Halter-Unfall

Muss der Fahrer eines Kraftfahrzeugs dem Halter für das beim Unfall schuldhaft beschädigte Fahrzeug Ersatz leisten, so kann er ihm nicht die Betriebsgefahr des Fahrzeugs anrechnen.

Am Abend des 9. 11. 1968 saß die Klägerin mit dem Beklagten in einer Gaststätte an einem Tisch. Auf seine Bitte erklärte sie sich bereit, mit ihm zusammen in ihrem Wagen eine anderwärts stattfindende Veranstaltung zu besuchen. Auf der Fahrt dorthin fuhr der Beklagten, dem die Klägerin das Steuer ihres Wagens überlassen hatte, auf einen rechts parkenden Pkw. Die Kläger wurde verletzt, ihr Wagen total beschädigt. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin 3600 DM für den Wagen und 25 DM für Nebenkosten. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Die vom Berufsgericht zugelassene Rev. des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Der Beklagten bestreitet nicht, den Unfall durch Unaufmerksamkeit verschuldet zu haben, daher der Kläger den von ihr geltend gemachten Schaden ersetzen zu müssen. Er bringt indes vor, seine Haftung sei aufgrund eines Haftungsverzichts und nach Treu und Glauben ausgeschlossen oder beschränkt. Diesen Einwand halt das BerOer. für unbegründet. Das hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

Das Berufsgericht hat es abgelehnt, die Ersatzansprüche der Kläger in Anwendung des § 254 BGB zu mindern. Es hält die Behauptung des Beklagten, aus dem dieser ein Mitverschulden der Kläger herleiten will, für rechtlich nicht erheblich oder für nicht erwiesen. Die insoweit von der Rev. erhobenen Angriffe sind unbegründet.

Die Rev. wendet sich ferner dagegen, dass das Berufsgericht der Kläger nicht in Anwendung des § 254 BGB die Betriebsgefahr ihres Kraftwagens angerechnet hat.

Auch insoweit hält das angef. Urteil den Angriffen der Rev. stand.

Dem Einwand des Beklagten steht freilich entgegen, dass er aus Verschulden haftet, die Klägerin allenfalls aus Gefährdungshaftung. Die Kläger kann sich nicht etwa auf die Regelung berufen, die Abs. 3 des § 840 BGB für das Zusammentreffen von Gefährdungs- und Verschuldenshaftung enthalt. Diese Vorschrift gilt nur für die in ihr aufgeführten Fälle der §§ 833-838 BGB, kann daher nicht auf andere Fälle entsprechend angewendet werden. Vor allem kann sich der Halter eines Kfz. auf sie nicht berufen.

Es kann sich daher nur fragen, ob die Kläger deshalb einen Teil ihres Schadens tragen muss, weil sie die von ihrem Kfz ausgehende Betriebsgefahr auch ohne das in § 254 BGB gemeinte Verschulden gegen sich selbst verantworten muss.

Auch insoweit würde dem Einwand des Beklagten nicht von vornherein entgegenstehen, dass er aus Verschulden haftet, während die Kläger nur allenfalls aus Gefährdung haften würde. Wie der BGH in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, kann auch der aus Verschulden Haftende dem geschädigten Halter entgegensetzen, dass dieser für die Betriebsgefahr seines Kfz einzustehen hat. In den Fällen, bei denen nicht immer mehrere Kfz beteiligt sind, sondern nur das Kfz des Kläger, ist in entsprechender Anwendung des § 254 BGB zu fragen, ob und wie der Schaden nach Maßgabe der beiderseitigen Verursachung aufzuteilen ist. Voraussetzung einer solchen Haftungskürzung ist aber, dass der Geschädigte die nach § 7 StVG zu vertretende Betriebsgefahr seines Kfz im gegebenen Fall dem Geschädigten gegenüber zu verantworten hätte, wenn er diesen, geschädigt hätte. Trifft das nicht zu, so kann dem Halter die Betriebsgefahr seines Kraftwagens auch nioht in entsprechender Anwendung des § 254 BGB schadensmindernd zugerechnet werden.

