Intubationsnarkose

Zu den Sorgfaltspflichten eines Narkosearztes bei einer Intubationsnarkose.

Aus den Gründen: Mit Recht hat das Berufsgericht die Anspruchsgrundlage für das Klagebegehren in den §§ 839, 847 Abs. 1 BGB erblickt. Der Beklagten war zur Zeit des Unfallereignisses Beamter im staatsrechtlichen Sinne. Er wurde bei der Durchführung der Narkose als beamteter Arzt tätig. Dabei oblag ihm gegenüber der Kläger die Amtspflicht, die Narkose nach den anerkannten Regeln der ärztlichen Kunst vorzunehmen. Das Berufsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass der Beklagten hierbei als zuständiger Facharzt in eigener Verantwortung tätig wurde.

Der gesetzliche Haftungsgrund des § 839 BGB wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Rechtsbeziehungen zwischen der Universitätsklinik und der als Privatpatientin aufgenommenen Kläger bürgerlich-rechtlicher Natur waren und der Beklagten im privat-rechtlichen Rechtskreis seines Dienstherrn tätig geworden ist. Auch in diesem Bereich richtet sich die Eigenhaftung des Beklagten für Amtspflichtverletzungen nach § 839 BGB.

Das Oberlandesgericht hat zur Frage des Behandlungsfehlers u. a. ausgeführt: Der Beklagten habe seine Amtspflicht zur sach- und kunstgerechten Durchführung der Narkose dadurch verletzt, dass er den Operationssaal vor Beendigung der Narkose zeitweilig verlassen und die Überwachung der Kläger einem Medizinalassistenten übertragen habe. In die- sem Verhalten des Beklagten müsse insbesondere aus zwei Gründen ein Verstoß gegen seine ärztlichen Sorgfaltspflichten erblickt werden:

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen sei die Intubationsnarkose, die der Beklagten nach dem Fehlschlagen der zunächst versuchten Periduralanaesthesie angewandt habe, für die Kläger mit erhöhten- Gefahren verbunden gewesen. Bei der Intubationsnarkose müssten dem Patienten fortlaufend Inhalationsnarkotika mit Sauerstoff sowie Muskelrelaxantien verabreicht werden, um die erforderliche Narkosetiefe und die Muskelentspannung aufrechtzuerhalten. Außer- dem müsse der Patient wegen der ausgefallenen Spontanatmung künstlich beatmet werden. Im Unterschied zur Periduralanaesthesie, bei der nach einer gewissen Zeitspanne ein verhältnismäßig stabiler Zustand eintrete, handele es sich bei der Intubationsnarkose um ein dynamisches Narkoseverfahren, das weitaus risikoreicher sei und daher auch erheblich. höhere Anforderungen an die Qualifikation des Überwachungspersonais stelle. Die Komplikationsrate sei bei der Intubationsnarkose nur dann nicht größer als bei der Periduralanaesthesie, wenn die Narkose von einem Facharzt für Anaesthesie durchgeführt und überwacht werde.

Aus der erhöhten Gefährlichkeit der Intubationsnarkose folge, dass weder ihre selbständige Durchführung noch ihre eigenverantwortliche Überwachung einem Medizinalassistenten übertragen werden dürfe. Der für die Narkose verantwortliche Facharzt müsse zumindest in der Lage sein, jederzeit die Narkose zu überwachen und erforderlichenfalls die anaesthesiologische Versorgung des Patienten zu übernehmen. Diese Auffassung sei auch im Schrifttum anerkannt. Die Möglichkeit, jederzeit die Überwachung der Narkose und die Versorgung des Patienten zu übernehmen, bestehe für den Narkosearzt aber nicht mehr, wenn er den Operationssaal verlasse, um in einem, anderen Saal eine weitere Narkose durchzuführen.

Das der Intubationsnarkose allgemein eigene erhöhte. Risiko sei im Falle der Kläger noch durch eine durch starken Blutdruckabfall angezeigte konkrete Gefahrerhöhung gesteigert worden.

Der Beklagten hätte daher die weitere Entwicklung sorgfältig beobachten und die Überwachung der Kläger nicht einmal für eine kurze Zeitspanne einem Medizinalassistenten anvertrauen dürfen. Das gelte um so mehr, als er nichts unternommen gehabt habe, um die Kreislaufsituation der Kläger zu verbessern, wie dies nach den Ausführungen des Sachverständigen geboten gewesen wäre.

