Krankenhauspflegesätze

Die behördliche Festsetzung der Krankenhauspflegesätze unterliegt, weil es sich um einen Verwaltungsakt handelt, grundsätzlich nicht der rechtlichen Nachprüfung durch die ordentlichen Gerichte.

Anmerkung: I. Hintergrund dieses Urteils ist der seit dem Inkrafttreten des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze vom 29. 6. 1972 - BGB l 1972 I, 1009) schwelende Streit um den sog. Arztabschlag. Dieses Gesetz, das KGH, hatte den Krankenhäusern die Befugnis genommen, die von ihnen pro Tag berechneten Pflegesätze selbst festzusetzen, und diese Aufgabe den obersten Landesbehörden (Ministern) übertragen; konnten dadurch die Krankenhäuser nicht mehr ihre Selbstkosten decken, so wurden sie aus öffentlichen Mitteln subventioniert. Der Pflegesatz umfasst seitdem nicht nur die täglichen Kosten des Krankenhauses (wie bisher verschieden nach 1., 2. und 3. Klasse), sondern jetzt auch alle ärztlichen Leistungen (totaler Krankenhausaufnahmevertrag). Der Patient (Krankenhausbenutzer) hat nur noch an das Krankenhaus zu zahlen und sollte nicht außerdem eine Rechnung derjenigen Ärzte (Chefärzte) erhalten, die ihn behandelt hatten, wie dies bei Privatpatienten, die mit dem Krankenhaus den Aufnahmevertrag und mit dem Arzt gesondert den Arztvertrag abschlossen, meist der Fall gewesen war (vgl. BGHZ 5, 321 = LM § 31 BGB Nr. 3 m. Anm. Benkard und BGH, LM § 402 ZPO Nr. 24 Bl. 4: gespaltener Krankenhausvertrag - eine Begriffsbezeichnung, die der BGH dem Rechtsgutachten von Nipperdey Chefarzt und Krankenhaus in der Zeitschrift. Der Krankenhausarzt 1949 Heft 4 S. 4 ff. entnommen hat). Diese Aufspaltung in zwei Verträge galt nach dem neuen Gesetz auch immer dann noch, wenn der Arzt seinen Patienten in sein Belegkrankenhaus eingewiesen hatte. Dann musste der Patient seinen Arzt bezahlen und außerdem den Aufenthalt im Krankenhaus - insoweit allerdings weniger als der normale Krankenhauspatient, weil dieser mit der Bezahlung des Krankenhauses nunmehr auch die ärztlichen Leistungen beglich. Der Patient eines Belegarztes bezahlte dem Krankenhaus nur den kleinen Pflegesatz, nämlich den normalen Satz abzüglich eines Betrages, dem sog. Arztabschlag, um den es in dem hier zu besprechenden Urteil des BGH gegangen ist.

1. Heftig umstritten ist aber die Frage, ob auch ein Privatpatient, der sich in die 1. Klasse (Einbettzimmer) legt und Behandlung durch den Chefarzt gewählt hat, diesen daher gesondert bezahlen muss, gegenüber dem Krankenhaus Anspruch auf einen Abschlag von dem Pflegesatz hat, oder ob auch er den großen Pflegesatz zahlen muss, im Endeffekt also für die ärztliche Behandlung (zumindest zum Teil) doppelt bezahlt. Dies ist hinsichtlich der Belegärzte (vgl. § 368 g IV RVO) kein Problem: insoweit hat die Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze vom 25. 4.1973 (Bundespflegesatzverordnung - BPfIV - BGBl 1973 I, 333), erlassen von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates aufgrund des § 16 KHG, die alte Preisverordnung vom 31. 8. 1954 (Verordnung PR Nr. 7/54 über Pflegesätze von Krankenanstalten im BAnz. Nr. 173/1954) ersetzend, ausdrücklich und zwingend vorgeschrieben, dass dessen Leistungen bei der Festsetzung der Pflegesätze zu berücksichtigen sind (so § 3 II 1 BPflV). Im übrigen heißt es in S. 2 dieser Vorschrift, die Landesregierungen würden ermächtigt, selbst zu bestimmen, ob (oder etwa nur: wie??) auch sonst gesondert berechnete Arztkosten zu berücksichtigen seien. Nach § 6 dieser Verordnung (Wahlleistungen) durften die Chefärzte dann, wenn der Patient ausdrücklich von ihnen behandelt zu werden gewünscht hatte, gesondert liquidieren. Es liegt auf der Hand, dass es im Interesse der Chefärzte ist, diese Wahl ihrer Patienten dadurch zu erleichtern, dass sie dann vom Krankenhaus einen Abschlag auf die Arztkosten im Pflegesatz erhalten. Andererseits ist nicht zu verkennen, dass darin eine doppelte Vergünstigung der zahlenden Privatpatienten gegenüber den Kassenpatienten, die schließlich über 90% der Krankenhausbenutzer ausmachen, liegt: wählen sie gemäß § 6 BPf1V den Chefarzt zu ihrer Behandlung, so entziehen sie ihn zu einem nicht gerade geringen Teil seiner Aufgabe, sich allen Patienten gleichmäßig, also ebenso um den Patienten der 3. Klasse, den Kassenpatienten, zu widmen - außerdem kürzen sie, wenn auch sie nur den kleinen Pflegesatz zu zahlen haben, die Einnahmen des Krankenhauses, so dass es die Pflegesätze höher ansetzen müsste, was dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse, letztlich auch der Steuerzahler gehen würde.

