Haustürgeschäft

Zur Frage, unter welchen Umständen ein als Haustürgeschäft mit einer gerade volljährig gewordenen Schülerin abgeschlossener Aussteueranschaffungsvertrag sittenwidrig sein kann.

Zum Sachverhalt: Die Kläger, eine so genannte Aussteuer-Centrale, vertreibt Aussteuerartikel, insbesondere L-Bettwäsche. Sie verkauft die angebotenen Waren durch Handelsvertreter an der Haustür. Am 14. 8. 1980 suchte eine Vertreterin der Kläger, Frau N, die damals 18 Jahre alte, noch bei ihren Eltern wohnende Beklagten ohne vorherige Anmeldung in deren Wohnung auf und schloss mit ihr einen formularmäßigen Aussteueranschaffungsvertrag über 10 Bettwäschegarnituren, 10teilig, zum Garantiepreis von je 690 DM pro Garnitur. Preisgarantie bis 1. 2. 1983, Gesamtbetrag 6900 DM. Lieferung per Nachnahme... gewünschter Liefertermin: 1. 12. 1982 ab. Das Vertragsformular enthält hinter der formularmäßigen Beschreibung der zu einer Garnitur gehörenden Teile folgende Bestimmung:. Außerdem enthielten die nachfolgenden Einzelbestimmungen, soweit hier von Interesse, folgende Regelung: Nach Vertragsabschluss ist vom Kunden grundsätzlich in bar eine Anzahlung von 10% des Gesamtbetrages an den Kontrolleur der Aussteuer-Centrale zu bezahlen. Im Übrigen erfolgt die Zahlung per Nachnahmeerhebung bei Auslieferung der Ware. Die Beklagten, deren Beruf in dem ausgefüllten Vertragsformular mit Schülerin angegeben ist, hatte damals nach dem Realschulabschluss gerade mit dem zweijährigen Besuch einer Modefachschule begonnen, verfügte weder über eigenes Einkommen noch über Vermögen und wurde von ihren Eltern unterhalten, die auch das monatliche Schulgeld in Höhe von 360 DM trugen. Mit Rücksicht auf die Einkommensverhältnisse der Beklagten sah die Vertreterin N davon ab, auf der Leistung einer Anzahlung zu bestehen. Sie führte bei dem Verkaufsgespräch weder Muster noch Abbildungen über die Bettwäsche und die sonst angebotenen Haushaltsgegenstände bei sich und übergab der Beklagten lediglich eine mehrseitige Sortimentsliste, die sich auf die Angabe der Warenbezeichnungen beschränkte. Die Beklagten hat den Vertrag widerrufen und überdies seine Rechtswirksamkeit in Zweifel gezogen. Im vorliegenden Verfahren verlangt daher die Kläger Feststellung, dass der Vertrag vom 14. 8. 1980 wirksam zustande gekommen ist. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die - zugelassene - Revision der Kläger hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Das Berufsgericht führt aus, dass der Beklagten -entgegen der Ansicht des Landgerichts - ein Widerrufsrecht nach § 1 b AbzG nicht zustand. Weder die Möglichkeit, dass bei Fälligkeit die bestellten Bettwäsche-Garnituren nicht in einer Lieferung, sondern in mehreren aufeinander folgenden Nachnahmesendungen der Beklagten zugeschickt würden, noch die von der Vertreterin der Beklagten unverbindlich in Aussicht gestellte Befugnis, den Kaufpreis u. U. in Raten begleichen zu können, mache den Vertrag vom 14. 8. 1980 zu einem widerrufbaren Abzahlungsgeschäft. Diese Rechtsausführungen sind zutreffend. Die Revision erhebt gegen sie auch keine Einwendungen.

Nach Ansicht des Berufsgerichts ist die Klage jedoch deswegen unbegründet, weil das Verkaufssystem der Kläger jenes Mindestmaß an Fairness vermissen lasse, das jeder Vertragspartner dem anderen Teil - trotz grundsätzlich entgegen gerichteter Interessen - schulde. Jeder einzelne Umstand, welcher geeignet sei, die überlegte Entschließung des Käufers zu unterlaufen, sei zwar isoliert gesehen hinzunehmen, insgesamt ergebe sich jedoch, dass ein etwas gutmütig veranlagter, auf Redlichkeit bauender und nicht besonders widerstandsfähiger Kunde keine faire Chance habe, die Fallstricke des Vertrages zu durchschauen und seine eigenen Interessen angemessen wahrzunehmen. So laufe die Preisgarantie im Wesentlichen leer, weil sie sich - was allerdings der Kunde angesichts des verschleiert formulierten Vertragstextes nicht rechtzeitig bemerke - nur auf die Bettwäsche, nicht aber auf andere Aussteuergegenstände beziehe, die der Kunde in Ausübung der ihm ausdrücklich eingeräumten Befugnis nachträglich auswähle. Aber auch hinsichtlich der Bettwäsche sei die Garantie angesichts der schnell wechselnden Mode, des offensichtlich überhöht angesetzten Garantiepreises und der mangelhaften Qualität von zweifelhaftem Wert. Der Vertrag sei daher - so meint das Berufsgericht - sittenwidrig und demnach nichtig.

