Kraftfahrzeug neue Teile
Wechselt der Verkäufer eines fabrikneuen, zur Auslieferung an den Käufer vorgesehenen Kraftfahrzeugs neue Teile desselben durch gebrauchte Teile ohne Wissen des Käufers aus, so kann das Vertrauensverhältnis dadurch so gestört sein, dass der Käufer unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung zum Rücktritt vom Vertrage berechtigt ist.
Zum Sachverhalt: Der Beklagten bestellte schriftlich beim Kläger einen Porsche Carrera mit Zusatzteilen für 43205 DM, nachdem er vom Kläger erfahren hatte, dass beim Herstellerwerk ein Porsche Carrera zu verhältnismäßig kurzfristiger Auslieferung zur Verfügung stand. Dieser Pkw war mit Bug- und Heckspoilern ausgestattet. Der Beklage sollte nach Besichtigung des Pkw entscheiden können, ob er diesen mit oder ohne Spoiler haben wolle. Als unverbindliche Lieferzeit waren ca. 4 Wochen angegeben. Der Kläger bestätigte am 24. 9. 1974 den Auftrag zum Preise von 43 490 DM. In seiner Auftragsbestätigung war keine Lieferzeit angegeben. Der Beklage widersprach der Auftragsbestätigung nicht. Am 7. 10. 1974 kam der Beklagten zufällig in die Werkstatt des Kläger, wo sich der von diesem für den Beklagten bestellte und vom Herstellerwerk bereits gelieferte Porsche Carrera befand. Arbeiter des Klägers waren damit beschäftigt, von diesem Fahrzeug Bug- und Heckspoiler ab- und an ein anderes, bereits gefahrenes Porsche-Fahrzeug anzumontieren und das Bugblech und die Heckklappe dieses anderen Fahrzeuges an dem fabrikneuen Porsche Carrera anzubringen. Das andere Fahrzeug verließ noch in Anwesenheit des Beklagten mit den fabrikneuen Spoilern die Werkstatt des Kläger. Der Beklagten teilte daraufhin dem Kläger mit, dass er wegen dieses Vorfalls von dem Kaufvertrag zurücktrete. Er nahm den Porsche Carrera nicht ab und bezahlte ihn nicht.
Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung im Wesentlichen stattgegeben, das Berufsgericht hat sie abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen: Das Berufsgericht hat ohne Rechtsverstoß angenommen, dass dem Kläger eine den Beklagten zum Rücktritt berechtigende positive Vertragsverletzung zur Last fällt.
Unter diesen rechtlichen Gesichtspunkt fallen nach seit RGZ 54, 88 gefestigter Rechtsprechung wie nach allgemeiner Meinung im Schrifttum alle schuldhaften Vertragsverletzungen, die weder Unmöglichkeit der Leistung noch Verzug zur Folge haben. Zur Erfüllung einer Vertragsverbindlichkeit gehört nämlich alles, was aus dem Vertrage vom Schuldner verlangt werden kann. Positive Vertragsverletzungen sind daher alle Handlungen, welche die Erreichung des Vertragszwecks gefährden, also auch die Verletzung von sich aus dem Vertrag ergebenden Nebenpflichten, wie Vorbereitungs- und Obhutspflichten, Auskunfts- und Anzeigepflichten, Mitwirkungspflichten usw., wenn infolgedessen dem anderen Teile die Fortsetzung des Vertrages nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist. Zu diesen Nebenpflichten, die Ausprägungen einer dem Schuldverhältnis immanenten gegenseitigen Treupflicht sind, gehört auch die Leistungstreuepflicht, d. h. die generelle Verpflichtung, den Vertragszweck und den Leistungserfolg weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen. Es genügt demnach schon eine Gefährdung oder Beeinträchtigung der Interessen des Vertragspartners, um eine positive Vertragsverletzung anzunehmen, wenn diesem das Festhalten am Vertrag nicht mehr zuzumuten ist. Als positive Vertragsauslegung ist daher auch eine Unzuverlässigkeit des Schuldners zu werten, die so schwerwiegend ist, dass ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann.
