Kauf von GmbH-Anteilen

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen auf den Kauf von GmbH-Anteilen die Vorschriften über die Sachmängelhaftung ent- . sprechende Anwendung finden.

Anmerkung: Die für die vorgenannte Entscheidung des VIII. Zivilsenates des BGH maßgebliche Frage, ob auf den vollständigen oder teilweisen Kauf eines in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Unternehmens die Vorschriften der Sachmängelhaftung (§§ 459ff. BGB) oder der Rechtsmängelhaftung (§§ 437ff., § 440 i. V. mit §§ 323ff. BGB) Anwendung finden, ist insbesondere im Schrifttum seit langem heftig umstritten. Neben den angeführten Übersichten über den Meinungsstand etwa bei Loos (NJW 1962, 519), Wiedemann (Festschr. f. Nipperdey I, 1965, 815), Neumann Duesberg (WM 1968, 494 und 1969, 1002) und Huber (ZGR 1972, 395) sei auf die im Urteil noch nicht berücksichtigte, 1975 erschienene Monographie von Hommelhoff (Die Sachmängelhaftung beim Unternehmenskauf) verwiesen. Praktische Bedeutung gewinnt die vorgenannte Streitfrage -und in diesem Zusammenhang beschäftigt sie insbesondere die Rechtsprechung - vor allem bei der Verjährung. Wendet man auf den Kauf eines in der Rechtsform einer GmbH betriebenen Unternehmens die Vorschriften der Sachmängelhaftung (§§ 459 ff. BGB) an, so führt dies fast zwangsläufig auch zu der Annahme einer sechsmonatigen Verjährung der Gewährleistungsansprüche (§ 477 BGB), eine Regelung, die angesichts des Umstandes, dass die ohnehin sehr kurze Verjährungsfrist ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Mangels bereits mit der Ablieferung (Übertragung des Unternehmens) beginnt und Mängel eines Unternehmens sich vielfach erst nach längerer Zeit in ihrem vollen Umfange und in ihren Auswirkungen sicher beurteilen lassen, den Käufer u. U. erheblich beeinträchtigen kann, Dass die in § 477 BGB normierte Regelung, soweit sie hinsichtlich des Fristbeginns an die Ablieferung der Kaufsache und die damit regelmäßig gegebene Möglichkeit einer alsbaldigen Überprüfung anknüpft, für die Übertragung eines so, komplexen Vermögensinbegriffs wie den eines kaufmännischen Unternehmens nicht zugeschnitten ist, liegt auf der Hand; gleichwohl ist die Anwendung auch der Verjährungsregelung, nachdem die Rechtsprechung den Unternehmenskauf als einheitlichen Sachkauf angesehen hat, nur konsequent. Neben der Verjährung gewinnt die vorgenannte Streitfrage aber auch Bedeutung dafür, ob dem Käufer im Hinblick auf die für die Sachmängelhaftung abschließende Regelung in §§ 459 ff. BGB die Berufung auf ein Verschulden bei Vertragsschluss verwehrt ist (BGHZ 60, 319 = vorstehend Nr. 33) und er Schadensersatz wegen Nichterfüllung neben dem arglistigen Verschweigen eines Mangels nur bei Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft (§ 480 I BGB) - insoweit aber auch ohne ein Verschulden des Verkäufers - verlangen kann.

Die sich aus dem Gesetzeswortlaut und der Rechtsform der GmbH als einer juristischen Person an sich ergebende rechtliche Einordnung liegt auf der Hand. Da sich die Übernahme eines solchen Unternehmens durch Erwerb der Mitgliedschaftsrechte vollzieht und der Mangel - im vorliegenden Fall die Abweichung der tatsächlichen Vermögenslage des Unternehmens von dem Vertrag zugrundegelegten und als richtig zugesicherten Status - nicht den einzelnen Mitgliedschaftsrechten, sondern dem Unternehmen selbst anhaftet, auf das die Mitglieder (Gesellschafter) nur nach Maßgabe der ihnen durch Gesetz und Satzung eingeräumten Befugnisse einwirken können, sind für die Haftung grundsätzlich die §§ 437ff. i. V. mit §§ 323ff. BGB maßgebend. Etwas anderes würde bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise - und darin sind sich allerdings Rechtsprechung und Schrifttum nunmehr einig - nur dann gelten, wenn der Käufer mit dem Erwerb aller Mitgliedschaftsrechte das Unternehmen insgesamt - wenn auch u. U. nicht in einem Akt, sondern sich zeitlich stufenweise vollziehend - erwirbt. Die zur Durchgriffshaftung bei der Einmann-GmbH entwickelten Grundsätze (BGHZ 22, 226 = Nr. 1 zu § 13 GmbHG) bieten sich insoweit als vergleichbar an. Entsprechendes müsste schließlich dann maßgebend sein, wenn ein Käufer - bisher selbst schon Gesellschafter der GmbH - die restlichen Anteile käuflich erwirbt, um dann die Gesellschaft allein zu betreiben.

