Klassenharmonie

Klassenharmonie - Zusammenarbeit von Lohnarbeit und Kapital mit dem Ziel der Klassenaussöhnung, Reformierung des Kapitalismus unter Aufrechterhaltung der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse statt sozialer Revolution. Henry Charles Carey, der den in den kapitalistischen Produktionsverhältnissen wurzelnden antagonistischen Klassengegensatz leugnete, behauptete, dass die fortschreitende kapitalistische Entwicklung von einer steigenden Lohnquote bei relativ sin- kender Profitrate und wachsender Profitmasse begleitet und dies das Gesetz der Verteilung sei, vermöge dessen eine vollkommene Harmonie der reellen und wahren Interessen der verschiedenen Klassen der Menschheit begründet wird. Mit diesem Verteilungsgesetz antwortete auch Frederic Bastiat auf die Kritik der Sozialisten am Konkurrenzkapitalismus. Er erklärte die Interessen des Kapitals und der Arbeit für solidarisch, da Ihr Anteil sich gleichzeitig erhöhe, der der Arbeiter sogar schneller als der des Kapitals. Das sei das große, bewunderungswürdige, tröstliche,notwendige und unabänderliche. Gesetz des Kapitals. Auch John Stuart Mill, der Gesetzmäßigkeiten nur in der Produktion gelten ließ und behauptete: Die Gesellschaft kann die Verteilung der Güter solchen Regeln unterwerfen, wie sie ihr gut dünken, prophezeite einen endgültigen Ausgleich der ökonomischen Lage wirtschaftlich Schwacher und wirtschaftlich Starker vermittels sozialer Reformen. Mit der Vorbereitung einer staatlichen Sozialpolitik, die eine Anpassung der Wirtschaftsordnung an die Forderung des sozialen Ausgleichs bewirken sollte, befasste sich auch der von Vertretern des Kathedersozialismus 1872 gegründete Verein für Sozialpolitik. Aus Gegnerschaft zum Sozialismus wurden daneben von der katholischen und der evangelischen Soziallehre Programme entwickelt, die in den Lehren der Religion die Lösung der volkswirtschaftlichen Probleme und den Plan zur Erneuerung der Gesellschaft im Sinne einer Arbeitsgemeinschaft zwischen Lohnarbeit und Kapital suchen. Als weitere Varianten der Klassenharmonie sind der Gildensozialismus und der Revisionismus zu betrachten, die die Notwendigkeit des Klassenkampfes und der sozialen Revolution leugnen. Unter Verzicht auf die Lösung der kapitalistischen Eigentumsfrage propagieren sie das Hineinwachsen in den Sozialismus auf evolutionärem Wege. Eine Klassenharmonie dieser Art wurde von den deutschen Rechtssozialisten im ersten Weltkrieg als Burgfriedenspolitik in Gestalt von Arbeitsgemeinschaften auf örtlicher Ebene praktiziert, die von November 1918 bis Januar 1924 als Zentrale Arbeitsgemeinschaft zwischen den Spitzenverbänden der Unternehmerorganisation und dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund fortbestanden. Gegenwärtig fordern die der Sozialistischen Internationale angehörenden rechtssozialistischen Parteien, die sich zum Demokratischen Sozialismus bekennen, auf allen Stufen der Wirtschaft eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zwischen Lohnarbeit und Kapital, die den Wirtschaftsuntertan zum Wirtschaftsbürger zu entwickeln verspricht (siehe Godesberger Grundsatzprogramm der sozialdemokratischen Partei der BRD von 1959). Für die heutige Auseinandersetzung zwischen dem Marxismus-Leninismus und den verschiedenartigen Ideologien des Antikommunismus ist charakteristisch, dass die Harmonielehren, falls sie überhaupt noch in Verbindung mit den Klassentheorien entwickelt werden, in Schlagworte wie Volkskapitalismus, formierte Gesellschaft, Mittelstandsgesellschaft, moderne Industriegesellschaft, Wohlstandsgesellschaft gekleidet und als Sozialpartnerschaft, Paternalismus usw. proklamiert werden.