2. Diese Überlegungen machen deutlich, dass hinter dem rechtlichen Streit um den Arztabschlag ein Streit um ein sozialpolitisches Prinzip steht: der Privatpatient soll nicht mehr Rechte im Krankenhaus haben als der Kassenpatient. Zwar hat der Gesetzgeber dem Privatpatienten (nach langem Kampf im Bundestag zwischen Bundesregierung und Opposition) in § 6 BPflV erlaubt, Behandlung durch den Chefarzt zu wählen, wenn er diesen gesondert bezahlt (was er kraft der hinter ihm stehenden privaten Krankenversicherung in aller Regel auch kann). Kann er ihm aber auch erlauben, als Pflegesatz weniger zu zahlen als die Kassenpatienten (d. h. die hinter diesen stehenden Versorgungsträger wie AOK usw.)?

a) Dagegen wird sich vor allem derjenige wenden, der ohnehin das den leitenden Krankenhausärzten (Chefärzten) aufgrund ihrer (alten) Verträge in § 6 BPflV belassene private Liquidationsrecht abschaffen möchte. Er kann sich für seinen Standpunkt darauf berufen, dass zwar der Bundestag in § 17 II 1 KHG als Grundsatz bestimmt hat, bei Festsetzung der Pflegesätze müsse es zugunsten der Krankenhausbenutzer berücksichtigt werden, wenn ihnen Arztkosten gesondert berechnet würden, dass aber erst durch die hier angezogene Rechtsverordnung nach § 16 KHG, also der dann aufgrund dieser Ermächtigung erlassenen Bundespflegesatzverordnung bestimmt werden sollte, welche Kosten in diesem Sinne als Arztkosten anzusehen seien; insofern aber hätten dann Bundesregierung und Bundesrat durch § 3 II BPf1V bestimmt, dass Leistungen eines Belegarztes zwingend zu berücksichtigen seien (also: Arztabschlag = kleiner Pflegesatz), während sie es im übrigen - offenbar aufgrund eines politisch ausgehandelten Kompromisses - den jeweiligen Landesregierungen anheimgegeben hätten, selbst zu bestimmen, ob (und gegebenenfalls: wie) auch sonst der Benutzer des Krankenhauses nur den kleinen Pflegesatz zu zahlen habe. Auf diesem Standpunkt stehen vor allem die Landesregierungen in Hessen und Hamburg: sie haben von der Ermächtigung in § 3 II 2 BPflV keinen Gebrauch gemacht, so dass z. B. ein im Frankfurter Krankenhaus liegender Privatpatient, der seinen Chefarzt gesondert bezahlt, zur Zahlung des großen Pflegesatzes herangezogen wird (so denn auch eine Berufungskammer des Landgerichts Frankfurt, NJW 1978, 597 [598] und das Landgericht Limburg als Vorinstanz in der hier besprochenen Sache). Diesen modernen Bestrebungen entsprechenden sozialen Standpunkt vertritt auch ein Teil des Schrifttums: Elsholz, in: KrankenhausfinanzierungsG, bei § 311 BP1V; Harsdorf, Die Krankenversicherung 1973, 39; Schaefer, DOK 1973, 341 [342]; Schlauß-Bölke, Bundespflegesatzverordnung, bei § 3 [Auffassung Bölke in Anm. 10 und Auffassung Schlauß in Anm. 12]).