Von diesen Grundsätzen geht die Rechtsprechung aus. So hat das RG, nachdem es sich zunächst auf einen streng formellen Standpunkt gestellt und die Gewährleistung ausnahmslos nach § 437 BGB bemessen hatte (RGZ 59, 240; 86, 146), vor allem seit der Entscheidung RGZ 120, 283 (vgl. auch RGZ 122, 378 und 150, 397) den Erwerb sämtlicher Mitgliedschaftsrechte der Sachmängelhaftung unterstellt. Dem ist der BGH in zwei Entscheidungen vom 16. 10. 1968 (= Nr. 31 zu § 433 BGB) und vom 27. 2. 1970 (WM 1970, 819) gefolgt, wobei er es in dem letztgenannten Urteil bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise als unbeachtlich bezeichnet hat, dass ein verschwindend geringer Teil von 0,2 bzw. 0,25% der Geschäftsanteile beim Verkäufer verblieb. Dagegen hat sich das Schrifttum in seiner Mehrheit für eine weitergehende Heranziehung der für den Käufer insgesamt günstigeren Vorschriften über die Sachmängelhaftung ausgesprochen, WQbei die Meinungen breit gestreut differieren und teilweise bereits der Erwerb einer Sperrminorität von 25% für ausreichend gehalten wird, während andere eine entsprechende Anwendung der §§ 459 ff. BGB auf Fälle beschränken wollen, in denen der vom Kauf ausgesparte Rest zu einer quantit6 n6gligeable zusammenschrumpft (s. Wiedemann, S. 836).

Dem VIII. Zivilsenat lag nunmehr ein Fall zur Entscheidung vor, in dem der Käufer 49% der Geschäftsanteile - zuzüglich einer Option auf weitere 1% - erworben hätte und durch Stimmrechtsvereinbarung von vorneherein eine Parität beider Gesellschaftergruppen sichergestellt war. Der Senat hält dabei - abweichend von der Entscheidung des Berufungsgerichts - an der überkommenen Rechtsprechung fest; nach der für den Kauf von GmbH-Anteilen grundsätzlich die Vorschriften über die Rechtsmängelhaftung maßgebend sind und eine Heranziehung der §§ 459 ff. BGB nur ausnahmsweise dann in Betracht kommt, wenn sich der Kaufvertrag sowohl nach den Vorstellungen der Parteien als auch objektiv nach der Verkehrsauffassung als Kauf des von der GmbH betriebenen Unternehmens darstellt. Dass der Käufer auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsmängelhaftung nicht rechtlos gestellt wird, ,hat dabei der Senat unter Hinweis auf die Möglichkeit, zugesicherte Eigenschaften zum Gegenstand einer besonderen Garantieabrede zu machen, den Vertrag gegebenenfalls wegen Irrtums über verkehrswesentliche Eigenschaften (§ 119 II BGB) anzufechten und Schadensersatz wegen Verschuldens bei Vertragsschluss zu fordern, im einzelnen dargelegt. Von dem vorgenannten Ausgangspunkt war die Entscheidung des Rechtsstreits im Hinblick darauf, dass die Käuferin angesichts ihres Anspruchs auf Übertragung nur der Hälfte der Gesellschaftsanteile zwar nicht überstimmt werden, aber auch ihre Vorstellungen nicht gegen den Willen der anderen Gesellschafter durchsetzen konnte, zwingend.

Über die weitere Frage, wie zu entscheiden wäre, wenn der Käufer - gegebenenfalls unter Einschluss bereits in seiner Hand befindlicher Anteile - mehr als die Hälfte und weniger als alle Anteile erworben hätte, hatte der Senat nicht zu befinden. Er lässt diese Frage - letztlich ein Problem der am Gebot der Rechtssicherheit orientierten sinnvollen Abgrenzung - auch ausdrücklich offen, doch geben die Entscheidungsgründe Anhaltspunkte für die Fortentwicklung der bisherigen Rechtsprechung in diesem Bereich. Entscheidender Ausgangspunkt ist für den VIII. Zivilsenat die Erwägung, dass nicht bereits der Erwerb von Teilen eines Unternehmens zur Sachmängelhaftung führt, sondern dass die Außerachtlassung der personen- und vermögensrechtlichen Verselbständigung der GmbH als einer juristischen Person, die auf der anderen Seite die Haftungsbeschränkung für, die sie tragenden Gesellschafter rechtfertigt, immer nur dann angezeigt ist, wenn die Verkehrsanschauung den Verkauf als den Erwerb des Unternehmens insgesamt ansieht. Das wird regelmäßig dann der Fall sein, wenn subjektiv auf Seiten des Käufers nicht die Kapitalanlage, sondern der Wunsch nach unternehmerischer Beteiligung im Vordergrund steht. Ob diese Voraussetzungen bereits bei einfacher Mehrheit gegeben sind, dürfte angesichts der erheblichen Befugnisse einer Sperrminorität (§ 53 II GmbHG) mehr als zweifelhaft sein. Aber auch dann, wenn eine verbleibende Minderheit von 10% (§ 50 I GmbHG) in der Lage ist, unternehmerische Entscheidungen zumindest zu verzögern und zu erschweren, wird die Verkehrsanschauung in dem Erwerb der Mitgliedschaftsrechte de facto noch keinen Kauf des Unternehmens insgesamt sehen. Nur bei dem Verbleib eines fremden Restes unterhalb dieser Grenze scheint mir daher eine Heranziehung der Vorschriften über die Sachmängelhaftung gerechtfertigt zu sein, wobei zu erwägen wäre, ob im Interesse der Rechtssicherheit nicht auf einen einheitlich festgelegten Grenzwert (z. B. 90%) abzustellen wäre und die Besonderheiten des Einzelfalles - etwa ein im Zeitpunkt des Vertragsschlusses voraussehbarer Widerstand der verbleibenden Minderheit gegen unternehmerische Entscheidungen - unberücksichtigt bleiben sollte.