Industriegebiet

Zur Frage der Wirksamkeit des Rücktritts einer Gemeinde von einem Grundstückskaufvertrag, durch den das Grundstück in einem neugeplanten Industriegebiet dem Käufer zum Zweck der Betriebsverlegung binnen Dreijahresfrist um die Hälfte des Einkaufspreises überlassen worden war, wegen Gefährdung des Vertragszwecks und Unzuverlässigkeit des Käufers.

Zum Sachverhalt: Die Kläger Stadtgemeinde hat im Bereich eines Bebauungsplans von der Firma B einen größeren Grundstückskomplex zum Preis von 4 DM je Quadratmeter in der Absicht gekauft, dort Industriebetriebe anzusiedeln. Die Grundstücke sollten in diesem Bereich um 2 DM je Quadratmeter nebst Übernahme der Erschließungs- und Kanalanschlusskosten an Gewerbetreibende mit bestimmten Verpflichtungen über deren gewerbliche Nutzung verkauft werden, u. a. auch ein Flurstück an den Beklagten, ein Mitglied des Rats der Kläger, zur Verwendung für seinen Schrotthandel. Dieses Grundstück grenzt an das Werksgelände der Firma B. Diese Firma plante die Erweiterung ihres Werks und erstrebte eine Zuwegung zur Erschließungsstraße. Eine solche stellte der Beklagte der Firma über das für ihn vorgesehene Grundstück privatschriftlich in Aussicht. Nach Vermessung des Flurstücks schlossen die Parteien den vorgesehenen Kaufvertrag ab, nach dem ihm das Grundstück zur Anlegung eines neuen Lagerplatzes für.... Schrott sowie zur Errichtung eines Betriebsgebäudes verkauft wurde, um ihm dann die Räumung seines bisherigen Schrottplatzes im Wohngebiet der Stadt zu ermöglichen. Zur Verlagerung verpflichtete er sich binnen 3 Jahren, andernfalls die Stadt ein Wiederkaufsrecht geltend machen konnte.

Durch notariellen Vertrag gestattete der Beklagten gegen eine einmalige Entschädigung von 7500 DM der Firma B eine Grenzbebauung zu seinem Grundstück, gegen Zahlung von 4000 DM ein Vorkaufsrecht und räumte ihr weiter gegen eine jährliche Entschädigung von 10000 DM ein Wegerecht über das erworbene Grundstück ein.

Die Kläger bringt vor, der Beklagten habe trotz seiner als Ratsherr erlangten Kenntnis, dass das gegen den halben Einkaufspreis überlassene Grundstück ihm nicht zu Spekulationszwecken hingegeben worden sei, sich das Grundstück ohne Rücksicht auf ihre Interessen verschafft und vornehmlich zu spekulativen Zwecken verwendet. Dagegen habe er es für seinen eigenen Gewerbebetrieb nur der Form halber benutzt; er sei von vornherein nicht gewillt gewesen, die nach dem Vertrag bezweckte Verlegung seines Gewerbebetriebs aus einem Wohngebiet in der Stadt auf das erworbene Grundstück durchzuführen. Sie hat beantragt, den Beklagten zur Rückauflassung des Grundstücks Zug um Zug gegen Zahlung von... zu verurteilen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin den Rückauflassungsanspruch weiterverfolgt und zusätzlich beantragt, den Beklagten zur Herausgabe der von ihm gezogenen Nutzungen zu verurteilen. Der Beklagten hat im Weg der Anschlussberufung Widerklage mit dem Antrag erhoben, die Kläger zur Löschung der zur Sicherung des Wiederkaufsrechts eingetragenen Vormerkung zu verurteilen. Er meint, er sei seinen vertraglichen Verpflichtungen nachgekommen. Die Rechtsmittel beider Parteien blieben ohne Erfolg. Die Revision der Kläger führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: Dass der Beklagten bisher, führt das Berufsgericht aus, nicht oder doch nicht voll seinen vertraglichen Pflichten nachgekommen sei, rechtfertige den Rückauflassungsanspruch nicht, weil es ihm nicht verwehrt sei, die Dreijahresfrist des Vertrages voll auszunutzen. Wenn er auch durch die Berühmung, seinen vertraglichen Pflichten bereits jetzt voll nachgekommen zu sein, deutlich gemacht habe, dass er - zumindest vorerst - nicht die Absicht habe, das Grundstück anders als bisher, insbesondere in größerem Umfang und unter gleichzeitiger Aufgabe seines Schrottplatzes in der Stadt, gewerblich zu nutzen, so sei doch davon auszugehen, dass er nach einem für ihn ungünstigen Ausgang des Rechtsstreits nicht auf seiner Weigerung beharren werde. Der Beklagten habe seine vertraglichen Nebenpflichten nicht in einer Intensität verletzt, dass die Kläger aus schadensersatzrechtlichen Erwägungen heraus zum Rücktritt berechtigt sei. Der Beklagten lasse sich allerdings, wie unterstellt werden könne, zur Erfüllung sehr viel Zeit, er suche Ausflüchte und sei in erster Linie an einer finanziellen Ausnutzung der Eigentümerposition und der unter den gegebenen tatsächlichen Umständen günstigen Lage des Grundstücks interessiert gewesen. Jedoch ergäben weder Wortlaut noch Sinn und Zweck des Vertrags unter Berücksichtigung der Begleitumstände Anhaltspunkte dafür, dass dem Beklagten erkennbar die Einräumung von Rechten an Dritte gegen Entgelt hätte untersagt sein sollen. Mit Rücksicht auf seine Eigenschaft als Ratsherr könnten dem Beklagten nicht besondere Pflichten auferlegt werden. Es wäre, wenn die Kläger einem Ratsmitglied ein suventioniertes Grundstück zur Verfügung stellte, ihre Sache gewesen, durch entsprechende vertragliche Vereinbarung Spekulationsgewinne zu verhindern.

