Klageerhebung

1. Wird bei einer selbstschuldnerischen Zeitbürgschaft dem Bürgen rechtzeitig die Inanspruchnahme angezeigt, dann besteht seine Haftung nach § 777 II BGB fort; es bedarf zur Erhaltung der Rechte des Gläubigers keiner unverzüglichen Klageerhebung gegen den Bürgen.

2. Zur Wirkung von Zeitbürgschaften, die im Anschluss an eine Zeitbürgschaft gegeben wurden, aus der dem Bürgschaftsschuldner die Inanspruchnahme durch den Gläubiger rechtzeitig angezeigt worden war.

Zum Sachverhalt: Die Beklagte, die eine Lebensmittelgroßhandlung betreibt, stand im Jahre 1975 zusammen mit dem Ehepaar R (Hauptschuldner) in Verhandlungen mit der kl. Sparkasse, die den Hauptschuldnern einen Kredit zur Eröffnung eines von der Beklagte zu beliefernden Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfts gewähren sollte. Zur teilweisen Absicherung dieses Kredits übernahm die Beklagte am 9. 4. 1975 der Kläger gegenüber eine selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von 100000 DM mit dem Zusatz: Diese Bürgschaft ist befristet bis zum 30. 9. 1975. Der anfängliche Kreditbetrag, von 100000 DM war den Hauptschuldnern von der Kläger vereinbarungsgemäß zum 1. 4. 1975 zur Verfügung gestellt worden. Die Beteiligten hofften in der Folgezeit, dass bis zu dem in der Bürgschaft angegebenen Zeitpunkt die Landesgarantiekasse anstelle der Beklagte eine Bürgschaft für die Hauptschuldner übernehmen würde. Ein entsprechender Antrag ist gestellt worden. Am 17. 9. 1975 teilte die Kläger der Beklagte u. a. mit: Sollte sich die Landesgarantiekasse zu einer Bürgschaftsübernahme nicht bereitfinden, müssen wir weiterhin auf der von Ihnen übernommenen Bürgschaft in Höhe von 100000 DM bestehen. Aus diesem Grunde teilen wir Ihnen bereits heute mit, dass wir Sie aus der bis zum 30. 9. 1975 befristeten Bürgschaft in Höhe von 100000 DM in voller Höhe in Anspruch nehmen werden, sofern zu diesem Zeitpunkt eine Entscheidung durch die Landesgarantiekasse noch nicht gefallen ist. Wir bitten Sie, dies entsprechend zu berücksichtigen. Diesem Schreiben war eine neue Bürgschaftsurkunde beigefügt, in der es hieß: Die Bürgschaft ist befristet bis zum 15. 1. 1976. Die Beklagte gab diese Bürgschaftsurkunde unterschrieben an die Kläger zurück und verlangte die Rückgabe der ersten Bürgschaftsurkunde. Am 8. 1. 1976 schrieb die Kläger wiederum an die Beklagte u. a.: Da die von Ihnen übernommene Bürgschaft in Höhe von 100000 DM bis zum 15. 1. 1976 befristet ist, teilen wir Ihnen heute mit, dass wir Sie aus der befristeten Bürgschaft in Höhe von 100000 DM in voller Höhe in Anspruch nehmen werden, sofern nicht zwischenzeitlich eine positive Entscheidung der Landesgarantiekasse fällt ... fügen wir unserem Schreiben von uns neu vorbereitete Bürgschaftsvordrucke mit der Bitte um Unterzeichnung und Rückgabe an uns bei. Wir haben diese Bürgschaft bis Ende April 1976 befristet. In der Folgezeit gab die Beklagte jeweils in gleicher Weise der Kläger weitere bis zum 30. 4., 30. 6. und 31. 8. 1976 befristete Bürgschaften. Ein weiteres Inanspruchnahmeschreiben der Kläger unter Beifügung einer neuerlichen, bis zum Ende des Jahres 1976 befristeten Bürgschaftsurkunde ist bei der Beklagte nicht eingegangen. Die Beklagte vertrat später die Auffassung, sie sei aus ihrer am 31. 8. 1976 ausgelaufenen Bürgschaftsverpflichtung frei geworden. Die Hauptschuldner fielen im März 1977 in Konkurs. Die Kläger hat in der Folgezeit die Beklagte auf einen Teilbetrag von 10000 DM aus ihrer Bürgschaft verklagt und insoweit rechtskräftig obsiegt (Senat, WM 1979, 833 = LM § 19 HGB Nr. 2). Nunmehr verlangt die Kläger den Restbetrag aus der Bürgschaft in Höhe von 90000 DM.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Im Vorprozess hatte das Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagte nur dann mit einer Entlassung aus ihrer Bürgschaftsverpflichtung habe rechnen können, wenn die Landesgarantiekasse die Absicherung des Kredits übernommen hätte. Daraus hat der erkennende Senat gefolgert, dass in Wirklichkeit keine echte Zeitbürgschaft vorgelegen habe, das Freiwerden von der Bürgenhaftung vielmehr von dem Eintritt einer Bedingung habe abhängen sollen, nämlich von der Absicherung des Kredits durch die Landesgarantiekasse.

Im vorliegenden Verfahren sieht das Berufungsgericht die einzelnen Bürgschaftserklärungen der Beklagte hingegen als echte Zeitbürgschaften nach § 777 BGB an und stellt - abweichend von der Berufungsentscheidung im Vorprozess - nach weiterer Beweisaufnahme fest, dass sich die Parteien keineswegs darüber einig gewesen seien, dass die Beklagte nur nach Absicherung des den Hauptschuldnern gegebenen Kredits durch die Landesgarantiekasse von ihrer Bürgenhaftung frei werden sollte. Bei Abgabe der ersten Bürgschaftserklärung durch die Beklagte am 9. 4. 1975 sei die Übernahme einer Bürgschaft durch die Landesgarantiekasse unstreitig noch nicht Gegenstand der Vertragsverhandlungen der Parteien gewesen.

