Juweliergeschäft

Zur Frage, ob der für ein Juweliergeschäft gekaufte Tresor mit einem Sachmangel behaftet ist, wenn sein Inhalt nur beschränkt versicherbar ist.

Zum Sachverhalt: Der Beklagte ist Inhaber eines Juweliergeschäftes. Vor dessen Eröffnung wandte er sich an die Kläger, die Tresore vertreibt und auch herstellt. Aufgrund eines Verkaufsgespräches, das P (Ehemann der Kläger) mit dem Beklagten führte, bestellte dieser am 20. 3. 1980 einen Tresor Sicherheitsstufe C in serienmäßiger Ausführung zum Preise von 10500 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Der Tresor ist nicht VDMA-geprüft; er enthält kein RAL (Ausschuss für Lieferbedingungen und Gütesicherung)-Gütezeichen. Die Kläger ist nicht Mitglied der Forschungs- und Prüfungsgemeinschaft Geldschränke und Tresoranlagen e. V. im VDMA; ihre Tresore enthalten demgemäß kein RAL-Gütezeichen. Der Beklagte verweigerte die Abnahme des bestellten Tresors, da dessen Inhalt von den Sachversicherern nur bis zum Höchstwert von 30000 DM versichert wird.

Die Vorinstanzen haben den Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Lieferung des bestellten Tresors verurteilt. Die - zugelassene - Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. . . 2. a) Das Berufungsgericht geht ohne nähere Begründung davon aus, dass der Beklagte Wandelung beanspruche. Ob dies zutrifft und ob gegebenenfalls das Wandelungsbegehren zulässig wäre, obwohl es sich um eine Gattungssache handelt und die Gefahr noch nicht auf den Beklagten übergegangen ist, oder ob - wie die Revision meint - der Beklagte darauf beschränkt ist, die Sache als mangelhaft und daher nicht leistungsgerecht zurückzuweisen und die Zahlung des Kaufpreises gemäß §§ 32Off. BGB zu verweigern, kann offenbleiben. Denn in jedem Falle wäre die Abnahme- und Zahlungsverweigerung sachlich nur gerechtfertigt, wenn der gekaufte Tresor mangelhaft wäre oder ihm eine zugesicherte Eigenschaft fehlte, was nicht der Fall ist.

Ob sich insoweit aus den aufgezeigten verschiedenen Ausgangspunkten unterschiedliche Folgerungen für die Beweislastverteilung ergeben könnten, wie die Revision in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht hat, kann ebenfalls dahinstehen, weil das Berufungsgericht nicht nach Beweislastgrundsätzen entschieden, sondern festgestellt hat, dass der Tresor keine Mängel aufweise und ihm auch keine zugesicherte Eigenschaft fehle.

b) Diese Feststellung ist rechtsfehlerfrei getroffen.

aa) Ein Fehler i. S. von §§ 480, 459 I BGB liegt von, wenn die tatsächliche Beschaffenheit der gekauften Sache von der im Kaufvertrag vereinbarten abweicht und diese Abweichung den Wert der Sache oder ihre Tauglichkeit zu dem gewöhnlichen oder nach dem Vertrag vorausgesetzten Gebrauch aufhebt oder mindert.

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass der gekaufte Tresor keine ungünstige Abweichung von der normalen Beschaffenheit eines Tresors der Sicherheitsstufe C aufweist. Die Normalbeschaffenheit bestimmt sich nach objektiven Gesichtspunkten (vgl. BGH, WM 1977, 1088 [1089]; Mezger, in: RGRK, 12. Aufl., § 459 Rdnr. 5). Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass der verkaufte Tresor die nach den VDMA-Einheitsblättern von Mai 1978 vorausgesetzten typischen Baumerkmale eines Tresors der Sicherheitsstufe C besitzt und keine technischen Mängel aufweist, greift die Revision nicht an ... Sie meint allerdings, die Mangelhaftigkeit des Tresors ergebe sich daraus, dass Versicherungsgesellschaften nur bereit seien, den Inhalt eines Tresors der Sicherheitsstufe C in Höhe von 30000 DM zu versichern, und bei der Versicherung von Tresoren, die nicht VDMAgeprüft seien, Schwierigkeiten machen könnten; es gebe nämlich Sachversicherer, die Tresore mit dem RAL-Prüfvermerk günstiger versicherten als andere Tresore.

