Institut des Verschuldens

In nicht wenigen Fällen dient das Institut des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen dazu, in Not leidenden Schuldverhältnissen eine als unbillig empfundene Haftungslücke zu schließen. Das geschieht regelmäßig in der Weise, dass die Verletzung von Aufklärungspflichten geltend gemacht wird, um auf diese Weise Ersatzansprüche zu begründen. Die Bejahung von Aufklärungspflichten eines Verhandlungspartners zugunsten des anderen birgt die Gefahr in sich, dass das natürliche in der unterschiedlichen Interessenlage begründete Verhandlungsrisiko verwischt wird, welches in der Freiheit, von einem Vertragsschluss Abstand zu nehmen, grundsätzlich genügend ausbalanciert sein sollte. Wird allerdings die Freiheit des Abschlusses durch Verhaltensweisen eines Verhandlungspartners beeinträchtigt, indem er z. B. besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt oder aufrechterhält, so rechtfertigt dies seine Risikobeteiligung. In diesen Zusammenhang gehört das Urteil des VIII. Zivilsenats vom 23. 2. 1983, das den Mehrheitsgesellschafter und alleinigen Geschäftsführer einer GmbH, dessen Unternehmen in laufender Geschäftsbeziehung Warenkredit eines Lieferanten in Anspruch nahm, für verpflichtet hält, diesem Lieferanten die wirtschaftliche Lage seines Unternehmens zu offenbaren, und zwar jedenfalls auf Befragen hin und auf die Bitte um persönliche Aufklärung. In der Frage nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Warenkreditnehmers wird deutlich, dass das Fortbestehen des Abschlusswillens des Warenkreditgebers vom Fortbestand der Leistungsfähigkeit seines Abnehmers bestimmt wird. Bleibt die Frage ohne oder erfährt sie eine unwahre Antwort, so verschiebt sich das Verhandlungs- und Abschlussrisiko zum Nachteil des Warenlieferanten. Das rechtfertigt die Bejahung einer Auskunftspflicht. Das zitierte Urteil bestätigt die in Rechtsprechung und Literatur anerkannte Auffassung, dass auch ein Vertreter für Verschulden bei Vertragsverhandlungen dann haften kann, wenn er wirtschaftlich selbst stark an dem Vertragsabschluss interessiert ist und aus dem Geschäft eigenen Nutzen erstrebt, oder wenn gerade er in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch nimmt. Auf das vorausgegangene Urteil des VIII. Zivilsenats vom 27. 10. 1982 und die darin zitierte frühere Senatsrechtsprechung wird hingewiesen. Worauf sich das Vertrauen, das das Verhandlungs- und Abschlussrisiko verändert, im Einzelnen gründet, richtet sich nach dem Inhalt des beabsichtigten Vertrages. Geht es um Kreditgewährung, so wird der Kreditgeber auf eine im Verhältnis zur Kredithöhe angemessene sichere Einkommens- und Vermögenssituation des Kreditnehmers sowie auf dessen persönliche Redlichkeit und Zuverlässigkeit Wert legen. Das darauf gerichtete Vertrauen ist ebenso sachlich orientiert wie das Vertrauen auf besondere Fachkenntnisse einer Person, wenn es für den Vertragsschluss gerade darauf ankommt. Das bei Kreditgewährung allgemein vorausgesetzte Vertrauen in die Person des Kreditnehmers kann von diesem im Einzelfall in besonderem Maße in Anspruch genommen werden, z. B. dann, wenn er, wie in dem am 23. 2. 1983 entschiedenen Falle, zu dem Kreditgeber in nahen persönlichen Beziehungen steht. In jenem Falle kam hinzu, dass der Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der GmbH ein starkes eigenes Interesse an weiteren Warenlieferungen auf Kredit hatte. Der VIII. Zivilsenat hält an der Rechtsprechung fest, dass ein nur mittelbares wirtschaftliches Interesse des verhandelnden Vertreters für die Annahme seiner Haftung nicht genügt, dass es vielmehr so verdichtet sein muss, dass er gewissermaßen in eigener Sache verhandelt, seine eigenen wirtschaftlichen Interessen mit denen des von ihm repräsentierten Unternehmens völlig identifiziert.