II. Die Revision hat Erfolg.

1. Geht man mit dem Berufungsgericht in diesem Verfahren davon aus, dass die Beklagte am 9. 4. 1975 sich für die Verbindlichkeit der Hauptschuldner selbstschuldnerisch auf bestimmte Zeit verbürgt hatte, dann konnte sie nur dann nach dem Ablauf der Bürgschaftszeit von ihrer Verpflichtung frei werden, wenn ihr die Kläger als Gläubigerin nicht rechtzeitig Anzeige davon gemacht hatte, dass sie sie als Bürge in Anspruch nehme (§ 777 BGB). Dass dem aus einer selbstschuldnerischen Zeitbürgschaft Verpflichteten der Gläubiger schon vor deren Ablauftermin die Inspruchnahme anzeigen kann, um sich die Rechte aus der Bürgschaft zu erhalten, weil diese Mitteilung den Zweck hat, den Bürgen darüber zu informieren, ob er haften muss, hat der Senat bereits klargestellt (BGHZ 76, 81 = LM vorstehend Nr. 3 = NJW 1980, 830). Die Anzeige der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft vom 9. 4. 1975 hat die Kläger der Beklagte in ihrem Schreiben vom 17. 9. 1975 gemacht. Dass die in diesem Schreiben genannte auflösende Bedingung der Inanspruchnahme, nämlich eine Bürgschaftsübernahme durch die Landesgarantiekasse für die Hauptschuldner, nicht eingetreten ist, ist ebenfalls unstreitig.

2. Geht die Inanspruchnahmeerklärung aus einer selbstschuldnerischen Zeitbürgschaft dem Bürgen rechtzeitig zu, wovon hier auch das Berufungsgericht für alle Bürgschaften der Beklagte bis zu derjenigen einschließlich ausging, die am 30. 6. 1976 ablief, dann dauert seine Bürgschaftsverbindlichkeit wie bei einer unbefristeten Bürgschaft fort, wobei sich allerdings der Umfang seiner Verpflichtung auf ,den Umfang der Hauptschuld im Zeitpunkt des Endtermins der Bürgschaft beschränkt (§ 777 II BGB; Mormann, in: RGRK, 12. Aufl., § 777 Rdnr. 4). Es bedarf dann nicht etwa auch einer unverzüglichen Klageerhebung des Gläubigers gegen den Bürgen (Pecher, in: MünchKomm, § 777 Rdnr. 6). Bei rechtzeitiger Anzeige der Inanspruchnahme aus einer Zeitbürgschaft ist der Bürge deshalb nicht vor einer Erhöhung seines Risikos durch einen erst nach dem Zeitablauf beim Hauptschuldner eintretenden Vermögensverfall geschützt. Befürchtet er solche Nachteile, dann bleibt ihm nur, an den Gläubiger freiwillig zu leisten und seinerseits gegen den Hauptschuldner Rückgriff zu nehmen (§ 774 I BGB; Pecher, in: MünchKomm, § 777 Rdnr. 6).

3. Hieraus folgt, dass schon aufgrund der am 17. 9. 1975 erfolgten Inanspruchnahme aus der Bürgschaft vom 9. 4. 1975, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in diesem Verfahren als echte Zeitbürgschaft von den Parteien gewollt war, die Beklagte ohne weitere zeitliche Befristung in Höhe der Bürgschaftssumme haftete, weil die Höhe der Hauptschuld dem Bürgschaftsbetrag bei Ablauf der Bürgschaftszeit entsprach.

4. Daran änderte der Umstand nichts, dass die Kläger mehrmals neue, befristete Bürgschaftsurkunden übersandte und von der Beklagte unterzeichnen ließ. Damit allein hatte die Kläger ihre Rechte aus der ersten Bürgschaft nicht verloren. Dass sie diese Rechte hätte aufgeben wollen, ist nicht festgestellt und ohne das Vorliegen besonderer Umstände auch nicht anzunehmen, weil eine Bank regelmäßig ein Sicherungsmittel, das sie bereits für einen Kredit erhalten hat, nicht wegen einer anderen eingeschränkten Sicherheit aufgeben will (vgl. dazu Senat, NJW 1979, 646 = LM § 765 BGB Nr. 25 = WM 1978, 1267 [1267]). Rechtlich gesehen bedeuteten die weiteren Bürgschaften, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, deshalb im Ergebnis nichts anderes als eine Stundung der fälligen Schuld aus der Bürgschaft vom 9. 4. 1975. Dann aber wäre es ohne Bedeutung, dass die Kläger die Inanspruchnahme aus der bis zum 31. 8. 1976 befristeten Bürgschaft unterlassen hat.

III. 1. Der Senat konnte in der Sache selbst allerdings noch keine abschließende Entscheidung treffen. Die Beklagte hatte nach ihrer ersten Inanspruchnahme als Bürgin am 17. 9. 1975 zugleich mit der Übersendung der neuen, bis 15. 1. 1976 befristeten Bürgschaftsurkunde die Rückgabe der alten Bürgschaftsurkunde verlangt. Ob die Kläger diesem Begehren entsprochen hat und wie eine etwaige Rückgabe der Bürgschaftsurkunde zu würdigen ist, ist vom Tatrichter bisher nicht geprüft worden. Das muss nachgeholt werden.