Was im einzelnen als Verstoß gegen die Leistungstreuepflicht anzusehen ist, lässt sich nicht allgemein festlegen. Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Bei einem einfachen Austauschgeschäft ist die Leistungstreuepflicht in der Regel schwächer als bei einem Dauerschuldverhältnis Indessen kann auch bei einem einfachen Austauschgeschäft ein Verstoß gegen die Leistungstreuepflicht gegeben sein. Bei einem derartigen Geschäft sind jedenfalls dann strenge Anforderungen an die Leistungstreuepflicht des Schuldners zu stellen, wenn es sich nicht um einen alltäglichen Kauf, sondern wie hier um den Kauf eines Luxuswagens handelt, den sich nur ein an einem derartigen Wagen besonders interessierter Käufer leistet. In diesem Fall können Verstöße gegen die Leistungstreuepflicht, die unter anderen Umständen möglicherweise nicht allzu- schwer ins Gewicht fielen, erheblich sein.
Hier hat das Berufsgericht zunächst offen gelassen, ob der Kläger gehalten war, die Spoiler an dem Pkw zu belassen, weil noch nicht feststand, ob der Beklagten das Fahrzeug mit Spoilern haben wollte. Es kann indessen schon fraglich sein, ob der Kläger berechtigt war, die Spoiler ungefragt abmontieren zu lassen, und ob er befugt gewesen wäre, den für den Beklagten bestellten Porsche Carrera anschließend wieder mit fabrikneuen Ersatzteilen zu versehen. Doch kann dies dahingestellt bleiben.
Das Berufsgericht ist zu Recht der Meinung, dass dem Kläger anzusinnen war, unmittelbar nach Eintreffen des Porsche Carrera zu versuchen, eine Entschließung des Beklagten herbeizuführen, ob er den Pkw mit oder ohne Spoiler haben wolle. Zwar war, wie die Revision zutreffend bemerkt, in dem Bestellschreiben des Beklagten als unverbindliche Lieferzeit eine Frist von ca. 4 Wochen ab Bestellung vereinbart, die erst am 20. 10. 1974 abgelaufen wäre. Jedoch war, wie das Berufsgericht festgestellt hat, dem Kläger bekannt, dass der Beklage an einer möglichst schnellen Lieferung des Pkw interessiert war. Denn er hatte, wie der Kläger bzw. sein Erfüllungsgehilfe wusste, das Kraftfahrzeug bestellt, nachdem er erfahren hatte, dass das Herstellerwerk einen Porsche Carrera kurzfristig ausliefern könne. Dass andere Spoilerteile bereits bestellt waren und, wie die Revision geltend macht, nach der Behauptung des Kläger in der folgenden Woche eintrafen, hat das Berufsgericht nicht übersehen. Es hat aber mit Recht darauf hingewiesen, dass nicht sämtliche zur Komplettierung des fabrikneuen Porsche Carrera erforderlichen Teile bestellt worden waren. Das Berufsgericht hat daher der Auffassung sein können, dass der Kläger mit der Abmontierung der Spoilerteile an dem für den Beklagten vorgesehenen Porsche Carrera eine Verzögerung der Auslieferung in Kauf genommen hatte und dass er damit gegen das erkennbare Interesse des Beklagten an einer möglichst schnellen Lieferung verstoßen hatte. Ob dieser Verstoß so schwerwiegend war, dass allein deswegen dem Beklagten ein Festhalten am Vertrage nicht zugemutet werden konnte, mag dahinstehen.
cc) Jedoch kommt hinzu, dass, wie das Berufsgericht zutreffend bemerkt hat, die Anbringung gebrauchter Teile an dem fabrikneuen Porsche Carrera beim Beklagten den Verdacht wecken musste, es sei beabsichtigt, das Fahrzeug mit gebrauchten Teilen auszuliefern. Diesem Verdacht steht nicht entgegen, dass, wie der Kläger vorgetragen hat, bei der Heckklappe der Gebrauchtzustand sofort aufgefallen wäre. Abgesehen davon, dass der Kläger für diese bestrittene Behauptung keinen Beweis angetreten hatte, lässt sich nicht ausschließen, dass dem Beklagten etwaige beim Waschen des Wagens verursachte kleine Verkratzungen an der Heckklappe entgangen wären. Da der Beklagten lediglich zufällig in dem Zeitpunkt in die Werkstatt des Kläger gekommen war, in dem die Spoiler- teile an dem fabrikneuen Porsche Carrera abmontiert und an dem gefahrenen Porsche angebracht wurden, räumte seine Anwesenheit bei diesen Arbeiten nicht den Verdacht aus, dass der für den Beklagten vorgesehene Wagen später mit gebrauchten Teilen ausgeliefert werde. Das gilt umso mehr, als nach der Feststellung des Berufsgerichts der Kläger für die Auswechslung der Fahrzeugteile eine jeden Verdacht aufhebende Begründung nicht zu geben vermochte.
