Konditionsgeschäft

Zur Frage der Gefahrtragung beim sog. Konditionsgeschäft. Die Kläger - eine Textilgroßhandlung - belieferte seit 1968 das Textileinzelhandelsgeschäft des Beklagten mit Waren. Am 2. 9. 1970 nahm der Beklagte nach Absprache mit dem Inhaber der Klägerauch Herrenoberbekleidung, die diese kommissionsweise für die Firma J vertrieb, in sein Verkaufsprogramm auf. In der Folgezeit suchte der Beklagte jeweils im Lager der Kläger die ihm geeignet erscheinenden Stücke, die mit einer Kontrollkarte versehen waren und in ein für ihn geführtes Lieferscheinbuch eingetragen wurden, aus. Verkaufte er ein Teil, so trennte er die Kontrollkarte ab und sandte sie an die Kläger zurück, die ihm daraufhin eine Rechnung über den im Lieferscheinbuch vermerkten Bruttokaufpreis abzüglich eines Einzelhändlerrabatts von 35% und zuzüglich 11% Mehrwertsteuer übersandte. Nicht verkaufte Stücke sandte der Beklagte nach einer gewissen Zeit zurück; sie wurden alsdann im Lieferscheinbuch gestrichen.

Bei einem Einbruchdiebstahl am 29. 4. 1971 wurden aus dem Geschäft des Beklagten u. a. auch Anzüge, die dieser von der Klägererhalten hatte, entwendet. Für diese Stücke verlangt die Kläger im vorliegenden Verfahren als Kaufpreis einen - der Höhe nach unstreitigen - Betrag. Sie wirft dem Beklagten zwar kein Verschulden vor, ist aber der Ansicht, dass im Rahmen der über jedes Stück abgeschlossenen Kaufverträge mit der Übergabe die Preisgefahr auf den Beklagten übergegangen sei. Der Beklagte hält sich zur Zahlung deswegen nicht für verpflichtet, weil er die Anzüge lediglich in Kommission übernommen habe und der - ohnehin nicht übliche - Abschluss einer Diebstahlversicherung nicht von ihm verlangt worden sei.

Das Landgericht hat der Klage entsprochen. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Die zugelassene Revision der Klägerhatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht folgt der Ansicht der Kl dass es sich vorliegend nicht um Kommissionsgeschäfte, sondern um Kaufverträge gehandelt habe. Diese Kaufverträge seien jedoch - und zwar als sog. Konditionsgeschäfte, wie sie im Sortimentbuchhandel üblich und auch sonst nicht ungebräuchlich seien-unter der aufschiebenden Bedingung der Weiterveräußerung durch den Beklagten abgeschlossen worden. Da während des Schwebens der Bedingung der Kläger die Vertragserfüllung-nämlich die Eigentumsverschaffung - unmöglich geworden sei, ohne dass eine der Parteien dies zu vertreten habe, könne die Kläger gemäß § 323 BGB den Kaufpreis nicht beanspruchen. Die Vorschrift des § 446 BGB und damit ein bereits an die,

Besitzverschaffung geknüpfter Übergang der Preisgefahr auf den Beklagten finde auf derartige aufschiebend bedingt abgeschlossene Kaufverträge keine Anwendung, zumal die Übergabe nicht in erster Linie der Erfüllung des jeweils noch in der Schwebe befindlichen Kaufvertrages zwischen den Parteien gedient habe, sondern erfolgt sei, um den Verkauf der Waren durch den Beklagten überhaupt zu ermöglichen.

II. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten - jedenfalls im Ergebnis - den Angriffen der Revision stand.

1. Soweit das Berufungsgericht davon ausgeht, die Parteien hätten nicht einen Kommissionsvertrag (§§ 383 ff. HGB), sondern jeweils Kaufverträge über die einzelnen Anzüge abgeschlossen, handelt es sich um eine dem Tatrichter vorbehaltene Auslegung von Individualverträgen, die im Revisionsrechtszug nur beschränkt nachprüfbar ist. Die Auslegung ist rechtlich möglich, im übrigen aber auch naheliegend. Zwar haben die Parteien - beide Kaufleute - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts am 2. 9. 1970 ihr Vertragsverhältnis selbst als Kommission bezeichnet. Andererseits spricht aber schon die Vereinbarung fester Preise - wenn auch nicht zwingend (RGZ 110, 119; BGH, Urteil vom 30.4. 1962 - II ZR 80/61 = WM 1962, 812) - für das Vorliegen von Kaufverträgen (Schlegelberger, HGB, 4. Aufl., § 383 Anm. 24). Entscheidend ist jedoch, dass im vorliegenden Fall das Fehlen jeder Weisungsbefugnis gegenüber dem Bell. - und zwar insbesondere hinsichtlich der Preisgestaltung - die Annahme eines Kommissionsverhältnisses i. S. der §§ 383 ff. HGB ausschließt (BGHZ 75, 79ff. = Nr. 1 zu § 818 III BGB = NJW 1951, 270 m. w. Nachw.).

