Knie

Zum Haftungszusammenhang zwischen der unterbliebenen Aufklärung des Patienten über den zweifelhaften Erfolg einer Kniegelenksoperation und der Verschlechterung der Beweglichkeit des vorgeschädigten Knies nach der Operation.

Zum Sachverhalt: Der im Jahre 1944 geborene Kläger hatte sich seit dem Jahre 1967 wiederholt am rechten Knie verletzt und musste deswegen ärztlich behandelt werden. Operativ wurde bei ihm 1967 der Innenmeniscus und am 31. 1. 1973 der Außenmeniscus entfernt. Am 24. 3. 1975 stürzte der Kläger von einer Leiter. Er begab sich wegen erheblicher Beschwerden am rechten Knie am 25. 3. 1975 in die vom Beklagten Landkreis betriebene Klinik W. Die Aufnahmeuntersuchung durch den Oberarzt Dr. A führte zur Diagnose Kreuz- und mediale Seitenbandläsion des rechten Knies. Noch am selben Tage operierten Dr. A und der Zweitbekl., damals Leiter der unfallchirurgischen Abteilung des Krankenhauses, das Knie. Nach dem Operationsbericht fand sich eine alte Insuffizienz des inneren Seitenbandes und vorderen Kreuzbandes am rechten Knie; Zustand nach Entfernung von Innen- und Außenmeniscus Chondropathia patellae. Durchgeführt wurde eine Raffung des vorderen Kreuzbandes durch Eminentiaversetzung, Plastik des inneren Seitenbandes nach Jones-Bruckner, Knorpelglättung der Patella. Der Kläger, dessen rechtes Knie auf Dauer geschädigt ist, verlangt von den Beklagten Ersatz von Verdienstausfall, Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für Zukunftsschäden und Zahlung eines Schmerzensgeldes. Er wirft den behandelnden Ärzten vor, die Operation sei ohne ausreichende Indikation vorgenommen worden. Durch sie sei der Zustand seines rechten Knies entscheidend verschlechtert worden. Er sei ferner über die Risiken der Operation und deren Folgen nicht aufgeklärt worden, so dass seine Einwilligung in die Operation unwirksam gewesen sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben, wobei es ein Schmerzensgeld von 20000 DM zugesprochen hat. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Das Berufsgericht lässt offen, ob eine Indikation zur Operation vorgelegen hat; es hält insoweit noch weitere Sachaufklärung für notwendig. Es nimmt jedoch an, dass der Kläger vor der Operation nicht ausreichend über deren Erfolgsaussichten und Risiken aufgeklärt worden ist. Dazu stellt es, sachverständig beraten, u. a. fest:

Die Operation sei jedenfalls nicht vital indiziert gewesen. Es habe am rechten Knie ein alter Innenband- und vorderer Kreuzbandschaden mit Schubladenphänomen bestanden. Das habe dem Kläger aber keine subjektiven Beschwerden gemacht. Er habe das Knie voll belasten können. Der jetzige Zustand mit erheblicher Bewegungs- und Gebrauchsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenkes sei auf die Operation vom 25. 3. 1975 zurückzuführen. Die Operation sei mit erheblichen Risiken in Ansehung der Heilungschancen verknüpft gewesen. Untersuchungen über Spätfolgen von Bandplastiken hätten ergeben, dass sie in einem großen Prozentsatz der Fälle mit einem mangelhaften oder schlechtern Spätergebnis endeten. Darüber habe der Kläger belehrt werden müssen, um ihm die Entscheidung zu ermöglichen, ob er sich überhaupt operieren lassen, oder, was er geltend gemacht hat, sich dann in seinem Heimatort von dem ihm bekannten Prof. K behandeln lassen wolle. Eine derartige Belehrung sei nicht erfolgt. Demgegenüber könnten sich, so meint das Berufsgericht, die Beklagte nicht darauf berufen, dass das Knie bei einer Nichtbehandlung arthrotisch geworden wäre. Insoweit vermisst es nähere Darlegungen darüber, dass solche Folgeschäden eine ähnliche Einschränkung der Bewegungs- und Gebrauchsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenks bewirkt haben würden und dass sie schon jetzt manifest geworden wären. Dass spätere Operationen den Schaden des Klägers verursacht haben könnten, hält das Berufsgericht ebenfalls nicht für ausreichend dargetan und bewiesen.