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Allerdings kommen - was auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat - nach allgemeiner Meinung für die Frage, ob eine Sache fehlerhaft ist, nicht nur deren Beschaffenheit, sondern auch ihre Beziehungen zur Umwelt in Betracht, wenn diese nach der Verkehrsanschauung für die Brauchbarkeit und den Wert der Sache von Bedeutung sind und wenn sie in der Beschaffenheit der Sache selbst ihren Grund haben, von ihr ausgehen, ihr auch für eine gewisse Dauer anhaften und nicht lediglich durch Heranziehung von Umständen in Erscheinung treten, die außerhalb der Sache liegen (vgl. BGHZ 70, 47 [49] = LM § 419 BGB Nr. 32 = NJW 1978, 370; Senat, NJW 1972, 1658 = LM § 463 BGB Nr. 18 = WM 1972, 1058; Mezger, in: RGRK, § 459 Rdnr. 5, jeweils m. w. Nachw.). Ob unter diesem Gesichtspunkt die Versicherbarkeit des Tresorinhalts überhaupt als typische Eigenschaft von Tresoren anzusehen ist, bei deren Fehlen diese mangelhaft wären, braucht nicht entschieden zu werden, weil Waren, die in einem Tresor der verkauften Art aufbewahrt werden, unstreitig ohne weiteres bis zu einem Wert von 30000 DM versicherbar sind. Die uneingeschränkte Versicherbarkeit ist jedenfalls keine Eigenschaft, die Tresore der Sicherheitsstufe C nach der Verkehrsauffassung allgemein kennzeichnet. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten sind Tresore dieser Sicherheitsstufe gerade wegen ihrer beschränkten Sicherheitsmerkmale nur bis zu einem begrenzten Warenwert versicherbar.

Der Umstand, dass der verkaufte Tresor nicht das RAL-Gütezeichen trägt, stellt gleichfalls keinen Fehler dar. Das Fehlen einer für die Erteilung des Gütezeichens erforderlichen Prüfung und eines derartigen, die Qualität der gekennzeichneten Ware unterstreichenden Zeichens (vgl. hierzu Baumbach-Hefermehl, WarenzeichenR, 11. Aufl., Vorb. §§ 17 bis 23 WZG Rdnr. 4) könnte, wenn - wie hier - auf die Prüfung und das RAL-Gütezeichen im Vertrag nicht Bezug genommen worden ist, allenfalls dann als Mangel in Betracht kommen, wenn es eine Verkehrsauffassung gäbe, nach der erwartet würde, alle Tresore oder jedenfalls die der Sicherheitsstufe C hätten die Kontrollen und Prüfungen nach Maßgabe der Bestimmungen durchlaufen, die die Gütegemeinschaft, nämlich die Forschungs- und Prüfgemeinschaft Geldschränke und Tresoranlagen e. V. im VDMA, zur Sicherung der von ihr aufgestellten Gütebedingungen geschaffen hat. Eine solche Verkehrsauffassung ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch von der Revision geltend gemacht.

Soweit möglicherweise einzelne Sachversicherer Tresore mit dem RALGütezeichen günstiger als andere Tresore versichern, vermag dies entgegen der Auffassung der Revision ebenfalls keinen Mangel des verkauften Tresors zu begründen. Da diese Übung nach dem eigenen Vorbringen der Revision nicht allgemein gepflogen wird, kommt ihr für die Brauchbarkeit und den Wert eines nicht mit dem RAL-Gütezeichen versehenen Tresors keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.