b) Demgegenüber wird vielfach der Standpunkt vertreten, Bundesregierung und Bundesrat hätten sich, als sie in § 3 BPflV die Festsetzung der Pflegesätze regelten, voll an S. 1 in § 17 III KHG gehalten, der die Ermäßigung des Pflegesatzes für alle Krankenhausbenutzer zwingend vorschreibe, deren Arztkosten gesondert berechnet werden - so (wie ja wohl selbstverständlich!) bei den Rechnungen der Belegärzte, aber auch bei den selbst liquidierenden Chefärzten der Krankenhäuser gemäß § 6 BPflV; die in § 3 II BPflV den Landesregierungen übertragene Ermächtigung überlasse ihnen nur die Regelung, wie die von ihnen festzusetzenden Pflegesätze diese Ermäßigung vorschreiben sollten, nämlich als absoluter Betrag oder prozentualer Abschlag und in welcher Höhe. Dieser Standpunkt wird (was verständlich sein dürfte) vor allem im ärztlichen Schrifttum vertreten: Baur, Krankenhausarzt 1975, 393 [394]; Busse, Arztrecht, 1972, 185 [186 f .]; Hess, Deutsches Ärzteblatt 1973, 1186 und Siegmund-Schultze, Arztrecht 1978, 175; sowie Weißauer, Bayerisches Ärzteblatt 1974, 373 [375f.]. Diese Auffassung ist aber auch der Standpunkt mehrerer Gerichte - so eine (andere) Berufungskammer des Landgerichts Frankfurt, VersR 1977, 806 (908) = NJW 1978, 595 und das AG Frankfurt, VersR 1976, 361 sowie das Landgericht Braunschweig, VersR 1978, 126 (128).

II. Den letzteren Standpunkt vertritt vor allem der Verband der privaten Krankenversicherer (PKV) in Köln (vgl. u. a. Eppenstein, VersR 1976, 483). Seit langem kämpft er darum, dass auch das Land Hessen den von ihm geförderten Krankenhäusern vorschreibe, denjenigen Privatpatienten, die Behandlung durch den Chefarzt gewählt haben, daher gesondert bezahlen, einen Abschlag auf die Pflegesätze zu gewähren (woran er als deckender Krankenversicherer selbstverständlich interessiert ist). Er veranlasste daher, um diesen Streit gerichtlich klären zu lassen, vor allem auch um die divergierende Rechtsprechung der Berufungskammern des Landgerichts Frankfurt zu beseitigen, einen Privatpatienten, der im Krankenhaus der Stadt Frankfurt gelegen hatte und der den ihn behandelnden Chefärzten über 5000 DM gezahlt hatte, von der Rechnung des Krankenhauses einen 20%igen Abzug zu machen, so dass die Stadt diesen auf den Rest ihrer Rechnung verklagte. Das Landgericht Limburg hatte dieser Klage stattgegeben, weil es den (oben wieder7 gegebenen) Standpunkt vertrat, das Land Hessen, d. h. sein Sozialminister sei nur ermächtigt, aber nicht verpflichtet gewesen, den Privatpatienten einen Abschlag zu gewähren. Gegen dieses Urteil hatte der beklagten Patient (d. h. die hinter ihm stehende private Krankenkasse, beraten von der PKV) zum BGH Sprungrevision eingelegt, um in diesem Musterprozess die Frage klären zu lassen.

1. Der BGH hat die Streitfrage nicht geklärt; er hat sich nicht für kompetent angesehen die vom hessischen Sozialminister vorgenommene Festsetzung der Krankenhauspflegesätze zu überprüfen. Das ist vielmehr nach seiner Ansicht allein Sache der Verwaltungsgerichte.

a) Das klagende Krankenhaus hatte, wie ohne weiteres ersichtlich ist, den Betrag, den der beklagten Patient für seine Aufnahme täglich zu zahlen hatte, nicht mit ihm vereinbart; sei es auch nur durch Bezugnahme auf seine allgemeinen Tarife für Benutzerentgelte. Es wäre rechtlich gar nicht in der Lage gewesen, den in diesem Tarif angegebenen Tagessatz zu unterschreiten; denn nicht das Krankenhaus hatte diesen Tarif festgesetzt, sondern gemäß § 16 I 1 BPflV die hessische Landesregierung (d. h. nach § 1 der hessischen Pflegesatzverordnung vom 17. 12. 1973 - GVBI 1973 I, 472 der hessische Sozialminister). Damit hat er aber nicht die vom Krankenhaus vorgenommene Gestaltung ihres Pflegesatz-Tarifes bloß behördlich genehmigt; wäre dies so zu beurteilen, so würde die Preisvereinbarung des Krankenhauses mit seinem Patienten, mag sie auch genehmigt worden sein, der richterlichen Nachprüfung gemäß § 315 III BGB unterliegen. Die Pflegesätze werden aber nach § 16 BPflV als Festpreise festgesetzt, so dass das Krankenhaus sie fordern muss und nicht weniger fordern darf (vgl. BGH, LM PreisG Nr. 3 zu der oben angeführten früheren Pflegesatzverordnung VO PR Nr. 7/54). Hätte der BGH die Nachforderungsklage des Krankenhauses abgewiesen, so würde damit zwar dieser eine Kläger die streitige Frage zu seinen Gunsten entschieden haben, sie wäre aber nicht zugunsten aller Privatpatienten in seiner Lage entschieden. Darum aber ging es in jenem Musterprozess. Das macht deutlich, dass sich der verkl. Patient in Wirklichkeit nicht gegen das Frankfurter Krankenhaus wehrte, sondern gegen die vom Sozialminister erlassene Festsetzung der Pflegesätze für das Jahr 1974 und 1975. In Wahrheit war dieser der Prozessgegner des Klägers; die Parteien trugen keinen individuellen privaten Streit zwischen jenem Patienten und dem Frankfurter Krankenhaus aus, sondern einen Streit mit dem hessischen Sozialminister.

