Haftungsbeschränkung bei einer Probefahrt

Zur Frage der Haftungsbeschränkung bei einer aufgedrängten Probefahrt mit einem Gebrauchtwagen.

Zum Sachverhalt: Im März 1975 erwarb der Kläger bei der Firma M einen neuen Pkw. Um das Anfallen von Mehrwertsteuer zu vermeiden, übernahm es die Firma M aufgrund eines formularmäßig gestalteten Vermittlungsauftrags vom 9.3. 1975, den vom Kläger bis dahin gefahrenen Pkw für Rechnung des Kläger zu verkaufen und zu übereignen. Unter der Überschrift Haftung für Schäden heißt es in dem Vermittlungsauftrag: Der Vermittler ist berechtigt, Probe-, Vorführungs- und Überführungsfahrten selbst oder durch Dritte im Rahmen des ihm erteilten Auftrages durchzuführen. Der Vermittler ist nicht zur Versicherung des Fahrzeugs verpflichtet. Für Schäden an diesem haftet er, soweit sie durch Außerachtlassung seiner Sorgfaltspflicht entstanden sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn er es in seinem Betrieb an der nötigen Aufsicht hat fehlen lassen, oder wenn er eine ungeeignete Person mit der Durchführung einer Fahrt beauftragt hat. Die Beklagten und ihr Ehemann sahen sich im Juli 1975 das Fahrzeugangebot der Firma M an. Dabei gelang es dem A, Mitinhaber der Firma, die Eheleute B, die zunächst ihr Desinteresse am Kauf eines Fahrzeugs bekundet hatten, zu einer Probefahrt mit dem Wagen des Klägers zu bewegen. Zunächst fuhr A den Pkw. Auf der Rückfahrt fuhr auf Zureden des A hin und die Beklagten den Wagen. A saß neben ihr. Beim Linksabbiegen in das Grundstück der Firma M verursachte die Beklagte einen Zusammenstoß mit einem in der Einfahrt abgestellten Pkw. Dabei wurde das Fahrzeug des Klägers stark beschädigt.

Der Kläger hat die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen. Das Landgericht hat. der Klage nach Beweisaufnahme über Zustandekommen und Verlauf der Probefahrt stattgegeben. Das Berufsgericht hat sie zur Hälfte abgewiesen. Die - zugelassene - Revision der Beklagten hatte Erfolg.

Aus den Gründen: Beide Vorinstanzen haben den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nur unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung geprüft. Ansprüche aus Verschulden bei Kaufvertragsverhandlungen sind unerörtert geblieben. Das begegnet im Ergebnis keinen Bedenken. In der für die Entscheidung des Rechtsstreits ausschlaggebenden Frage, ob die Ersatzpflicht der Beklagten auf vorsätzliche und grob fahrlässige Schadensverursachung begrenzt ist, könnte für eine vertragliche Ersatzpflicht nichts anderes gelten, als für diejenige aus Delikt.

Das Berufsgericht hat als Schadensursache überhöhte, den Straßenverhältnissen und dem Können der Beklagten nicht angemessene Geschwindigkeit beim scharfen Einbiegen nach links zum Hof der Firma M angesehen. Es hat ausgeführt, das plötzliche Versagen der Beklagten in der letzten Kurve der von ihr zurückgelegten Fahrtstrecke habe entweder auf einem Bedienungsfehler oder auf einer Fehleinschätzung der Geschwindigkeit und der Fahreigenschaften des Pkw beruht. Dies sei gerade für ungeübte Fahrer beim ersten Umsteigen auf ein anderes Fahrzeug typisch. Ein grobes Verschulden der Beklagten sei unter diesen Umständen nicht bewiesen. Die Vorinstanz hat gemeint, auf eine Haftungsbefreiung für einfache Fahrlässigkeit könne die Beklagten sich nicht mit Erfolg berufen, denn ein allgemeiner Rechtssatz, wonach bei Probefahrten mit Kraftfahrzeugen die Haftung des Fahrers generell auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt, für einfache Fahrlässigkeit dagegen ausgeschlossen sei, könne nicht anerkannt werden. Die von der Rechtsprechung bejahte Haftungsbeschränkung bei Probefahrten mit Fahrzeugen, die von Kraftfahrzeughändlern speziell zum Zweck der Vorführung beim Neuwagenverkauf gehalten werden, dürfe nicht auf Probefahrten mit Gebrauchtwagen ausgedehnt werden.

Die Revision steht demgegenüber auf dem Standpunkt, für Probefahrten mit Vorführwagen einerseits und Gebrauchtwagen andererseits müssten dieselben Haftungsgrundsätze gelten.