So setzt, wie der BGH wiederholt entschieden hat, die Ausgleichspflicht nach § 17 StVG voraus, dass der Halter, dem der Schädiger die Betriebsgefahr anrechnen will, nach den §§ 7 ff. StVG ersatzpflichtig sein würde, wenn er - umgekehrt gesehen - diesen geschädigt hätte. Haftet er diesem - etwa einem Insassen seines Kraftwagens nicht, so braucht er sich auch bei der für den Ersatzanspruch des Geschädigten vorzunehmenden Abwägung nicht die Betriebsgefahr seines Wagens entgegenhalten zu lassen, sondern nur ein ihm zur Last fallendes Verschulden. Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall, bei dem nicht nach § 17 StVG, sondern nach. § 2541BGB abzuwägen ist. Der Beklagten kann der Kläger nur dann die Betriebsgefahr entgegenhalten, wenn sie, die Kläger, falls der Beklagten Schaden erlitten hätte, diesem ersatzpflichtig sein würde. Denn Voraussetzung einer Haftungskürzung nach § 254 BGB ist stets, dass, sofern der Geschädigte an der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat, dies in haftungsrechtlich zurechenbarer Weise geschehen ist. Das ist in erster Linie der Fall, wenn der Geschädigte den Schaden mitverschuldet hat. In erweiternder Auslegung des § 254 BGB ist dies ferner zu bejahen, wenn das Gesetz dem Geschädigten eine Verantwortung auch für den Fall auferlegt, dass ihm der Vorwurf schuldhaften Verhaltens nicht gemacht werden kann, vor allem also bei der Gefährdungshaftung. Das StVG erlegt nun aber dem Halter eines Kfz nicht ausnahmslos eine Haftung für Schäden auf, die auf die Betriebsgefahr seines Fahrzeugs zurückzuführen sind So haftet nach § 8 StVG der Halter dem Verletzten, der beim Betriebe des Kfz tätig war, nicht. Da infolgedessen hier die Kläger dem Beklagten als dem Fahrer nicht für die Betriebsgefahr ihres Wagens einzustehen braucht, kann dieser ihr auch nicht die Betriebsgefahr in entsprechender Anwendung des § 245 BGB schadensmindernd anrechnen, mag auch die von dem Kraftwagen der Kläger ausgehende allgemeine Gefahr an sich im Rechtssinne eine mitwirkende Ursache des eingetretenen Schadens gewesen sein. Wohl könnte sich der Beklagten, sollte etwa ein Fehler in der Beschaffenheit des Wagens oder ein Versagen seiner Einrichtungen mitursächlich gewesen sein, damit verteidigen, dass ihm in Anbetracht dieser Um- stände kein schuldhafter Fahrfehler vorgeworfen werden könne. Auch könnte er sich auf § 254 BGB berufen, wenn ihm die Klägerin den Kraftwagen in fahrunsicherem Zustand, etwa mit abgefahrenen Reifen, übergeben hätte. Solche Umstände sind hier indes nicht behauptet. Die Rev. beruft sich auch ohne Erfolg darauf, dass in der Bestimmung des § 254 BGB der Grundsatz von Treu und Glauben in einer besonderen Form ausgeprägt ist. Denn auch nach Treu und Glauben kann es dem Beklagten nicht gestattet sein, sich gegenüber der Klägerin auf die gewöhnliche Betriebsgefahr ihres Kraftwagens zu berufen. Denn sie hatte ihm, als sie ihm das Steuer des Wagens überließ, die Beherrschung eben dieser Betriebsgefahr anvertraut.

Der Senat hat allerdings in seinem Urteil vom 4. 10. 1966 davon gesprochen, dass sich der Kläger die Betriebsgefahr seines Kraftrades, auf dessen Soziussitz er mitgefahren war, in entsprechender Anwendung des § 254 BGB anrechnen lassen müsse. Auf diesem Satz beruht jedoch jenes Urteil nicht, weil dort der Kläger von vornherein nur die Hälfte seines Schadens eingeklagt hatte. Sollte indes damals der Senat einen anderen Standpunkt als den oben dargelegten eingenommen haben, so würde er daran nicht festhalten.