Hochwasserschutz

Erstrebt die Wasserbehörde aus Gründen des Hochwasserschutzes eine freiwillige Umsiedlung einer im Überschwemmungsgebiet gelegenen Gaststätte, so können sich aus den Verhandlungen mit dem Eigentümer Pflichten der Behörde ergeben, deren Verletzung zur Haftung nach den Grundsätzen des Verschuldens beim Vertragsschluss führt.

Zum Sachverhalt: Hochwasserschutz - Der Kläger ist Eigentümer eines auf der linken Rheinseite gelegenen Gaststättengrundstücks. Das Grundstück liegt auf einer Anhöhe, die bei hohem Wasserstand des Rheins den schnellen Abfluss des Wassers behindert. Das Wasserwirtschaftsamt hielt eine Erweiterung der Stromengstelle für erforderlich und strebte deshalb eine Umsiedlung des Klägers an. Hiervon machte es dem Kläger 1962 Mitteilung und gab ein Wertgutachten über dessen Anwesen in Auftrag. 1964 schrieb das Wasserwirtschaftsamt an den Kläger, die Wegnahme seines Gasthofes aus dem gesetzlichen Überschwemmungsgebiet sei wegen Verbesserung des Abflusses im Strom bei Hochwasser und wegen einer Erweiterung der bestehenden Stromengstelle erforderlich; dem Regierungspräsidenten sei die Umsiedlung des Gasthofes vorgeschlagen worden; dessen Entscheidung stehe noch aus. Am Schluss dieses Schreibens hieß es: Nach §.76 LWG bedürfen Veränderungen an Anlagen im Überschwemmungsgebiet der Genehmigung der Wasserbehörde, die versagt werden kann, wenn der Hochwasserschutz es erfordert. Nach dem Kommentar von Burghartz ist jedoch eine Veränderung im Inneren der Anlage, die den Baukörper und seine Struktur unberührt lässt, keine Anlagenänderung i. S. des § 76 LWG. Nach mehrfachen Verhandlungen bewilligte der Regierungspräsident 1969 für die Umsiedlung des Kläger insgesamt 390000 DM als Finanzierungshilfe Diese Mittel waren zweckgebunden für die Umsiedlung der Gaststätte. Der Kläger bemühte sich erfolglos, die Voraussetzungen für die Auszahlung der Finanzierungshilfe zu schaffen. Wegen des Steigens der Baupreise veranlasste der Regierungspräsident 1972 eine neue Wertermittlung. Diese ergab für die Gaststätte einen Verkehrswert von 490000 DM. Der Kläger verlangte daraufhin als Entschädigung für die Umsiedlung seiner Gaststätte insgesamt 500000 DM. Dieses Verlangen lehnte der Regierungspräsident im Januar 1973 ab mit der Begründung, das alleinige Interesse der Wasserwirtschaft stehe in keinem angemessenen Verhältnis mehr zu der verlangten Entschädigung. Im August 1973 erteilte der Regierungspräsident die hochwasseraufsichtliche Genehmigung für den vom Kläger erstrebten Ausbau der Gaststätte und die Ausbesserung der Scheune. Das Kreisbauamt erteilte daraufhin die entsprechenden Baugenehmigungen. Der Kläger ist der Ansicht, er sei durch das Verhalten des Wasserwirtschaftsamtes und des Regierungspräsidenten mit einer zehnjährigen faktischen Bausperre belegt worden. Dadurch seien dringend notwendige Erneuerungsarbeiten und Ausbauten an der Gaststätte verzögert worden. Das habe zu einem erheblichen Einnahmeausfall geführt. Er hat vom beld. Land eine Entschädigung für Einnahmeausfall, Anwaltskosten und eigene Auslagen verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Das Berufsgericht führt aus:

Ein Eingriff des Beklagten Landes in das Grundstück oder in den Gewerbebetrieb des Klägers durch eine faktische Bausperre habe nicht vorgelegen. Weder aus dem Schreiben des Wasserwirtschaftsamtes von 1964 noch aus den späteren Verhandlungen habe der Kläger entnehmen können, dass ihm eine für seine Baumaßnahmen erforderliche hochwasseraufsichtliche Genehmigung nicht erteilt werden würde. Zudem seien Ausbauten, die den bestehenden Grundriß des Gebäudes unverändert gelassen hätten, genehmigungsfrei gewesen. Die angeblich von dem Zeugen G gemachte Äußerung, etwaige zwischenzeitliche Investitionen des Kläger würden nicht ersetzt, vermöge einen Anspruch wegen faktischer Bausperre nicht zu begründen. Schließlich könne der Kläger einen Entschädigungsanspruch auch nicht daraus herleiten, dass das Land 1973 eine Aufstockung der Finanzierungshilfe für eine freiwillige Umsiedlung abgelehnt habe.

