Kind

Entgegen der Meinung des Berufsgericht hat der Senat in seinen wiederholt genannten Grundsatzurteilen nicht zum Ausdruck bringen wollen, dass der Anspruch der Eltern auf Unterhaltsersatz davon abhängig sein solle, ob das Kind, was ihre innere Einstellung zu ihm betrifft, unerwünscht bleibt oder zu einem unerwünschten Kind geworden ist. Auch nicht andeutungsweise ist die Rede davon, es sei davon auszugehen, dass bei unerwünschten Schwangerschaften in der Regel die Kinder unerwünscht in diesem Sinne blieben. Es geht in diesem Zusammenhang nicht um die, wie dem Berufsgericht ohne weiteres zuzugeben ist, natürliche, elementare und wünschenswerte Einstellung der Eltern zu ihrem Kind, das sie als solches annehmen, wenn es nun einmal entgegen ihrer Planung existiert. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang allein die haftungsrechtliche Zurechnung der wirtschaftlichen Belastung durch das Kind zu der Vertragsverletzung des Arztes angesprochen. Sie kann im Einzelfall fehlen, wenn der innere Grund dieser Zurechnung, nämlich die Störung der Familienplanung, nachträglich weggefallen ist. Der Streitfall nötigt nicht dazu, hierfür Fallbeispiele anzuführen. Nach alledem geht die Befürchtung des Berufsgericht, dem ungestörten Eltern-Kind-Verhältnis werde entgegengewirkt, wenn eine seiner Ansicht nach zur Aufrechterhaltung des Anspruchs erforderliche äußerliche Distanzierung von dem Kind mit erheblichen Geldansprüchen belohnt werde, ins Leere.

Das Berufsgericht meint weiter, rechtliche Schwierigkeiten der Begründung und Ausgestaltung eines Schadensersatzanspruches der Eltern, die nicht befriedigend zu lösen seien, müßten dazu führen, einen solchen Anspruch zu versagen oder sich womöglich einer positiven Entscheidung in dieser Richtung zu enthalten. Die von ihm dafür angeführten Gründe sind nicht neu; sie vermögen den Senat ebenfalls nicht davon zu überzeugen, dass seine bisherige Rechtsprechung einer Änderung bedarf.

Die Tatsache, dass die Existenz des Kindes notwendige Voraussetzung für die Unterhaltsbelastung der Eltern und damit für den Schadensersatzanspruch ist, nötigt nicht dazu, das Haben des Kindes selbst als Schaden zu betrachten. Die Person des Kindes ist kein Posten, der in eine Schadensbilanz eingestellt werden könnte; eine solche Wertung verbietet sich. Indessen entsteht mit der Geburt des Kindes die Verpflichtung der Eltern, für dessen Unterhalt aufzukommen. Das freilich ist ein Posten, der die Vermögensbilanz der Eltern belastet. Nach Ansicht des Senats muss juristisch das Kind nicht als Schadensfall betrachtet werden, um, wie auch in anderen Rechtsbeziehungen, die Unterhaltsleistung für das Kind als Schaden der Eltern anzusehen, nämlich als Belastung mit einer Verbindlichkeit. Damit ist nur die wirtschaftliche Seite des Lebenssachverhalts erfasst. Sie ist, wie jedermann einsichtig sein sollte, für die Betroffenen von Gewicht und muss deshalb einer schadensrechtlichen Betrachtung zugänglich sein. Vorsichtige Parallelen zum Schadensersatz für einen aufgedrängten Wertgegenstand hat der Senat nur gezogen, um allgemein darauf hinzuweisen, dass es auch sonst schadensrechtliche Zusammenhänge gibt, in denen der Schaden nicht vom Haben des Gegenstandes abgeleitet wird. Wie der Senat seinerzeit weiter ausgeführt hat, liegen die besonderen Schwierigkeiten der Entscheidung nicht in der begrifflichen Einordnung in schadensrechtliches Denken, sondern in der Überschneidung schadensrechtlicher und familienrechtlicher Elemente und Wertungen. Das verlangt eine Abschichtung schadensrechtlicher Inhalte in Anpassung an das vorhandene Rechtssystem, das richterlicher Wertung insoweit zugänglich ist. Der Senat hält seine Wertentscheidung nach wie vor für zutreffend. Nach seiner Überzeugung würde es auch rechtsdogmatisch größere Schwierigkeiten machen zu begründen, weshalb vertragliche Verletzungen und unerlaubte Handlungen in den hier fraglichen Fällen folgenlos bleiben sollen.

