Immissionsschutzgesetz

Ein Vertrag, durch den ein betroffener Anwohner sich verpflichtet, seinen Widerspruch gegen die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erteilte Genehmigung einer gewerblichen Anlage gegen Zahlung eines Entgelts zurückzunehmen, verstößt weder gegen ein gesetzliches Verbot noch ohne weiteres gegen die guten Sitten.

Die vertragliche Verknüpfung der Aufgabe möglicher Abwehransprüche durch die Mitglieder der Initiative mit den dadurch erworbenen Zahlungsansprüchen verstieß ebenfalls nicht gegen die guten Sitten. Das öffentlich-rechtliche Verbot, hoheitliche Maßnahmen von Gegenleistungen abhängig zu machen, die nicht in sachlichem Zusammenhang mit den Maßnahmen selbst stehen, war hier nicht berührt. Es ist Ausfluss der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und lässt sich schon von daher nicht auf privatrechtliche Verträge übertragen. Auch der Charakter der geltend gemachten Abwehransprüche verbot eine solche Verknüpfung nicht. Soweit Ansprüche der Mitglieder der Initiative aus Eigentum oder Besitz in Betracht kamen, handelte es sich ohnehin um Rechte mit Vermögenswert. Für die durch das Bundes-Immissionsschutzgesetz zu wahrenden Belange gilt nichts anderes. Zwar steht hier der Schutz der Umwelt und damit auch der durch Art. 2 II 1 GG geschützten individuellen Gesundheit im Vordergrund. Diese Verfassungsnorm gewährleistet jedoch grundsätzlich nur den Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit vor staatlichen Eingriffen und begründet die Pflicht staatlicher Organe, sich schützend und fördernd vor diese Rechtsgüter zu stellen. Den einzelnen will diese Vorschrift nicht davon abhalten, über seine körperliche Unversehrtheit selbst zu bestimmen. Allerdings gibt es eine Grenze, von der ab die Preisgabe des individuellen Interesses an körperlicher Unversehrtheit im Austausch gegen eine Geldleistung mit Rücksicht auf die in Art. 2 II 1 GG verkörperte verfassungsrechtliche Grundentscheidung von der Rechtsordnung missbilligt wird. Diese Grenze war aber hier nicht überschritten

Sittlich anstößig war es auch nicht, dass sämtliche Mitglieder der Initiative ohne Rücksicht auf ihrer persönlichen Umstände einen einheitlichen Betrag von 20000 DM erhalten sollten. Zwar war abzusehen, dass die Nachbarn von den Einwirkungen des geplanten Kraftwerks je nach Lage des von ihnen bewohnten Grundstücks unterschiedlich schwer betroffen würden. Auch konnten mögliche Wertverluste nur die Grundeigentümer unter den Mitgliedern der Initiative treffen. Eine individuelle Schadensfeststellung, hätte aber eine gründliche Prüfung nach Maßgabe noch zu vereinbarender Kriterien erfordert, was schon wegen des Zeitdrucks, unter den die S die Verhandlungen gestellt hatte, nicht zu verwirklichen war. Gerade die S war es auch, die eine konkrete Schadensfeststellung im einzelnen Fall nicht wünschte und auf eine Pauschalregelung drängte, die dann auch von den Mitgliedern der Initiative als sachgerecht empfunden wurde. Jedenfalls unter diesen Umständen konnte in der vereinbarten Verteilung der Entschädigungssumme ein Sittenverstoß nicht gesehen werden.

Das Berufungsgericht hatte weiter angenommen, weder die S noch die beklagte Stadt sei berechtigt gewesen, die Verträge wegen Drohung anzufechten. Auch das hat der BGH gebilligt. Die S war jedenfalls nicht widerrechtlich bedroht worden. Die Einlegung des Widerspruchs und die Ankündigung, das Verwaltungsstreitverfahren durchzuführen, verstießen als solche nicht gegen geltendes Recht. Der Widerspruch mit seiner nach § 80 I 1 VwGO für den Regelfall vorgeschriebenen aufschiebenden Wirkung und die mit derselben Wirkung ausgestattete verwaltungsgerichtliche Klage sind eine adäquate Ausprägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie; sie entsprechen einem fundamentalen Grundsatz des öffentlich-rechtlichen Prozesses, der einen effektiven Schutz gegen Maßnahmen der Exekutive sichern und durchsetzen soll. Nur ganz ausnahmsweise wird man daher - so der BGH- in der Inanspruchnahme dieses Rechtsschutzes eine vom Recht missbilligte Handlung sehen dürfen. Dies wird vornehmlich der Fall sein, wenn der Gegner mit der Drohung überzogen wird, das Verfahren mit unlauteren Mitteln betreiben zu wollen.

Der in der Entscheidung behandelte und für wirksam erachtete Verkauf von Abwehrrechten gegen nachteilige Veränderungen der Umwelt betrifft einen Sachverhalt, der sich durch das konkrete Betroffensein der Mitglieder der Initiative und die zum Ausgleich solcher Nachteile geeignete und bestimmte Entschädigungsleistung auszeichnet. Er hebt sich darin deutlich von solchen Sachverhalten ab, in denen Großprojekte der Energieversorgung von Personen und Gruppierungen bekämpft werden, die nur ihre abweichenden politischen Vorstellungen durchsetzen wollen, ohne von dem Vorhaben konkret und unmittelbar in Rechten oder rechtlichen Interessen betroffen zu sein. Wenn sich hier die Widersprechenden ihr Eintreten für das Allgemeininteresse abkaufen lassen, dürfte es - abweichend von der Beurteilung der Wirksamkeit der im vorliegenden Fall geschlossenen Verträge - gute Gründe dafür geben, in der Aufgabe des Widerstandes gegen das Bauvorhaben bei Leistung einer Entschädigung ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten zu sehen. Denn dann bedeutet die Annahme einer Geldleistung letztlich nur eine Belohnung für die Einlegung eines mangels Betroffenseins offenbar unzulässigen Widerspruchs, also für ein im Grunde missbräuchliches Rechtsschutzbegehren. In einem solchen Fall fehlt es sowohl an der inneren Berechtigung als auch an Bemessungskriterien für eine Entschädigung, deren Zweck es nur sein kann, konkrete Nachteile in Geld auszugleichen.