Mit Erfolg macht die Revision geltend, dass der Beklagten das zur Durchführung des Vertrags notwendige Vertrauensverhältnis zwischen der Gemeinde und ihm in einem solchen Ausmaß zerstört hat, dass der Kläger ein weiteres Festhalten an diesem Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann. Eine derartige schuldhafte Zerstörung des dem Vertrag zugrunde liegenden Vertrauensverhältnisses und die damit verbundene, dem Vertragspartner nicht mehr zumutbare Gefährdung des Vertragszwecks rechtfertigt dessen Rücktritt vom Vertrag.

Die Gemeinde hat mit dem Kaufvertrag keinen erwerbswirtschaftlichen Umsatz mit Grundstücken betrieben; der Vertrag erschöpft sich daher auch nicht im Austausch von Grundstück und Kaufpreis. Die Kläger hat den Aufkauf des Geländes, seine geplante Verwendung als Industriegebiet sowie die Aufteilung und die Abgabe der Grundstücke für gewerbliche Zwecke vielmehr unter Ersatz öffentlicher Mittel mit dem Ziel betrieben, die ihr kraft öffentlichen Rechts obliegenden städteplanerischen Aufgaben zu erfüllen, und dieses Ziel mit einer sachgemäßen Gewerbeförderung verbunden. Dementsprechend war dem Beklagten als Käufer eines solchen neugeschaffenen gewerblichen Grundstücks die Pflicht auferlegt, binnen eines bestimmten Zeitraums seinen bisherigen, im Wohngebiet der Stadt befindlichen Lagerplatz als solchen nicht mehr zu benutzen, vielmehr den gewerblichen Betrieb auf das überlassene Grundstück zu verlagern und dieses Grundstück im Industriegebiet entsprechend der festgelegten Planung für die Zwecke seines Gewerbebetriebs zu benutzen. Dieser Verpflichtung des Beklagten entsprach es, den Kaufpreis unter Einsatz öffentlicher Mittel auf die Hälfte des Preises zu reduzieren, den die Gemeinde zuvor beim Ankauf des noch nicht aufgeteilten Geländes aufgewendet hatte. Dieses Vertragsziel erforderte im Hinblick auf die bei Verträgen solchen Inhalts erfahrungsgemäß auftretenden, oft unvorhergesehenen Schwierigkeiten während dieser Zeitspanne eine vertrauensvolle Rücksichtnahme auf die Interessen des Vertragspartners. Die dem Vertrag eigene, für eine längere Dauer erforderliche Vertrauensgrundlage setzte eine entsprechende Zuverlässigkeit in die Vertragstreue des Partners hinsichtlich des dargelegten Vertragszwecks voraus.

Diese Zuverlässigkeit hat der Beklagten durch die festgestellte Berühmung, bereits jetzt, vor Räumung des alten Lagerplatzes, seinen vertraglich übernommenen Pflichten voll nachgekommen zu sein, und die Art der Begründung seines Verhaltens empfindlich in Frage gestellt. Entgegen der Meinung des Berufsgericht ist unter diesem Gesichtspunkt nicht erheblich, dass der Beklagten unter dem Eindruck des Ausgangs vorliegenden Verfahrens sich noch eines anderen besinnen könnte und sich noch rechtzeitig schließlich vertragsgemäß verhalten werde. Entscheidend ist vielmehr, ob sich die Unzuverlässigkeit des Beklagten hinsichtlich der hier geforderten Leistungstreue bei einer Gesamtwürdigung seines Verhaltens als so schwerwiegend darstellte, dass dem anderen Teil die Fortsetzung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden konnte. Ein solches Verhalten kann auch schon vor der Fälligkeit des Erfüllungsanspruchs den Vertragszweck gefährden.

In dieser Sicht muss der Standpunkt des Beklagten, jetzt schon die neben der Kaufpreiszahlung übernommenen Vertragspflichten erfüllt zu haben, und die damit verbundene Verkennung von deren Bedeutung für die Kläger im Zusammenhang mit der schon vor Vertragsschluss ins Auge gefassten und danach durchgeführten Verwertung des Grundstücks gewürdigt werden. Der Beklagten hat schon vor Abschluss des Kaufvertrags die Verwertung des Grundstücks durch Wegerechtseinräumung eingeleitet und alsbald danach dem Nachbarunternehmen Wegerecht und Vorkaufsrecht gewährt, das erstere gegen -im Verhältnis zu dem ihm eingeräumten niedrigen Kaufpreis - außerordentlich hohes Entgelt. Der Kläger musste sich dadurch insgesamt der Eindruck aufdrängen, dass die unter Einsatz öffentlicher Mittel begründeten Pflichten vom Beklagten als Vertragspartner unter Verfolgung vertragsfremder Ziele nachhaltig in Frage gestellt und gröblich vernachlässigt werden, insbesondere aber auch in Zukunft nicht mehr auf die Zuverlässigkeit gebaut werden kann, die die Durchführung des Grundstücksüberlassungsvertrages erfordert. Im Ergebnis kann der Kläger nach dem festgestellten vertragswidrigen Verhalten des Beklagten ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden. Das klagabweisende Urteil kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben.

Im Sinn des Klagantrags kann jedoch nach dem bislang festgestellten Sachverhältnis nicht entschieden werden, weil Feststellungen zur Höhe der Zug-um-Zug-Leistung nicht getroffen sind. Die Sache ist daher an das Berufsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.