BGB Fälle Teil 2
Reagiert in Wettbewerbsstreitigkeiten der Verfügungsschuldner auf ein sog. Abschlussschreiben nicht und stellt er den Antrag aus § 926 ZPO erst nach Ablauf der Verjährungsfrist, so verstößt er nicht gegen Treu und Glauben, wenn er sich im Hauptprozess auf den Eintritt der Verjährung beruft.
Zum Sachverhalt: Die Parteien befassen sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Möbeln. Die Beklagte warb in einer Zeitung mit einer Anzeige, in der es u. a. hieß: Wenn es um erlesene Modelle und Spitzenerzeugnisse geht, sind wir eines der preiswertesten Spezialhäuser Europas. Darum empfehlen wir den Preisvergleich. Auch dann, wenn Sie direkt beim Großhandel 37% Rabatt bekommen.
Damit wollte sich die Beklagte gegen eine Werbung der Firma M wehren, die - unstreitig - zuvor mit der Angabe geworben hatte: mehr Gewinn durch Investitionen durch die größtmögliche Handelsspanne bis zu 37%.
Die Kläger beanstandete die Anzeige der Beklagte als unlauter und irreführend und erwirkte beim Landgericht eine einstweilige Verfügung, durch die der Beklagte verboten worden ist, mit diesen Formulierungen zu werben. Nach der Zustellung der einstweiligen Verfügung forderte die Kläger die Beklagte mit Fernschreiben vom 26. 1. 1977 auf, die einstweilige Verfügung anzuerkennen und darauf zu verzichten, gegen sie Widerspruch einzulegen und die Rechte aus § 926 ZPO geltend zu machen. Die Beklagte beantwortete dieses Schreiben nicht. Die Kosten, die die Kläger gegen sie festsetzen ließ, bezahlte sie mit einem Barscheck, der am 10. oder 11. 3. 1977 bei dem Prozessbevollmächtigten der Kläger einging. Ein Jahr nach Erlass der einstweiligen Verfügung, am 16. 1. 1978, beantragte die Beklagte - ohne Begründung - der Kläger eine Frist zur Klageerhebung zu setzen. Das geschah durch Beschluss vom 17. 1. 1978. Mit der am B. 2. 1978 eingereichten Klage verfolgt die Kläger ihr Unterlassungsbegehren im vorliegenden Hauptprozess weiter. Die Beklagte hat demgegenüber die Einrede der Verjährung erhoben. Die Kläger hält die Berufung auf Verjährung unter den vorliegenden Umständen für einen Verstoß gegen Treu und Glauben. Die Beklagte könne nicht, ohne widersprüchlich und damit treuwidrig zu handeln, einerseits die Kläger zwingen, die Hauptklage zu erheben, um dann andererseits die Verjährungseinrede zu erheben. Auch habe die Beklagte mit ihrem Antrag auf Klagfristsetzung zugleich auf die etwa bestehende Einrede der Verjährung verzichtet, weil nur dann eine Klärung des Streitfalles in der Hauptsache, wie von ihr gewollt, möglich sei. Im Übrigen habe sich die Beklagte dem Verbot gemäß verhalten, so dass sich der Unterlassungsanspruch im Zustande des Befriedigt seins befunden habe und daher nicht habe verjähren können. Zumindest habe die Beklagte den Anspruch gemäß § 208 BGB durch ihr Verhalten anerkannt, zumal sie die Kosten des Verfügungsverfahrens bezahlt habe. Sie habe sich demnach wie jemand verhalten, der die einstweilige Verfügung als endgültig habe hinnehmen wollen. Im übrigen zeige ihr Verhalten, der Kläger eine Klagfrist setzen zu lassen, dass sie die verbotene Werbung wiederholen wolle, so dass zumindest Begehungsgefahr bestehe. Den Verstoß gegen §§ 1, 3 UWG sieht die Kläger u. a. darin, dass der Verbraucher aufgrund der Anzeige erwarte, er könne bei der Beklagte einen höheren Rabatt erhalten als beim Großhandel. Die Beklagte werbe demnach mit unzulässigen Rabatten. Außerdem handele es sich bei dem Großhandel, auf den sich die Beklagte beziehe, nicht um einen echten Großhandel. Die Einzelhändler kauften nämlich grundsätzlich direkt beim Hersteller ein.