Im Revisionsverfahren haben beide Parteien gegen die Würdigung ihrer Vertragsbeziehungen nach kaufrechtlichen Gesichtspunkten auch keine Einwendungen mehr erhoben. Im Übrigen kommt es, wie noch auszuführen ist, letztlich auf die Frage, ob die Kläger Ansprüche gegen den Beklagten als Verkäuferin geltend machen kann, jedenfalls für den vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidend an.

2. Das Berufungsgericht sieht in den einzelnen Kaufverträgen sogenannte Konditionsgeschäfte und damit zunächst nur bedingt abgeschlossene Verträge, wie sie nicht nur im Sortimentbuchhandel, sondern auch sonst im Handelsverkehr üblich seien. Dabei geht es in Übereinstimmung mit dem Schrifttum und teilweise auch der Rechtsprechung davon aus, dass die Verträge aufschiebend bedingt abgeschlossen seien (§ 158 I BGB; vgl. dazu Schmidt-Rimpler, in: Ehrenbergs Hdb. des ges. HandelsR V, 1. Abt., S. 532 ff.; Riezler, ebda, 2. Abt., S. 101 ff.; Staudinger-Ostler, BGB, 11. Aufl., § 433 Anm. 88; Schlegelberger, § 383 Anm. 69; Mezger, in: RGRK, 12. Aufl., Vorb. § 433 Anm. 62; Oberlandesgericht Hamburg, Betr 1960, 1388). Auch diese Ansicht lässt im Ergebnis einen Rechtsfehler nicht erkennen.

a) Die Parteien streiten im Revisionsrechtszug in erster Linie um die Frage, ob es sich insoweit um aufschiebend oder auflösend bedingte Verträge gehandelt habe. Aus ihrer Auffassung, die Kaufverträge seien durch die Rückgabe der Ware seitens des Beklagten auflösend bedingt gewesen, will die Revision den Schluss herleiten, dass mit dem endgültigen Wegfall der Rückgabemöglichkeit die Kläger nunmehr ihre Kaufpreisansprüche als unbedingte geltend machen könne. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

Zutreffend weist die Revision darauf hin, dass sich, sofern eine ausdrückliche Bestimmung fehlt, nur durch Auslegung der beiderseitigen Willenserklärungen und Heranziehung der Interessenlage beurteilen lässt, ob im Einzelfall eine aufschiebende (§ 158 I BGB) oder auflösende Bedingung (§ 158 II BGB) gewollt ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten und im Revisionsrechtszug nur beschränkt nachprüfbar. Zu beachten ist dabei, dass die sog. Konditionsverträge nicht nur nach der jeweiligen Branche (Sortimentbuchhandel, Teppichhandel, Textilhandel pp.) unterschiedlich ausgestaltet sein können, sondern dass es auch entscheidend darauf ankommt, welche Ausgestaltung die Vertragspartner im Einzelfall ihren Vertragsbegehungen gegeben haben.

b) Das hat auch das Berufungsgericht nicht verkannt. Dabei kommt nach der gegebenen Sachlage lediglich in Betracht, ob die Kaufverträge als durch den Weiterverkauf der Ware seitens des Beklagten aufschiebend oder durch die Rückgabe an die Kläger auflösend bedingt anzusehen sind. Die sonst bei Konditionsverträgen vergleichbarer Art bestehende dritte Möglichkeit - nämlich ein Vertragsabschluss unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Käufer die Ware bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht zurückgibt (vgl. Mezger, in: RGRK, Vorb. § 433 Anm. 62) - scheidet hier deswegen aus, weil sich die Vereinbarung einer derartigen, hinreichend klar bestimmten Frist nicht feststellen lässt.

c) Es kann im vorliegenden Fall auf sich beruhen, ob in derartigen Zweifelsfällen allgemein eine Vermutung für die Vereinbarung einer lediglich aufschiebenden Bedingung - und zwar wegen der damit verbundenen geringeren Bindungswirkung - spricht (vgl. dazu Staudinger-Coing, § 158 Anm. 3; Soergel-Knapp, BGB, 10. Aufl § 158 Anm. 2; Steffen, in: RGRK, 12. Aufl., § 158 Anm. 2). Jedenfalls legt in einem Fall wie dem vorliegenden die dem § 495 I 2 BGB vergleichbare Interessenlage die Annahme einer lediglich aufschiebenden Bedingung nahe (vgl. dazu auch Staudinger-Ostler, § 433 Anm. 88). Wie bei einem Kauf auf Probe der Käufer die Billigung des gekauften Gegenstandes nach seinem Belieben erklären kann, so stand es auch hier dem Beklagten völlig frei, die Anzüge nach seinem Belieben und ohne Angabe von Gründen zurückzugeben. Jedenfalls in einem derartigen Fall entspricht die Annahme eines lediglich aufschiebend bedingten Vertragsabschlusses mit seiner für den Käufer geringeren Bindung dem wohlverstandenen Interesse beider Parteien.