bb) Das GerBer. hat auch darin recht, dass hinsichtlich der Versicherbarkeit des Tresorinhaltes die tatsächliche Beschaffenheit des verkauften Tresors keine ungünstige Abweichung von der vertraglich vorausgesetzten Beschaffenheit aufweist. Was als vertraglich vorausgesetzte Beschaffenheit anzusehen ist, bestimmt sich nicht nach den einseitigen Erwartungen des Käufers. Vielmehr ist eine Willenseinigung beider Vertragsteile dahin erforderlich, dass die Kaufsache zu einem bestimmten Zweck geeignet sei oder bestimmte Eigenschaften besitzen müsse, wobei allerdings der beiden Teilen bekannte Verwendungszweck bzw. die betreffende Eigenschaft auch stillschweigend im Sinne einer solchen Willenseinigung zur Vertragsgrundlage gemacht werden kann (Senat, LM vorstehend Nr. 10). Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Ihre Anwendung auf den konkreten Fall lässt Rechtsfehler nicht erkennen.

Das Berufungsgericht hat festgestellt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne nicht davon ausgegangen werden, dass über die Versicherbarkeit des Tresorinhaltes bei den Vertragsverhandlungen gesprochen worden sei. Diese Feststellung greift die Revision nicht an, so dass es an einer ausdrücklichen Einigung darüber, der Inhalt des Tresors müsse über einen Warenwert von 30000 DM hinaus versicherbar sein, fehlt.

Es kann sich demnach nur noch die Frage stellen, ob - was offensichtlich die Revision geltend machen will - die Willensübereinstimmung über den Zweck des Kaufes, nämlich den Tresor in einem Juweliergeschäft zu verwenden, stillschweigend die Einigung über eine nicht auf 30000 DM beschränkte Versicherbarkeit des Tresorinhaltes einschloss. Dies hätte indessen vorausgesetzt, dass dem Zeugen P die etwaige Absicht des Beklagten, den Inhalt des Tresors überhaupt zu versichern, bekannt gewesen wäre. Davon konnte sich das Berufungsgericht jedoch nicht überzeugen, weil es - von der Revision unangefochten - aufgrund des Sachvortrages der Kläger davon ausging, dass es kleinere Juweliere und Goldschmiede gibt, die von vornherein auf die Versicherung ihres Warenbestandes verzichten. Diese Feststellung steht auch der von der Revision vertretenen Auffassung entgegen, der Zeuge P habe erkennen müssen, dass der Beklagte den Tresorinhalt versichern wolle.

Das Berufungsgericht hat als Ergebnis der Beweisaufnahme festgestellt, dass der Beklagte die behauptete Zusicherung des Zeugen P, der Tresor der Sicherheitsstufe C sei für die Aufbewahrung für versicherbare Warenwerte von mehr als 100000 DM geeignet, nicht bewiesen habe. Gegen diese rechtsirrtumsfrei getroffene Feststellung wendet sich die Revision nicht. Sie weist jedoch darauf hin, seit Einführung des Gütesicherungsverfahrens für Tresore der Sicherheitsstufe C im Jahre 1979 dürften nur diejenigen Tresore mit der Sicherheitsstufe C bezeichnet werden, die das Prüfverfahren der Forschungs- und Prüfgemeinschaft Geldschränke und Tresoranlagen e. V. bestanden hätten; die der Prüfgemeinschaft nicht angehörende Kläger sei somit nicht berechtigt, ihre Tresore als den Sicherheitsstufen des Gütesicherungsverfahrens entsprechend zu vertreiben. Damit will die Revision offensichtlich geltend machen, die Kläger habe dadurch, dass sie den verkauften Tresor als der Sicherheitsstufe C angehörend bezeichnet hat, zugesichert, der Tresor habe das Prüfverfahren der Gütegemeinschaft durchlaufen und entspreche daher deren Prüfungsvorschriften.

Dem kann nicht gefolgt werden. Nach den VDMA-Einheitsblättern, die schon vor Einführung des Gütesicherungsverfahrens für die Sicherheitsstufe C herausgegeben wurden, hängt - wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang festgestellt hat - die Einordnung in die Sicherheitsstufe C nur von bestimmten Konstruktionsmerkmalen, nicht aber vom Durchlaufen eines Prüfverfahrens ab. Diese tatsächliche Feststellung ist mit einer Verfahrensrüge nicht angegriffen und daher für das RevGer. bindend.