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine faktische zur Entschädigung verpflichtende Bausperre darin bestehen, dass der Eigentümer, der ernsthaft bauwillig ist, auf Grund eines eindeutigen Verhaltens der Behörde, das als Ausdruck einer endgültigen Haltung aufgefasst werden muss, verständigerweise davon absieht, ein formelles Gesuch um Erteilung einer Baugenehmigung einzureichen.

Das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann mit der vom Berufsgericht gegebenen Begründung nicht verneint werden.

Nach § 76 des Wassergesetzes für Nordrhein-Westfalen vom 22. 5. 1962 bedarf die Herstellung und Veränderung von Anlagen in Überschwemmungsgebieten der Genehmigung der zuständigen Wasserbehörde. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn der Hochwasserschutz es erfordert. Versagt die zuständige Wasserbehörde eine nach dieser Vorschrift erforderliche Genehmigung, so muss die Bauaufsichtsbehörde den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung ohne weitere Prüfung ablehnen. Die Ablehnung einer Genehmigung nach § 76 LWG kann sich daher als Bausperre auswirken.

Die Verhandlungen des Wasserwirtschaftsamtes und des Regierungspräsidenten mit dem Kläger hatten das Ziel, den Kläger zu einer freiwilligen Umsiedlung zu verpflichten. Dieses Merkmal der Freiwilligkeit rechtfertigt es aber nicht, das Tätigwerden der Behörden als dem Privatrecht zugehörig einzuordnen. Vielmehr waren die Behörden bestrebt, die öffentliche Aufgabe mit Mitteln des öffentlichen Rechts zu erreichen, wie der Bescheid des Regierungspräsidenten über die für eine Umsiedlung zu gewährende Finanzierungshilfe zeigt. Ein Vertrag, in dem sich der Kläger zur freiwilligen Umsiedlung gegen Entschädigung verpflichtet hätte, wäre ebenfalls dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Das Schreiben des Wasserwirtschaftsamtes von 1964 unterliegt daher als behördliche Willenserklärung der vollen revisionsrichterlichen Nachprüfung. Der Kläger hat dieses Schreiben dahin verstehen müssen, dass eine für seine Bauvorhaben nach § 76 LWG erforderliche hochwasseraufsichtliche Genehmigung nicht erteilt würde. Dieses Schreiben darf nicht isoliert betrachtet werden. Es handelt sich um die Antwort auf eine Anfrage des Kläger In dieser hieß es u. a. ... Mein Mandant hat schon seit Jahren seine Pläne zum Umbau und zur Erweiterung seines Gastwirtschaftsbetriebes zurückgestellt, weil er mit einer Umsiedlung rechnet. Andernfalls hätte er schon längst eine Kegelbahn und einen Raum für Betriebsfeiern gebaut. Durch das Zurückstellen dieser Pläne hat er nachweislich erhebliche Verluste erlitten. Mein Mandant ist infolgedessen dringend daran interessiert, nunmehr zu wissen, was hinsichtlich der Umsiedlung seines Anwesens geplant ist. Das Antwortschreiben des Wasserwirtschaftsamtes ließ eindeutig erkennen, dass die Behörde weiterhin eine Umsiedlung des Kläger aus Gründen des Gewässerschutzes für erforderlich hielt und sich dafür einsetzte, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Umsiedlung zu schaffen. Hielt die Behörde aber eine Umsiedlung der gesamten Gaststätte für geboten, dann musste sich die Schlussfolgerung aufdrängen, dass sie mit zwischenzeitlichen Veränderungen, die nach § 76 LWG genehmigungspflichtig waren, nicht einverstanden sein würde. Keine entscheidende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem Umstand zu, dass für die hochwasseraufsichtliche Genehmigung nicht das Wasserwirtschaftsamt, sondern der Regierungspräsident zuständig war.