Bei der Probefahrt mit einem Vorführwagen ist es gerechtfertigt, eine stillschweigend vereinbarte Haftungsbeschränkung auf vorsätzliche oder grob fahrlässige Schadensverursachung anzunehmen, weil der Automobilhändler durch den Abschluss einer Fahrzeugvollversicherung das Risiko einer leicht fahrlässigen Beschädigung des Vorführwagens begrenzen kann. Der Kunde darf darauf vertrauen, für leicht fahrlässiges Verhalten nicht zu haften, es sei denn, der Kraftfahrzeughändler habe ihn vor Antritt der Probefahrt darauf aufmerksam gemacht, dass für den Vorführwagen keine Vollkaskoversicherung besteht. Die Verpflichtung des Kraftfahrzeughändlers, zum Schutze der Kunden eine Vollkaskoversicherung - sei es mit, sei es ohne Selbstbeteiligung - abzuschließen, ist einerseits mit den typischen Gefahren einer Probefahrt und außerdem damit begründet worden, der Abschluss einer Fahrzeugvollversicherung bedeutet für den Kraftfahrzeughändler keine unzumutbare Belastung. Der erkennende Senat hat ferner berücksichtigt, dass der Kaufinteressent praktisch nicht in der Lage ist, sich gegen die besonderen Risiken einer Probefahrt zu versichern. Eine private Haftpflichtversicherung deckt sie nicht. Die Möglichkeit, sich für das gelegentliche Führen oder Benutzen fremder Fahrzeuge zu versichern, besteht zwar, ist aber weithin unbekannt und lediglich für den - seltenen - Fall von Probefahrten im Zusammenhang mit einem in Aussicht genommenen Fahrzeugerwerb nicht zumutbar. An der im Senatsurteil vom 7.6. 1972 ausgesprochenen versicherungstechnisch orientierten Risikoverteilung wird festgehalten, weil der für die Probefahrt benutzte Vorführwagen einen erheblichen Vermögenswert darstellt. Vorführwagen sind regelmäßig neuwertig. Das erfordert ihre Zweckbestimmung. Neben den Reparaturkosten hat die Unfallbeteiligung demgemäß auch eine beträchtliche Wertminderung zur Folge. Es ist deshalb wirtschaftlich geboten, das Beschädigungsrisiko neuwertiger Fahrzeuge durch eine Kaskoversicherung zu begrenzen.

Auf die Probefahrt mit einem Gebrauchtwagen treffen im Wesentlichen die gleichen Gesichtspunkte zu.

So besteht bei einer Probefahrt mit einem Gebrauchtwagen ebenso ein erhöhtes Unfallrisiko wie beim Test eines Vorführwagens. Der Probefahrer ist in der Regel mit den Besonderheiten des Wagens, den er zur Probe fährt, nicht vertraut. Das Ansprechen von Gaspedal und Bremsen, das Lenkverhalten, die Sichtverhältnisse und die Abmessungen sind von Fahrzeug zu Fahrzeug verschieden. Bedienungshebel sind unterschiedlich angebracht. Das gilt nicht selten auch für gleiche Modelle verschiedener Baujahre. Das Fahren eines unbekannten Fahrzeugtyps bringt deshalb Umstellungsschwierigkeiten mit sich. Beim Gebrauchtwagen können sie vornehmlich in kritischen Verkehrssituationen - je nach Alter und Erhaltungszustand selbst bei einem dem Probefahrer bekannten Modell auftreten. Ganz entscheidend aber ist, dass der Kaufinteressent auf der Probefahrt gerade die Fahreigenschaften des Modells, seine Kurvenlage, Beschleunigung und das Bremsverhalten testen möchte. Beim Probe fahren eines Gebrauchtwagens besteht daran schon deswegen ein berechtigtes Interesse, weil beim Kauf regelmäßig ein Gewährleistungsausschluss für Sachmängel vereinbart wird. Das Bestreben, den Wagen genau kennen zu lernen, verleitet den Probefahrer nicht selten dazu, das Auto schneller und schärfer zu fahren, als er es sonst tun würde. Darin liegt ein weiteres Gefahrenmoment jeder Probefahrt, gleichgültig, ob sie mit einem neuwertigen Vorführwagen oder mit einem gebrauchten Fahrzeug unternommen wird.

Für den am Erwerb eines Gebrauchtwagens interessierten Kunden ist das mit der Probefahrt verbundene Risiko praktisch ebenso wenig versicherbar, wie die Gefahren bei der Probefahrt mit einem Vorführwagen.