Diese Feststellung hält - jedenfalls im Ergebnis - einer rechtlichen Nachprüfung stand. Im Hinblick auf diese Grundsätze ist die Feststellung der Sittenwidrigkeit des Vertrages vom 14. 8. 1980 nicht zu beanstanden. Dabei hat das Berufsgericht zu Recht entscheidend darauf abgestellt, dass im vorliegenden Fall die Kläger die Beklagten im Rahmen eines Haustürgeschäftes zum Abschluss eines von ihr vorformulierten, in seiner Ausgestaltung im einzelnen nur sehr schwer überschaubaren Vertrages gedrängt hat, ohne der Beklagten zumindest die Möglichkeit zu geben, sich zuvor über Art und Qualität der gekauften Ware zu unterrichten, und ohne bei Vertragsabschluss zu prüfen, ob die Beklagten überhaupt zur Vertragserfüllung aus eigenen Mitteln in der Lage sein werde.

Mit Vertrag vom 14. 8. 1989 kaufte die Beklagten die 10 Bettwäschegarnituren, für die sie derzeit kein Bedürfnis hatte, mit der Maßgabe, dass die Ware erst nach mehr als 2h Jahren geliefert und dann bezahlt werden sollte. Maßgebend für diese Vertragsgestaltung war die von dem Kläger beim Verkaufsgespräch herausgestellte vage Aussicht, die Beklagten könne auf diesem Wege einen inflationsbedingten Preisanstieg unterlaufen.

Es kommt hinzu, dass die Kläger es bei Vertragsabschluss an dem Mindestmaß an Aufklärung fehlen ließ, zu dem gerade bei Haustürgeschäften der Verkäufer dem Käufer gegenüber verpflichtet ist. Obwohl es sich um einen Kauf in einer Größenordnung von immerhin 6900 DM handelte, führte die Vertreterin der Kläger weder ein Muster der Ware noch überhaupt eine Abbildung mit. Die Beklagte konnte sich mithin weder über die Qualität noch über das Aussehen sowohl der Bettwäsche als auch derjenigen Waren unterrichten, auf die sie gegebenenfalls ausweichen durfte. Davon, dass die bei Vertragsabschluss überreichten Sortimentslisten der Beklagten keine Vorstellung von den in Betracht kommenden Waren vermittelten und daher in diesem Zusammenhang wertlos waren, hat sich der Senat in der mündlichen Verhandlung selbst überzeugt. Die Beklagten hatte mithin auch keine Möglichkeit zu einem sachgerechten Preisvergleich und konnte insbesondere nicht erkennen, dass - wie das Berufsgericht, gestützt auf das Gutachten des Sachverständigen K, rechtsfehlerfrei feststellt - der verlangte Preis mit 690 DM je Garnitur tatsächlich nicht unerheblich über dem marktüblichen Preis für vergleichbare Bettwäsche lag.

Schließlich kommt maßgebliche Bedeutung auch dem Umstand zu, dass die Kläger es bei Vertragsabschluss versäumt hat, sich nach den Möglichkeiten einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung durch die Beklagte aus eigenen Mitteln zu erkundigen, obwohl sich in dieser Hinsicht Zweifel geradezu aufdrängten. Die Handelsvertreterin N wusste bei Vertragsabschluss, dass die damals 18 Jahre alte, bei ihren Eltern wohnende Kläger Schülerin war und damit über kein eigenes Einkommen verfügte. Vor allem das Alter der Beklagten legte zumindest die Möglichkeit nahe, dass sie auch nach Ablauf von 2/2 Jahren noch nicht in der Lage sein werde, den vereinbarten Kaufpreis von 6900 DM aus eigenen Mitteln zu bezahlen. Bei dieser Sachlage wäre die Vertreterin, die ohne Aufforderung die Beklagten in der elterlichen Wohnung aufgesucht hatte und diese durch ein ersichtlich aktiv geführtes Verkaufsgespräch zum Vertragsabschluss bestimmen wollte, verpflichtet gewesen, sich zuvor nach den künftigen Einkommensverhältnissen der Beklagten zu erkundigen. Sie hätte dann erfahren, dass die Beklagten noch auf die Dauer von zwei Jahren eine Fachschule besuchen und damit Anfang Dezember 1982 keinesfalls in der Lage sein werde, die einzugehende Kaufpreisverbindlichkeit aus eigenen Mitteln zu erfüllen. Zwar ist es im Regelfall Sache des Käufers, sich vor Vertragsabschluss selbst über die ihm gegebenen Möglichkeiten der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung schlüssig zu werden. Anders ist es jedoch in einem Fall wie dem vorliegenden. Wer als Verkäufer bzw. für ihn auftretender Handelsvertreter lediglich in der Absicht, eine Kaufpreis bzw. Provisionsforderung zu erwerben, einen 18 Jahre alten vermögens- und einkommenslosen Schüler zum Abschluss eines Kaufvertrages von einem so erheblichen Umfang drängt, muss vor Vertragsabschluss von sich aus die Möglichkeiten einer ordnungsgemäßen Vertragserfüllung durch seinen Vertragspartner zumindest ansprechen. Unterlässt er dies und verschließt sich der sich aufdrängenden Möglichkeit, dass der Käufer in dem auf 21/2 Jahre hinausgeschobenen Fälligkeitszeitpunkt aus eigenen Mitteln zur Erfüllung der einzugehenden Verbindlichkeit auf keinen Fall in der Lage sein wird, handelt er sittenwidrig.

Würdigt man die vorgenannten Umstände insgesamt, so lässt die Feststellung des Berufsgericht, der Vertragsabschluss vom 14. 8. 1980 verstoße gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden und sei damit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig, einen Rechtsfehler nicht erkennen.