Das Urteil vom 23. 2. 1983 behandelt außerdem die für die praktische Rechtsanwendung außerordentlich bedeutsame Frage, in welcher Zeit die gegen den Vertreter des Vertragspartners gerichteten Schadensersatzansprüche wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen verjähren. Bisher war nicht entschieden, ob diese Ansprüche in kürzerer als in § 195 BGB bestimmter Frist verjähren, wenn die Verhandlungen zu einem wirksamen Vertrag geführt haben. Im Urteil vom 16. 11. 1967 ist dargelegt, die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 195 BGB gelte grundsätzlich auch für Ersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen. In Ausnahmefällen seien jedoch die Vorschriften über eine kürzere Verjährung vertraglicher Ansprüche entsprechend anzuwenden. Dies gelte insbesondere dann, wenn der Geschädigte verlange, so gestellt zu werden, wie wenn er aus dem Vertrage, der aufgrund eines Verschuldens seines Verhandlungspartners nicht zustande gekommen ist, einen Erfüllungsanspruch erworben hätte. Bei solcher Fallgestaltung wird unterschieden, ob der Geschädigte Ersatz für das Vertrauensinteresse oder für das Erfüllungsinteresse verlangt. Zu den im Urteil vom 16. 11. 1967 beschriebenen Ausnahmetatbeständen, für die kurze Verjährungsfristen gelten, hat der BGH später auch Ersatzansprüche aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen in solchen Fällen gerechnet, in denen Vertragsverhandlungen durch Verschulden eines Beteiligten nicht bis zum Vertragsschluss fortgeführt worden sind und der andere hierdurch Nachteile erlitten hat. Sie sollen grundsätzlich derselben Verjährungsfrist unterliegen, die für den Erfüllungsanspruch gelten würde, wenn der Vertrag zustande gekommen wäre, und zwar unabhängig davon, ob der Geschädigte das negative oder das positive Interesse begehre. Der jetzt entschiedene Sachverhalt zeichnet sich dadurch aus, dass die Vertragsverhandlungen zu einem wirksamen Abschluss geführt haben. Aus diesem Vertrag hat der Warenlieferant einen Kaufpreisanspruch erworben. Dieser Anspruch erwies sich im entschiedenen Falle wegen Vermögenslosigkeit des Warenabnehmers als nicht realisierbar, mithin als wirtschaftlich wertlos. Dass der Warenlieferant in die Lage geraten ist, wegen Vermögensverfalls seines Abnehmers den Kaufpreisanspruch nicht verwirklichen zu können, ist durch das pflichtwidrige Verhalten des Vertreters seines Vertragspartners verursacht worden. Dieser Umstand verknüpft den Erfüllungsanspruch aus Warenlieferungen einerseits und den Ersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen andererseits trotz ihres unterschiedlichen Rechtsgrundes und ohne Rücksicht darauf, dass sie sich gegen verschiedene Schuldner richten, so eng, dass es nicht gerechtfertigt erscheint, den Erfüllungsanspruch der kurzen Verjährungsfrist von vier Jahren, den Ersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen dagegen der Verjährungsfrist von dreißig Jahren zu unterwerfen. Der beide Ansprüche verbindende Lebenssachverhalt gebietet vielmehr, im einen wie im anderen Falle binnen gleicher Frist dein Rechtsfrieden Vorrang vor der gerichtlichen Durchsetzbarkeit berechtigter Ansprüche einzuräumen. Ob der Erfüllungsanspruch nicht entsteht und deshalb für den an seine Stelle getretenen Ersatzanspruch die kurze Verjährungsfrist Platz greift, oder ob der Erfüllungsanspruch zwar entsteht, aber nicht realisierbar ist, macht keinen Unterschied.