Der Senat hält ferner an seiner Auffassung fest, dass es den Eltern nicht zuzumuten ist, das Kind im Rahmen einer Schadensminderungspflicht zur Adoption freizugeben. Die Person des Kindes darf unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zum Objekt von Vermögensdispositionen gemacht werden; sie kann auch der Schädiger nicht verlangen. Insoweit bedarf es, wie der Senat meint, keiner zusätzlichen Begründung oder Klarstellung. Die Ansicht des Berufsgerichts verträgt sich auch kaum mit seiner durchaus zutreffenden Bewertung des Eltern-Kind-Verhältnisses überhaupt; sie ist offenbar auch eine mehr theoretische Erwägung des Berufsgerichts.

Dasselbe gilt für die Erwägung des Berufsgerichts zum Vorteilsausgleich im Hinblick auf mögliche spätere Unterhaltspflichten des Kindes seinen Eltern gegenüber. Eine glatte dogmatische Lösung der im Zusammenhang mit neuen sozialen Sachverhalten auftauchenden neuen Rechtsprobleme ist ohnehin nicht möglich. Dem Schädiger geschieht durch die vom Senat für richtig gehaltene Entscheidung schwerlich Unrecht.

Nichts anderes gilt für die Kritik des Berufsgerichts an der Begrenzung der Höhe des Unterhaltsanspruchs in Fällen fehlgeschlagener Familienplanung. Auch insoweit hat der Senat im Schnittpunkt von schadensrechtlichen und familienrechtlichen Problemen eine Wertentscheidung getroffen, die er im Rahmen der ihm aufgetragenen Rechtsfortbildung für rechtsdogmatisch vertretbar hält und an der er aus den seinerzeit dargelegten Gründen festhält. Wenn das Berufsgericht der Höhe nach weitergehende Ansprüche befürwortet, dürfte es übrigens unter diesem Gesichtspunkt nicht schon den Anspruchsgrund verneinen.

Rechtliche und praktische Schwierigkeiten bei der Feststellung der Kausalität unterlassener Belehrung über die Sicherheit empfängnisverhütender Maßnahmen sind entgegen der Ansicht des Berufsgerichts nicht unüberwindbar. Der Senat hat auch insoweit bereits Grundfragen geklärt.

Das Berufsgericht stellt schließlich Überlegungen dazu an, in welchen anderen Fällen als Folge der Senatsrechtsprechung Schadensersatzansprüche wegen missglückter Empfängnisverhütung gewährt werden müssten, und meint abschließend, die von ihm dazu entwickelten Prognosen sollten schrecken. Der Senat hat zu einem Teil der vom Berufsgericht angesprochenen Fälle bereits Entscheidungen treffen müssen. Im übrigen besteht für den Senat kein Anlass, sich anhand des Streitfalles zur Problematik und zur möglichen Entscheidung theoretischer Fallgestaltungen, deren Sachverhalt unter Umständen entscheidend anders gelagert ist, zu äußern.

Soweit das Berufsgericht einen Anspruch der Mutter auf Zahlung eines Schmerzensgeldes zum Ausgleich für die Belastungen einer ungewollten Schwangerschaft mit der Erwägung ausschließen will, die Schwangerschaft müsse aus Achtung vor dem Lebensinteresse des Kindes akzeptiert werden, wird auf die Ausführungen unter 1 verwiesen. Auch insoweit beeinträchtigt die Inanspruchnahme des die Familienplanung durchkreuzenden Schädigers keine Rechtspositionen des Kindes, das davon nicht berührt wird. Im übrigen hält der Senat auch zu dieser Frage an seiner Rechtsprechung fest.

Da es mithin für die Entscheidung des Rechtsstreits auf den Vortrag der Klägerin zum Vorliegen eines Behandlungsfehlers und zur fehlenden Belehrung über das Versagerrisiko ankommt, Feststellungen des Berufsgericht dazu indessen bisher fehlen, muss die Sache aufgehoben und an das Berufsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.