Die Beklagte hat geltend gemacht, ihre Berufung auf die seit Ablauf des Juli 1977 eingetretene Verjährung des Klageanspruchs sei nicht arglistig. Es sei Sache der Kläger gewesen, ihren durch die einstweilige Verfügung vorläufig gesicherten Unterlassungsanspruch endgültig durchzusetzen, bevor er verjährt sei; sie hätte demgemäß rechtzeitig Klage zur Hauptsache erheben müssen. Wenn sie das nicht getan habe, dürfe sie sich nicht über die sich aus ihrer Säumnis ergebenden Konsequenzen beklagen. Zu der Frage, ob die mit der einstweiligen Verfügung vom 17. 1. 1977 untersagte Werbung unzulässig gewesen sei, wollte sie sich im vorliegenden Falle nicht äußern. Darum gehe es ihr ebenso wenig wie darum, die verbotene Werbung etwa zu wiederholen. Sie wolle nur von der Kostenentscheidung in dem Verfügungsverfahren loskommen. Demgemäß habe auch ihr Antrag auf Klagfristsetzung keine erneute Begehungsgefahr begründet.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Es hat dahingestellt gelassen, ob der aus der beanstandeten Anzeige resultierende Unterlassungsanspruch verjährt sei. Denn durch den Antrag auf Fristsetzung zur Erhebung der Hauptklage sei jedenfalls die Besorgnis künftiger Verletzungshandlungen begründet worden. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung eingelegt. Um deutlich zu machen, dass es ihr nicht auf eine Wiederholung der verbotenen Werbung ankomme, und um die Kläger abzusichern, hat die Beklagte in der Berufungsbegründung erklärt, dass sie sich unter Übernahme einer Vertragsstrafe verpflichte, es für den Fall, dass die Kläger ein gerichtliches Verbot wegen der beanstandeten Werbung der Beklagte gegen letztere nicht mehr durchsetzen könne, zu unterlassen, wie im Klageantrag näher bezeichnet zu werben. Sie meint, dass jedenfalls damit die Erstbegehungsgefahr in jedem Falle ausgeschlossen sei. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Das Berufungsgericht führt im Einzelnen aus, dass die beanstandete Anzeigenwerbung als irreführend und unlauter i. S. der §§ 1, 3 UWG anzusehen sei. Es bejaht auch die Wiederholungsgefahr, für die auf Grund des erfolgten Verstoßes eine Vermutung spreche, die nicht durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt worden sei. Die im Prozess abgegebene Verpflichtungserklärung sei ungenügend, weil sie erst in dem Falle wirken solle, dass die Kläger ein gerichtliches Verbot nicht mehr durchsetzen könne. Bis dahin fehle es an einer hinreichenden Sicherung der Kläger, die auch nicht durch den Fortbestand der einstweiligen Verfügung gegeben sei, weil unklar sei, zu welchem Zeitpunkt die Erklärung in Kraft treten solle. Werde die einstweilige Verfügung im Widerspruchsverfahren aufgehoben, sei eine vollstreckungsrechtliche Verfolgung bis zur Rechtskraft begangener Zuwiderhandlungen nicht mehr möglich. Die Einrede der Verjährung sei nicht begründet, weil die Verjährungsfrist bei Klageerhebung noch nicht abgelaufen gewesen sei. Der Lauf der Frist sei nämlich gemäß § 208 BGB durch Anerkenntnis unterbrochen worden, das im Zusammenhang mit dem sonstigen Verhalten der Beklagte in der Zahlung der Kosten zu sehen sei. Die Erfüllung des Kostenanspruchs, ohne dass im zeitlichen Zusammenhang damit Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung eingelegt worden sei, sei dahin zu verstehen, dass mit der durch Zahlung erfolgten Anerkennung des Kostenanspruchs auch der Unterlassungsanspruch als dessen Voraussetzung stillschweigend anerkannt worden sei. Entgegenstehende Äußerungen seien nicht erfolgt, vielmehr bestätige die weitere Beachtung des Verbots dieses Verständnis. Die durch die als Anerkenntnis zu wertende Zahlung bewirkte Unterbrechung habe entgegen der Regel nicht zu erneutem Beginn des Fristlaufs geführt, weil die Beklagte durch die weitere
Beachtung des Verbots zum Ausdruck gebracht habe, dass sie den Unterlassungsanspruch als bestehend erachtet habe. Die Unterbrechung habe erst ihr Ende gefunden und der Fristlauf erneut begonnen, als die Beklagte der Kläger eine Frist zur Klageerhebung gesetzt habe. Innerhalb dieses neuen Fristlaufs sei die Klage rechtzeitig erhoben worden.