Kanalisation

Zur Frage eines Vertragsschlusses durch schlüssiges Verhalten, wenn ein Grundstückseigentümer fortfährt, seine Abwasser in eine gemeindliche Kanalisation zu leiten, nachdem deren Benutzung statt bisher öffentlich-rechtlich nunmehr privatrechtlich geregelt worden ist.

Zum Sachverhalt: Der kl. Verbandsgemeinde obliegt in ihrem Gebiet, zu dem die Ortsgemeinde M. gehört, die Entwässerung der Grundstücke. Sie nimmt diese Aufgabe durch ihre Verbandsgemeindewerke auf der Grundlage der am 1. 1. 1976 in Kraft getretenen Allgemeinen Abwasserbeseitigungssatzung wahr: Darin ist ein Anschluss- und Benutzungszwang angeordnet. In § 10 der Satzung ist vorgesehen, dass die Verbandsgemeinde das Verhältnis zu den privatrechtlich regelt, wobei Allgemeine Bedingungen über die Entwässerung der Grundstücke gelten sollen. Nach § 11 erhebt die Verbandsgemeinde für die Herstellung und den Ausbau der Abwasseranlage Baukostenzuschüsse. Die Bedingungen sind mit ihren Anlagen am 1. 1. 1977 in Kraft getreten. Zum Vertragsabschluss und zu den Baukostenzuschüssen ist in den Bedingungen ausgeführt:

Voraussetzungen und Verfahren für einen Vertragsabschluss.

Das Abwasserbeseitigungsunternehmen schließt auf Antrag zu den nachstehenden Bedingungen einen Abwasserbeseitigungsvertrag mit den Anschluss- berechtigten bzw. Anschlussverpflichteten ab, wenn die Voraussetzungen der Satzung über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluss an die Abwasserbeseitigungsanlage vorliegen. Jede Abwassereinleitung gilt als Anerkennung dieser Abwasserbeseitigungsbedingungen.

Der Antrag auf Abschluss eines Abwasserbeseitigungsantrages muss auf einem besonderen Vordruck gestellt werden, der bei dem ABU erhältlich ist. Mit der Unterzeichnung des Antrages erkennt der Antragsteller die jeweils gültigen Abwasserbeseitigungsbedingungen als Vertragsinhalt an. Durch die Annahme des Antrages, die auch durch die Genehmigung des Anschlusses durch das ABU erfolgt, kommt der Vertrag zustande, der ein bis zu seiner rechtmäßigen Beendigung dauerndes, einheitliches Rechtsverhältnis begründet.

Für die Herstellung eines unmittelbaren oder mittelbaren Anschlusses an die Abwasserbeseitigungsanlagen ist von dem Anschlussberechtigten bzw. Anschlussverpflichteten ein Baukostenzuschuss nach Maßgabe der Anlage 2 zu diesen ABB zu entrichten.

Die Anlage 2 zu den Bedingungen enthält folgende Regelung:

Vor Herstellung eines unmittelbaren oder mittelbaren Anschlusses an die Abwasserleitung sind vom Anschlussnehmer Baukostenzuschüsse zu zahlen...

Der Baukostenzuschuss beträgt bei einem Anschluss an die Abwasserleitung ohne Gesamtkläranlage 500 DM Grundbetrag zuzüglich 1 DM/qm Grundstücksfläche und bei einem Anschluss an eine Abwasserleitung mit zentraler Kläranlage 1100 DM Grundbetrag zuzüglich 2 DM/qm Grundstücksfläche.

Wird ein Ortsnetz oder Teile eines Ortsnetzes an eine Gesamtkläranlage angeschlossen, haben die Grundstückseigentümer bereits angeschlossener Grundstücke einen weieren Grundbetrag in Höhe von 500 DM sowie 1 DM/qm Grundstücksfläche für die Errichtung dieser Anlage zu zahlen.