Der Kläger hat daher nicht nur das Interesse des Beklagten an einer möglichst schnellen Lieferung des Porsche Carrera missachtet, sondern nach der zutreffenden Feststellung des Berufsgericht auch den berechtigten Verdacht erweckt, dass der Porsche Carrera mit gebrauchten Teilen ausgeliefert werden würde. Dieses Verhalten musste beim Beklagten zu erheblichen Zweifeln an der Leistungstreue des Klägers führen. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass das Berufsgericht berücksichtigt hat, es handle sich bei dem Porsche Carrera um ein ausgesprochen aufwendiges und teures Kraftfahrzeug, das über 40000 DM kosten sollte. Der Käufer eines Kraftfahrzeuges kann und darf nämlich erwarten, dass der Verkäufer seine Interessen in jeder Hinsicht wahrt und an dein Pkw nicht fragwürdige Manipulationen vornimmt. Das Verhalten des Klägers musste daher beim Beklagten erhebliche Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertragstreue seines Vertragspartners wecken. Das Berufsgericht hat daher an- nehmen dürfen, der Vorfall vom 7.10. 1974 habe beim Beklagten zu einem derartigen Vertrauensschwund geführt, dass er unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung vom Vertrag zurücktreten konnte.
Die Rüge der Revision, der Beklagten habe allenfalls nach § 326 BGB vorgehen dürfen, ist gleichfalls unbegründet.
Das Berufsgericht hat nicht ausdrücklich erörtert, ob hier ein Vorgehen nach § 326 BGB entbehrlich war. Den Urteilsgründen ist jedoch zu entnehmen, dass es eine Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung, die auch vor Verzugseintritt hätte erfolgen können, nicht für erforderlich hielt.
Das lässt einen Rechtsirrtum nicht erkennen.
Nach der genannten Entscheidung hat zwar bei einer als positiver Vertragsverletzung zu wertenden Erfüllungsverweigerung der Gläubiger den Schuldner, der sein letztes Wort noch nicht gesprochen hatte, in rechtsähnlicher Anwendung des § 326 BGB zur Erklärung aufzufordern, ob er fristgemäß leisten werde. Das wird mit der Erwägung gerechtfertigt, dass dem Gläubiger in dem Fall, dass eine fristgemäße Leistung fraglich ist, nicht zugemutet werden kann, bis zur Fälligkeit der Leistung zuzuwarten und erst dann nach § 326 BGB vorzugehen und dass andererseits der Schuldner, der die Leistung nicht endgültig verweigert hatte, nicht durch den Rücktritt des Gläubigers überrascht werden darf.
Das gilt indessen nicht, wenn infolge Verstoßes des Schuldners gegen die Leistungstreuepflicht das Vertrauen des Gläubigers in eine vertragsgemäße Erfüllung zerstört ist. Denn dieser Vertrauensschwund kann auch durch eine Nachfristsetzung nicht behoben werden. In einem derartigen Fall darf sich daher der Gläubiger in der Regel ohne Einhaltung des in § 326 BGB vorgesehenen Weges vom Vertrage lösen.
Entgegen der Ansicht der Revision ist eine andere Beurteilung nicht deshalb geboten, weil der Beklagten schließlich bereit gewesen wäre, den Porsche Carrera nach Wiederanbringung der ursprünglich vorhandenen Spoiler und bei Gewährung eines erheblichen Preisnachlasses abzunehmen. Da es nach dem wirksamen Rücktritt des Beklagten eines neuen Vertragsschlusses bedurft hätte, zu dem es nicht kam, war der Beklage nicht verpflichtet, den Porsche Carrera abzunehmen.