der Verzicht auf ein Recht ist niemals zu vermuten. Erst recht kann ein Verzicht auf unbekannte Rechte nur unter ganz besonderen Umständen angenommen werden.

Die Auslegung der Vereinbarung der Parteien vom 12. 9. 1974 durch das Berufsgericht lässt wesentliche Umstände außer Betracht und verstößt deshalb gegen die Vorschriften der §§ 133, 157 BGB.

Die Auslegung einer individuellen Vereinbarung atypischen Inhalts, wie sie hier vorliegt, ist im Revisionsrechtszug zwar nur beschränkt nachprüfbar. Sie unterliegt der Nachprüfung aber jedenfalls insoweit, als gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt worden sind. Ein Verstoß gegen anerkannte Auslegungsgrundsätze ist u. a. dann gegeben, wenn nicht alle für die Auslegung wesentlichen Tatsachen berücksichtigt worden sind.

Das Berufsgericht, das aus dem in der Vereinbarung der Parteien vom 12. 9. 1974 enthaltenen Verzicht des Kläger auf vertragliche Ansprüche auf einen Willen des Kläger zum Verzicht auch auf deliktische Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten geschlossen hat und insoweit von einer zusätzlichen rechtlichen Qualifikation der Ansprüche spricht, hat bei dieser Auslegung das tatsächliche Vorbringen des Kläger rechtlich unzutreffend eingeordnet, gegen die materiellen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB verstoßen und der Verzichtserklärung des Kläger eine ihr nicht zukommende Tragweite beigemessen. Ist der Kläger bereits im Juli 1973 vom Beklagten in betrügerischer Weise zur Zeichnung der Wechsel veranlasst worden, so stellt sich der daraus folgende deliktische Schadensersatzanspruch des Kläger entgegen der Ansicht des Berufsgericht nicht nur als eine zusätzliche rechtliche Qualifizierung der Haftung des Beklagten aus den getroffenen Vereinbarungen dar, sondern er beruht auf einem gänzlich anderen Haftungsgrund. Wenn deshalb der Kläger im September 1974 auf Rechte gegen den Beklagten aus der Weitergabe der Wechsel an M trotz fehlgeschlagener Geldbeschaffung zur Ablösung der Zwischenfinanzierung und trotz der Weigerung des Beklagten zur eigenen Einlösung der Wechsel nicht mehr zurückgreifen wollte und damit auf Ansprüche aus einem Verstoß des Beklagten gegen die im Juli 1973 getroffenen Abreden verzichtet hat, etwa weil er die von ihm behauptete bedingungslose Einlösungsverpflichtung des Beklagten nicht nachweisen oder ihm Versäumnisse bei der Beschaffung von Krediten nicht vorwerfen konnte, so folgt daraus nicht, dass er auch auf deliktische Ansprüche für den Fall verzichten wollte, dass er vom Beklagten von vornherein in betrügerischer Absicht zur Zeichnung der Wechsel veranlasst worden war. Die dies annehmende Auslegung der Vereinbarung vom 12. 9. 1974 durch das Berufsgericht misst dem Verzichtswillen des Kläger eine Bedeutung bei, die von dem Vertragsrahmen nicht mehr gedeckt wird und mit den nach § 157 BGB maßgeblichen Grundsätzen von Treu und Glauben nicht zu vereinbaren ist.

Der Auslegungsfehler des Berufsgericht hat zur Folge, dass eine das RevGer. bindende tatrichterliche Vertragsauslegung nicht vorliegt. Da der Sachverhalt hinreichend geklärt ist und weitere für die Auslegung der Verzichtsklausel erhebliche Feststellungen nicht mehr in Betracht kommen, kann der erkennende Senat die Tragweite der Verzichtserklärung des Kläger durch eigene Auslegung bestimmen. Diese Auslegung führt - wie dargelegt - zu dem Ergebnis, dass deliktische Ansprüche des Klägers gegen den Beklagten aus betrügerischer Verleitung zur Wechselzeichnung im Juli 1973 von dem Verzicht vom 12. 9. 1974 nicht umfasst worden sind.