Die Rev. wendet sieh zunächst gegen die Auff. des Berufsgericht, der Beklagten habe seine Pflichten als Narkosearzt dadurch verletzt, dass er unter den gegebenen Umständen einen Medizinalassistenten mit der Überwachung der Narkose be- traut habe. Dieser Rüge muss indes der Erfolg versagt bleiben. Es verlangen in den genannten Beiträgen ausdrücklich, dass der leitende Narkosearzt, auch wenn er sich zur Durchführung ärztlicher Verrichtungen und Aufgaben eines Medizinalassistenten bedient, jederzeit die Narkose überwachen und bei Zwischenfällen unverzüglich eingreifen sowie die fachärztliche Versorgung des Patienten übernehmen kann. Das Berufsgericht hat sich diesen, wörtlich zitierten Ausführungen der genannten Autoren zumindest für den hier gegebenen Fall einer Intubationsnarkose angeschlossen. Die Rev. verkennt, dass der Beklagten nach den bindenden Feststellungen des Oberlandesgerichts sich der Möglichkeit jederzeitigen Eingreifens begeben hatte, indem er den Operationssaal verließ, um in einem anderen Saal eine Parallelnarkose vorzunehmen.

Vergeblich rügt die Rev., das Berufsgericht habe den Vortrag des Beklagten nicht berücksichtigt, dass die bloße Überwachung der Narkose als mehr oder minder mechanische und beobachtende Tätigkeit nicht besondere Schwierigkeiten biete, die ein Medizinalassistent nicht meistern könne. Es ist indes aus Rechts- gründen nicht zu beanstanden, dass das Berufsgericht wegen der besonderen Risiken die dauernde Überwachung durch den Beklagten als Facharzt für Anaesthesie für erforderlich hielt. Die Rev. beachtet nicht genügend, dass sich das Maß der erforderlichen ärztlichen Sorgfalt nach der Größe der von dem Patienten abzuwendenden Gefahren bestimmt. Das sachverständig beratene Berufsgericht hat ohne Rechtsverstoß angenommen, dass wegen des schon bald nach Operationsbeginn eingetretenen Absinkens des Blutdrucks mit Störungen gerechnet werden musste. Zudem hatte die Beklagte der Kläger um 9.30 Uhr kurz vor dem Verlassen die dritte, erhöhte Succinylcholin-Gabe verabreicht. Wegen des damit verbundenen Risikos toxischer Einwirkungen hätte der Bell., wie das Berufsgericht festgestellt hat, die Kläger gerade in der folgenden Zeit besonders sorgfältig beobachten müssen, um eine etwa auftretende Pulsverlangsamung unverzüglich durch eine Atropingabe zu beheben. Zumindest in dieser konkreten

Gefahrensituation, die jederzeit für die Kläger lebensbedrohende Formen annehmen konnte, hätte er daher den Raum, in dem die Kläger operiert wurde, nicht verlassen dürfen.

Rechtsbedenkenfrei hat das Berufsgericht das Verschulden des Beklagten bejaht. Es hat insbesondere im Einzelnen dargelegt, dass für den Beklagten keine zwingende Notwendigkeit bestand, die Überwachung der Kläger zeitweilig einem Medizinalassistenten anzuvertrauen, um währenddessen eine sog. Parallelnarkose in einem anderen Raum durchzuführen. Daher bedarf hier die Frage keiner Entscheidung, wie das Verhalten eines Anaesthe- sisten zu beurteilen ist, der in einem Notfall den Operationssaal verläßt, um in einem anderen Raum einen Patienten ärztlich zu versorgen.

Ohne Erfolg greift die Rev. die Ansicht des Berufsgericht an, dass dem Beklagten ein grober Behandlungsfehler angelastet werden müsse. Die Rev. stellt hier wiederum nicht hinreichend auf die konkrete Gefahrenlage ab, in der sich die Kläger befand, als der Beklagten sich aus dem Operationssaal entfernte. Wie bereits ausgeführt, war das einer Intubationsnarkose allgemein anhaftende Risiko hier durch das Absinken des Blutdrucks bis zu einem kritischen Wert noch gesteigert Hinzu kommt, dass der Beklagten, wie oben ausgeführt, kurz vor dem Verlassen des Operationssaals der Kläger um 9.30 Uhr die dritte Dosis Suceinyleholin verabfolgt hatte. Nach den rechtsbedenkenfreien Feststellungen des Berufsgericht, das sich auch insoweit den Sachverständigen angeschlossen hat, besteht gerade in den ersten Minuten nach der Verabreichung dieser bei der Narkose benutzten Droge die Gefahr toxischer Einwirkungen, die eine Beeinträchtigung der Herzfunktion und sogar einen Herzstillstand zur Folge haben können. Daher hat das Berufsgericht mit Recht angenommen; dass der Bold. in dieser besonders risikoreichen Phase der Narkose den Puls der Kläger sorgfältig hätte kontrollieren müssen, anstatt ihre Überwachung einem hierfür unqualifizierten Medizinalassistenten zu überlassen und sich aus dem Operationssaal zu entfernen. Rechtsirrtumsfrei hat das Oberlandesgericht dieses Verhalten des Beklagten als erhebliche Verletzung seiner ärztlichen Sorgfaltspflichten und damit als groben Verstoß gegen die Regeln der ärztlichen Kunst gewertet.