Die Grundstücke des Beklagten liegen in den Ortsgemeinde M M, deren Rechtsnachfolger die Kläger ist, war bis zum 31. 12. 1974 eine selbständige Gemeinde. Sie hatte in den Jahren 1971 bis 1975 zur Abwasserbeseitigung ein Kanalisationssystem gelegt, an das auch die Grundstücke des Beklagten angeschlossen waren. Die Benutzung der Einrichtung war öffentlichrechtlich geregelt; ein Baukostenzuschuss wurde von den Benutzern nicht erhoben. Die Kläger hat in der Zeit von 1976 bis 1978 den Sammler und die Zentralkläranlage erstellt und die betriebsfertige Herstellung der „Kanalisation einschließlich Gesamtkläranlage am 22.9. 1978 öffentlich bekannt gemacht. Die Kläger hat von dem Beklagten einen Baukostenzuschuss in Höhe von 6386 DM verlangt, den sie nach § 1 II lit. b Anlage 2 ABB bemessen hat. Sie ist der Auffassung, diese Bestimmung greife ein, weil auch die Abwasseranlage in der Ortsgemeinde M. aufgrund eines Gesamtplanes erstellt worden sei. Der Beklagte könne sich nicht auf einen fehlenden Vertragsabschluss berufen Zwar habe er den Anschluss an die Abwasseranlage nach der öffentlichen Bekanntmachung der Fertigstellung nicht beantragt. Er sei jedoch dazu verpflichtet und habe die Bedingungen auch dadurch anerkannt, dass er sein Abwasser in die Kanalisation einleite. Nachdem der Beklagte im Verlauf des ersten Rechtszuges die Hälfte des verlangten Betrages beglichen hat und die Parteien insoweit übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt haben, hat die Kläger zuletzt die Zahlung von 3193 DM nebst Zinsen verlangt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat die Kläger in erster Linie ihren bisherigen Zahlungsanspruch weiterverfolgt. Hilfsweise hat sie beantragt, den Beklagten zu verurteilen, den in § 9 der Satzung vorgesehenen Antrag zu stellen und den geforderten Betrag zu zahlen sowie den Rechtsstreit an das VG zu verweisen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung hinsichtlich des Hauptantrages und des ersten Hilfsantrages zurückgewiesen und im Übrigen den Rechtsstreit an das VG verwiesen. Es hat ausgeführt, dass ein Vertrag über die Abwasserbeseitigung zwischen den Parteien nicht abgeschlossen worden sei, da der Beklagte den in § 9 der Satzung und § 1 ABB vorgesehenen schriftlichen Antrag nicht gestellt habe. Aufgrund des ausdrücklich vorgeschriebenen Formerfordernisses habe ein Vertrag auch nicht durch schlüssiges oder sozialtypisches Verhalten zustande kommen können.

Die Revision hatte im Ergebnis teilweise Erfolg.

Aus den Gründen:... II. Die Kläger kann über den vom Beklagten gezahlten Betrag hinaus keinen weiteren Baukostenzuschuss verlangen. Dies ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass zwischen den Parteien ein Vertrag über die Abwasserbeseitigung nicht zustande gekommen ist. Dieser Annahme des Berufungsgerichts kann nicht gefolgt werden.

Der Beklagte hatte seit dem Anschluss seiner Grundstücke an die Kanalisation Abwasser eingeleitet und die zunächst nach der gemeindlichen Satzung dafür festgelegten Gebühren bezahlt. Nachdem die Kläger die Verhältnisse zu den Anschlussnehmern durch die am 1. 1. 1976 in Kraft getretene Satzung und die später von ihr aufgestellten Allgemeinen Bedingungen auf privatrechtlicher Grundlage geregelt hatte, hat der Beklagte auch weiterhin die Kanalisation benutzt und das nunmehr zu entrichtende Abwasserentgelt ohne Widerspruch bezahlt. Dieses Verhalten kann nur dahin ausgelegt werden, dass der Beklagte durch schlüssiges Handeln das Vertragsangebot der Kläger angenommen hat, das darin liegt dass sie die Kanalisation weiterhin dem Beklagten zur Benutzung zur Verfügung stellte.

Zu Unrecht sieht sich das Berufungsgericht an der Annahme eines solchen formlosen Vertrages durch § 1 ABB gehindert, weil diese Bestimmung für den Vertragsabschluss einen schriftlichen Antrag nach § 9 der Satzung voraussetze. § 1 ABB hat für die an einen Vertragsabschluss zu stellenden Anforderungen keine zwingende Bedeutung, weil die ABB als Allgemeine Vertragsbedingungen erst mit Abschluss eines Vertrages Geltung gewinnen und deshalb die Erfordernisse dafür nicht selbst festlegen können. § 1 ABB kann insoweit nur zur Auslegung der Erklärungen der Kläger herangezogen werden, die sich auf einen Vertragsabschluss beziehen Dabei ergibt sich aus § 1 I 2 ABB die grundsätzliche Bereitschaft der Kl, einen Vertrag über die Abwasserbeseitigung unter Umständen auch formlos zu vereinbaren.

Auch das Fehlen eines schriftlichen Antrags nach § 9 der Satzung steht der Annahme eines Vertrages nicht entgegen, da der Beklagte nach dieser Vorschrift nicht verpflichtet war, einen solchen Antrag zu stellen. Das Berufungsgericht hat seine gegenteilige Auffassung nicht näher begründet. Seine Ansicht findet in den Satzungsbestimmungen, die hier frei anzulegen sind, keine Grundlage.