d) Soweit die Revision ihre gegenteilige Auffassung darauf stützt, der Beklagte habe hier - anders als in den üblichen Fällen der Konditionsgeschäfte im Buchhandel- grundsätzlich alle übernommenen Stücke kaufen und sich nur die Möglichkeit offenhalten wollen, einzelne unverkäufliche Stücke zurückzugeben, findet diese Ansicht in dem Sachverhalt keine Stütze. Wie aus dem vom Berufungsgericht in Bezug benommenen Lieferscheinbuch ersichtlich ist, überstieg die Zahl der (blau ausgestrichenen) zurückgegebenen Stücke die der verkauften, rot gekennzeichneten Waren um ein Vielfaches. Dabei bestehen entgegen der Ansicht der Revision keine Bedenken, aus der Art, wie die Vertragsbeziehungen zwischen den Parteien tatsächlich abgewickelt worden sind, Rückschlüsse darauf zu ziehen, von welchen Vorstellungen sie bei Vertragsabschluss ausgegangen sind. Das von der Revision im übrigen zur Stützung ihrer Ansicht angezogene Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe (Betr 1971, 1410 = BB 1971, 1123) betrifft insoweit einen anderen Sachverhalt, als dort die Rückgabe der zur Auswahl erhaltenen Teppiche bis zu einem bestimmten, vertraglich vereinbarten Zeitpunkt als auflösende Bedingung angesehen ist, eine zeitliche Bindung also, die hier gerade nicht vorliegt.

3. Hatte somit der Beklagte die Anzüge nur unter der aufschiebenden Bedingung der Weiterveräußerung gekauft, so entfiel, nachdem die Waren bei dem Beklagten gestohlen waren und damit im Hinblick auf die erfolglos gebliebenen strafrechtlichen Ermittlungen die Bedingung endgültig ausgefallen war, mit dem Kaufvertrag auch der hier im Streit befindliche Kaufpreisanspruch der Kläger (vgl. dazu Staudinger-Ostler, § 446 Anm. 22; Enneccerus-Lehmann SchuldR, 15. Aufl., § 103 III 1; Larenz, SchuldR II, 10. Aufl., S. 77ff.). Für eine Heranziehung des § 446 BGB - und das hat das Berufungsgericht verkannt - ist damit schon deswegen kein Raum, weil der Übergang der Preisgefahr mit der Übergabe auf den Käufer einen wirksam zustande gekommenen Kaufvertrag und einen ursprünglich rechtswirksamen Kaufpreisanspruch des Verkäufers voraussetzt.

Aus dem gleichen Grunde geht auch der Hinweis des Berufungsgerichts auf § 159 BGB fehl. Eine vertraglich vereinbarte Rückbeziehung der an den Bedingungseintritt geknüpften Rechtsfolgen auf einen früheren Zeitpunkt - hier der Übergang der Preisgefahr auf den Zeitpunkt der jeweiligen Übergabe an den Beklagten - käme überhaupt nur dann in Betracht, wenn die Bedingung tatsächlich eingetreten wäre, was hier endgültig nicht der Fall ist.

Das schließt allerdings nicht aus, dass die Parteien im Rahmen der Vertragsfreiheit (§ 305 BGB) in einem solchen Fall hätten vereinbaren können, der Käufer solle trotz Ausfalls der Bedingung zur Bezahlung der ihm übergebenen Kaufsachen verpflichtet bleiben, auch wenn die Sachen ihm ohne sein Verschulden entzogen würden (vgl. dazu Soergel-Ballerstedt, § 446 Anm. 8; auch Mezger, in: RGRK § 446 Anm. 4).

Dazu fehlt es jedoch im vorliegenden Fall ebenso an Anhaltspunkten wie für die an sich gegebenen Möglichkeiten, in derartigen Fällen auflösend bedingte Kaufverträge abzuschließen.

Soweit schließlich die Revision meint, der Kläger habe immerhin aufgrund eines ihm zustehenden Anwartschaftsrechts den Besitz an der Sache erlangt und sie in seinen Gefahrenbereich übernommen, verkennt sie, dass mit dem endgültigen Ausfall der Bedingung dieses Anwartschaftsrecht gegenstandslos geworden war.

4. Der zufällige, unstreitig vom Beklagten nicht verschuldete Untergang der Sachen geht mithin zu Lasten des Klägers (so auch Schmidt-Rimpler, in: Ehrenbergs Hdb. des ges. HandelsR V, 1. Abt., S. 533; Riez ler, ebda., S. 103). Die Sachlage ist somit nicht anders, als wenn die Parteien im vorliegenden Fall einen Kommissionsvertrag oder Kaufverträge mit Rücktrittsvorbehalt abgeschlossen hätten (§ 390 I HGB; § 350 BGB). Der Kläger als Verkäuferin wird insoweit schon deswegen kein unzumutbares Risiko aufgebürdet, weil sie sich selbst gegen einen derartigen Verlust versicherungsmäßig hätte schützen können oder, sofern dies wegen der Schwankungen in dem hier in Betracht kommenden Warenbestand auf Schwierigkeiten stieß, für eine Diebstahlsversicherung durch den Beklagten - wie es bei dem in wirtschaftlicher Hinsicht weitgehend gleichgelagerten Kommissionsgeschäft ausdrücklich vorgesehen ist (§ 390 II HGB) - hätte Sorge tragen können.