III. 1. Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Beklagten der unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluss geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht zu, weil der Zeuge P keine dem Beklagten gegenüber obliegende Aufklärungspflicht verletzt habe. Für den Zeugen sei es nämlich nicht offensichtlich gewesen, dass eine über einen Warenwert von 30000 DM hinausgehende Versicherbarkeit des Tresorinhaltes für den Kaufentschluss des Beklagten von entscheidender Bedeutung gewesen sei.

2. Auch diese Ausführungen der Vorinstanz halten einer rechtlichen Nachprüfung stand. Eine allgemeine Rechtspflicht, den Vertragspartner über alle Umstände aufzuklären, die auf seine Entschließung Einfluss haben könnten, gibt es nicht. Eine Aufklärungspflicht lässt sich immer nur aus besonderen Gründen anhand der Umstände des Einzelfalles bejahen (Senat, NJW 1983, 2493 = LM § 123 BGB Nr. 64 = WM 1983, 1006 [1007] m. w. Nachw.). Die Rechtsprechung hat eine derartige Pflicht aus den konkreten, zwischen den Partnern bestehenden Vertragsbeziehungen dann abgeleitet, wenn das Verschweigen von Tatsachen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen würde und der Erklärungsgegner die Mitteilung der verschwiegenen Tatsache nach der Verkehrsauffassung erwarten durfte (Senat, NJW 1983, 2493 = LM § 123 BGB Nr. 64 = WM 1983, 1006 [1007] m. w. Nachw.). Eine solche Situation kann beim Kaufvertrag gegeben sein, wenn dem Käufer unbekannte Umstände vorliegen, die - für den Verkäufer erkennbar - für den Willensentschluss des Käufers von wesentlicher Bedeutung sind (Senat, WM 1972, 854 [855]; BGH, WM 1978, 1082 [1085 unter b] = LM § 276 [Fa] BGB Nr. 51 [L]; NJW 1979, 2243 = LM § 123 BGB Nr. 54 = WM 1979, 696). Dies gilt im besonderen Maße, wenn der Verkäufer aufgrund seiner Fachkunde gegenüber dem Käufer eine besondere Vertrauensstellung einnimmt (Senat, NJW 1971, 1795 [1799] = LM § 123 BGB Nr. 42; BGH, WM 1978, 1073 [1074] = LM § 123 BGB Nr. 50; Hiddemann, Sonderbeil. Nr. 5/1982 zu WM Nr. 28, S. 23).

Das Berufungsgericht hat eine Aufklärungspflicht des Zeugen P unter Anwendung der vorerwähnten Grundsätze rechtsirrtumsfrei verneint. Es hat zutreffend darauf abgestellt, ob für den Zeugen erkennbar war, dass gerade die Versicherbarkeit eines über 30000 DM hinausgehenden Warenwertes für den Kaufentschluss des Beklagten von Bedeutung war. Die Verneinung dieser Frage durch das Berufungsgericht wird von der Feststellung getragen, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne nicht davon ausgegangen werden, dass überhaupt über die Versicherbarkeit des Tresors gesprochen worden sei.

Andere Umstände, aufgrund derer sich der Zeuge P hätte sagen müssen, für den Beklagten sei die uneingeschränkte Versicherbarkeit des Tresorinhaltes Voraussetzung für den Vertragsschluss, sind nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung der Revision zwingt der Umstand, dass der Warenwert eines Juweliers üblicherweise weit über 30000 DM liege, nicht zu einer solchen Annahme. Im vorliegenden Falle geht es allein um die Versicherbarkeit der im Tresor aufzubewahrenden Ware. Die Tatsache, dass Juweliere ständig - auch nachts - Schmuckstücke in Schaufenstern und Vitrinen präsentieren, verdeutlicht indessen, dass sie üblicherweise nicht ihren gesamten Warenbestand in Tresore einlagern und als Tresorinhalt versichern.