Zum Beginn der Verjährungsfrist hat der VIII. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil vom 23. 2. 1983 ausgeführt, der Ersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen vertrage es seiner Natur nach nicht, dass die Verjährungsfrist zu laufen beginne, bevor der Geschädigte Kenntnis von denjenigen Umständen erlangt habe, welche die Ersatzpflicht gerade des für den Vertragspartner handelnden Vertreters begründen würden. In der Tat unterscheidet sich die Ausgangslage wesentlich von derjenigen beim Erfüllungsanspruch. Markiert dort bereits der Vertragsschluss auch im Bewusstsein der Beteiligten das Risiko, für die eingegangene Lieferpflicht den vereinbarten Gegenwert möglicherweise nicht zu erhalten, so ist es bei einem Verschulden bei Vertragsverhandlungen erst die Kenntnis von dem pflichtwidrigen Verhalten und der Person des dafür Verantwortlichen, welche beim Geschädigten die Gefahr von Einbußen deutlich werden lässt. Bevor der Geschädigte hiervon keine Kenntnis besitzt, kann er der Gefahr nicht ausgesetzt werden, dass der Ersatzanspruch seine Durchsetzbarkeit im Prozesswege verliert jährungsfrist unterliegen, die für den Erfüllungsanspruch gelten würde, wenn der Vertrag zustande gekommen wäre, und zwar unabhängig davon, ob der Geschädigte das negative oder das positive Interesse begehre. Der jetzt entschiedene Sachverhalt zeichnet sich dadurch aus, dass die Vertragsverhandlungen zu einem wirksamen Abschluss geführt haben. Aus diesem Vertrag hat der Warenlieferant einen Kaufpreisanspruch erworben. Dieser Anspruch erwies sich im entschiedenen Falle wegen Vermögenslosigkeit des Warenabnehmers als nicht realisierbar, mithin als wirtschaftlich wertlos. Dass der Warenlieferant in die Lage geraten ist, wegen Vermögensverfalls seines Abnehmers den Kaufpreisanspruch nicht verwirklichen zu können, ist durch das pflichtwidrige Verhalten des Vertreters seines Vertragspartners verursacht worden. Dieser Umstand verknüpft den Erfüllungsanspruch aus Warenlieferungen einerseits und den Ersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen andererseits trotz ihres unterschiedlichen Rechtsgrundes und ohne Rücksicht darauf, dass sie sich gegen verschiedene Schuldner richten, so eng, dass es nicht gerechtfertigt erscheint, den Erfüllungsanspruch der kurzen Verjährungsfrist von vier Jahren, den Ersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen dagegen der Verjährungsfrist von dreißig Jahren zu unterwerfen. Der beide Ansprüche verbindende Lebenssachverhalt gebietet vielmehr, im einen wie im anderen Falle binnen gleicher Frist dem Rechtsfrieden Vorrang vor der gerichtlichen Durchsetzbarkeit berechtigter Ansprüche einzuräumen. Ob der Erfüllungsanspruch nicht entsteht und deshalb für den an seine Stelle getretenen Ersatzanspruch die kurze Verjährungsfrist Platz greift, oder ob der Erfüllungsanspruch zwar entsteht, aber nicht realisierbar ist, macht keinen Unterschied.

Zum Beginn der Verjährungsfrist hat der VIII. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil vom 23.2. 1983 ausgeführt, der Ersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen vertrage es seiner Natur nach nicht, dass die Verjährungsfrist zu laufen beginne, bevor der Geschädigte Kenntnis von denjenigen Umständen erlangt habe, welche die Ersatzpflicht gerade des für den Vertragspartner handelnden Vertreters begründen würden. In der Tat unterscheidet sich die Ausgangslage wesentlich von derjenigen beim Erfüllungsanspruch. Markiert dort bereits der Vertragsschluss auch im Bewusstsein der Beteiligten das Risiko, für die eingegangene Lieferpflicht den vereinbarten Gegenwert möglicherweise nicht zu erhalten, so ist es bei einem Verschulden bei Vertragsverhandlungen erst die Kenntnis von dem pflichtwidrigen Verhalten und der Person des dafür Verantwortlichen, welche beim Geschädigten die Gefahr von Einbußen deutlich werden lässt. Bevor der Geschädigte hiervon keine Kenntnis besitzt, kann er der Gefahr nicht ausgesetzt werden, dass der Ersatzanspruch seine Durchsetzbarkeit im Prozesswege verliert.