Für den Kläger war dagegen der Abschluss einer Fahrzeugvollversicherung ohne weiteres möglich. Dass tatsächlich kein derartiger Versicherungsschutz bestand, kann ihm nicht angelastet werden. Es steht im Belieben eines privaten Kraftfahrzeughalters, ob er für sein Fahrzeug eine Vollkaskoversicherung abschließt, um die Risiken der Teilnahme am Straßenverkehr soweit wie möglich einzugrenzen. Ihm kann auch nicht zugemutet werden, lediglich mit Rücksicht auf den beabsichtigten Verkauf des Wagens eine Fahrzeugvollversicherung abzuschließen Andererseits kann auch derjenige, der ein vom privaten Halter angebotenes Fahrzeug Probe fährt, grundsätzlich nicht davon ausgehen, dass eine Fahrzeugvollversicherung besteht. Im Vorliegenden Falle hat der Kläger allerdings den Pkw nicht selbst zum Verkauf angeboten, sondern sich der Firma M als Vermittler bedient und ihr ausdrücklich u. a. die Befugnis eingeräumt, Probefahrten durch Dritte im Rahmen des erteilten Auftrags vornehmen zu lassen. Für den Kraftfahrzeughändler, der auch bei dieser Art der Inzahlungnahme ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Verkauf des Gebrauchtwagens hat, besteht in zumutbarer Weise die Möglichkeit, Fahrzeuge, die sich zum Zwecke des Verkaufs in seiner Obhut befinden, nach Nr. I 1 oder 4 der Sonderbedingung zur Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und -Handwerk vom 14. 10. 1970 vollkasko zu versichern. Das war der Firma M und dem Kläger bekannt. Sie haben in dem Vermittlungsauftrag vom 9.3. 1975 vereinbart, dass der Vermittler nicht zur Versicherung des Fahrzeugs verpflichtet ist. Der Gebrauchtwageninteressent indessen, dem bei der Anbahnung von Verkaufsverhandlungen ein Kraftfahrzeughändler gegenübertritt, wird gerade auch dann, wenn er als Vermittler tätig wird, also einen fremden, in seiner Obhut befindlichen Wagen vorstellt, darauf vertrauen, dass eine Fahrzeugversicherung besteht. Daraus könnte sich ergeben, dass der Eigentümer des Gebrauchtwagens, der dem vermittelnden Kraftfahrzeughändler zwar die Befugnis einräumt, Probefahrten durchzuführen oder vornehmen zu lassen, ihn aber nicht zum Abschluss einer Vollkaskoversicherung verpflichtet, sich im Falle eines Schadenseintritts bei der Probefahrt so behandeln lassen muss, als bestünde Versicherungsschutz nach Maßgabe der Sonderbedingung zur Haftpflicht- und Fahrzeugversicherung für Kraftfahrzeug-Handel und Kraftfahrzeug-Handwerk.

Zu einer abschließenden Entscheidung dieser Frage zwingt der vorliegende Fall nicht, denn hier ergibt sich eine Haftungsfreistellung der Beklagten für den leicht fahrlässig verursachten Schaden aus anderen vom Berufsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen. Der Mitinhaber der Firma M hat danach der Beklagten die Probefahrt trotz ihres Sträubens aufgedrängt und sie geradezu verlockt. Der Senat verkennt nicht, dass der Kraftfahrzeughändler wegen seines legitimen wirtschaftlichen Interesses am Verkauf von Fahrzeugen regelmäßig nachhaltigen Einfluss auf mutmaßliche Kunden ausüben wird, um sie zu einer Probefahrt zu bewegen. Probefahrten wecken erfahrungsgemäß Kaufinteresse. Gegen solche Beeinflussung bestehen keine Bedenken, solange und soweit sie dazu dienen, Kauflust hervorzurufen. Mag es deshalb angehen, dass der Zeuge A die Beklagten mit der Aufforderung zum Einsteigen bewegte, wenigstens einmal die Sitze auszuprobieren. Hingenommen werden kann ferner, dass er dann selbst den Pkw fuhr. Angesichts der Tatsache, dass die Beklagten nach den Feststellungen der Vorinstanz Unsicherheit aufgrund mangelnder Fahrpraxis offenkundig werden ließ, durfte er sie das Fahrzeug aber nicht selbst führen lassen. Setzte er sich jedoch, wie das Berufsgericht festgestellt hat, über den Widerstand und die offenkundige Unsicherheit der Beklagten hinweg, so liegt darin eine Freistellung der Beklagten von der Verantwortlichkeit für Schäden, die gerade auf diese technische Unsicherheit zurückzuführen sind und nicht auf grober Fahrlässigkeit beruhen. Beides hat das Berufsgericht festgestellt. Die Haftungsfreistellung ist wirksam geworden, bevor die Beklagten die Probefahrt selbst durchführte und gilt unabhängig von deren Verlauf. Die von dem Zeugen A gewährte Haftungsfreistellung muss der Kläger gegen sich gemäß § 278 BGB gelten lassen. Die Probefahrt diente der Anbahnung von Verkaufsverhandlungen. Die Haftungsfreistellung erfasst vertragliche Ersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragschluss und deliktische Ansprüche.

Da die Beklagten von der Ersatzpflicht für leicht fahrlässige, aufgrund fahrtechnischen Fehlverhaltens verursachte Schäden insgesamt und von vornherein freigestellt war, war für Abwägungen der Verantwortlichkeiten im Rahmen des § 254 BGB kein Raum.