Die dagegen gerichteten Revisionsangriffe sind begründet und führen zur Aufhebung und Zurückweisung der Sache.

Das Berufsgericht hat es offen gelassen, ob die Operation am rechten Knie des Kläger medizinisch indiziert war. Für das Revisionsverfahren ist deshalb davon auszugehen, dass Dr. A und der Zweitbeklagte insoweit keinen Behandlungsfehler begangen haben. Fehler bei der Durchführung der Operation selbst hatte der Kläger nie behauptet; sie sind auch nicht ersichtlich.

Eine Haftung der Beklagten nach §§ 31, 823 I, 847 BGB für die schadensursächlichen Verletzungen am rechten Knie des Kläger und die daraus folgenden Schäden nach der Operation vom 25. 3. 1975 kommt deshalb nach den bisher getroffenen Feststellungen nur in Betracht, wenn die Einwilligung des Kläger in die Operation deswegen unwirksam gewesen ist, weil der Zweitbeklagte ihn nicht in dem erforderlichen Maße über Art und Umfang der geplanten Operation sowie die Erfolgsaussichten und Risiken aufgeklärt hatte.

Nach den tatsächlichen Feststellungen, die das Berufsgericht zum Befund des Kläger bei der Aufnahme in die Klinik des Beklagten Landkreises sowie zu den medizinisch möglichen und erforderlichen Maßnahmen und deren Risiken getroffen hat, ist seine Ansicht, der Kläger sei nicht ausreichend aufgeklärt worden, rechtlich nicht zu beanstanden. Danach musste der Zweitbeklagte jedenfalls in Betracht ziehen, dass die Befunde nicht eindeutig für eine im Vordergrund stehende frische Verletzung des Kläger durch den Sturz von der Leiter am vorangegangenen Tage sprachen, sondern dass insbesondere das so genannte Schubladenphänomen und die gesamte Vorgeschichte auf ein altes Trauma hindeuteten. Eine Operation des Knies, die auch eine etwa notwendige Bänderplastik oder mindestens eine Kürzung und Straffung der Bänder umfassen sollte, war mit einem deutlichen Risiko des Misslingens verbunden. Sachverständig beraten stellt das Berufsgericht dazu fest, dass die Spätergebnisse solcher Operationen, soweit sie alte Verletzungen betreffen, zu einem hohen Prozentsatz unbefriedigend bleiben, weil eine befriedigende Stabilität des Knies nicht erreicht wird. Andererseits besteht die Gefahr einer frühzeitigen Arthrosebildung im Knie mit schweren Folgen für dessen Beweglichkeit im Falle der Nichtbehandlung. Eine sofortige Operation war wegen der möglicherweise bestehenden frischen Verletzung zwar wünschenswert, aber jedenfalls nicht vital indiziert. Alle diese Umstände hätte der Zweitbeklagte mit dem Kläger erörtern müssen, weil dieser nur aufgrund ausreichender Informationen eine eigene Entscheidung darüber treffen konnte, ob er sich sofort operieren lassen wollte, ob er eine konservative Behandlung vorziehen und ob er, wie er das vorgetragen hat, einen anderen Arzt seines Vertrauens aufsuchen sollte. Der Zweitbeklagte hat entsprechende Belehrungen unterlassen. Die unter seiner Mitwirkung durchgeführte Operation stellte deswegen rechtlich eine rechtswidrige und schuldhafte Körperverletzung des Klägers dar, die Grundlage eines Schadensersatzanspruches gegen die Beklagten sein kann.