Nun wird freilich häufig in einem Prozess, in welchem ein Bürger mit einem anderen um die Auslegung eines Gesetzes streitet, eine Frage vom Gericht entschieden, die nicht nur diese Streitteile, sondern zahlreiche andere Bürger ganz ebenso berührt. Dann steht dem Begehren des Klägers oder des Beklagten keineswegs entgegen, dass die gerichtliche Entscheidung keine Rechtskraft inter omnes hat, sondern allenfalls faktisch (zumal wenn es sich um eine Entscheidung des obersten Gerichts handelt) für und gegen alle wirkt. So aber lag hier der Streit der Parteien nicht. Da der Minister einen für alle Patienten des jeweiligen Krankenhauses verbindlichen Festpreis bestimmen musste, handelte es sich bei seinem Erlass, der den (mindestens und höchstens) zu berechnenden Pflegesatz festsetzte, um einen Verwaltungsakt - speziell um einen Verwaltungsakt, dem privatrechtsgestaltende Drittwirkung zukommt und der nicht nur. das Verhältnis eines einzelnen Patienten, sondern aller Patienten dieses Krankenhauses regelt. In solchen Fällen steht aber die rechtliche Überprüfung dieses Verwaltungsaktes nicht den ordentlichen Gerichten zu, sondern allein den Verwaltungsgerichten. Das hatte schon so das BVerwG für die frühere Pflegesatz-Verordnung PR 7/54 entschieden (BVerwGE 2, 290; 7, 354; 15, 296); das gilt ebenso für die neue Bundespflegesatz-Verordnung von 1973 (OVG Lüneburg, NJW 1978, 1211; Grünewald, in: ZblSozVers 1977, 113). Daher müssen die ordentlichen Gerichte die behördliche Pflegesatzfestsetzung, mag sie auch fehlerhaft gewesen sein, so lange beachten, wie sie nicht (durch die zuständige Behörde oder durch ein Verwaltungsgericht) aufgehoben worden ist. Der BGH hätte infolgedessen jenem Privatpatienten nur helfen können, wenn er die umstrittene ministerielle Festsetzung deshalb hätte als nichtig ansehen können, weil sie evident gesetzwidrig oder willkürlich war (BGHZ 4, 68 [71] = LM RLG Nr. 2; BGHZ 24, 386 [391] = LM § 13 GVG Nr. 54 rn. Anm. Pagendarm). Davon kann aber nach der oben unter I dargelegten Zweifelhaftigkeit der Rechtslage keine Rede sein. Der BGH scheint sogar der Ansicht zuzuneigen, dass nach der derzeitigen Gesetzesfassung (z. Z. wird in den Gesetzgebungsorganen darüber beraten, ob nicht doch bundeseinheitlich ein Abschlag von 8% des normalen Pflegesatzes vorzuschreiben ist) das Land Hessen nicht gezwungen war, einen Arztabschlag vorzuschreiben; im Urteil heißt es nämlich, selbst wenn der Sozialminister gegen § 17 II KHG verstoßen haben sollte.

2. Der klagende Privatpatient war also rechtlich nicht richtig beraten, als er die Rechnung des Krankenhauses von sich aus um den Arztabsch4 in der Hoffnung kürzte, seinen Rechtsstandpunkt vom BGH bestätigt zu bekommen. Er hätte vielmehr den hessischen Sozialminister vor dem Verwaltungsgericht auf Aufhebung seiner Preisfestsetzung verklagen müssen. Das Landgericht Frankfurt, NJW 1978, 597 (598) hat zwar die Ansicht vertreten, dem Privatpatienten persönlich stehe eine Anfechtungsklage vor den Verwaltungsgerichten nicht zu. Das ist indes unrichtig; da der ministerielle Erlass auf seinen (bürgerlich-rechtlichen) Vertrag mit dem Krankenhaus kraft öffentlichen Rechts unmittelbar einwirkte, war auch er in seinen Rechten im Sinne des § 42 II VwGO verletzt (ähnlich BGH, LM Berliner AltbaumietenVO Nr. 1).