Krankenversicherungsträgers

Die Vorschrift des § 839 12 BGB ist nicht anwendbar, wenn ein Amtsträger durch Verstoß gegen die ihm als hoheitliche Aufgabe obliegende Pflicht, die öffentlichen Gehwege in verkehrssicherem Zustand zu erhalten, die Verletzung eines Fußgängers schuldhaft verursacht.

Zum Sachverhalt: Die Versicherungsnehmerin der kl. Ersatzkasse, die Zeugin K, kam im Juli 1977 auf einem Bürgersteig in Höhe der Einfahrt zu einem Kinderspielplatz zu Fall und erlitt einen Speichenbruch, der operativ behandelt wurde. Die Kläger verlangt von der beklagten Stadt Ersatz der für die Krankenbehandlung aufgewendeten Kosten. Sie behauptet: An der Unfallstelle habe der Plattenbelag des Bürgersteigs Unebenheiten bis zu 7 cm aufgewiesen. Darüber sei die Zeugin K gestolpert. Die Beklagte hat den verkehrswidrigen Zustand des Bürgersteigs in Abrede gestellt und geltend gemacht, dass der Anspruch der Zeugin K gegen die Kläger auf Tragung der Behandlungskosten im Verhältnis zu ihr eine andere Ersatzmöglichkeit darstelle, die Amtshaftungsansprüche ausschließe.

Das Landgericht hat der Klage unter Berücksichtigung eines die Zeugin K treffenden Mitverschuldens stattgegeben. Die Berufung der Beklagte ist ohne Erfolg geblieben. Auch die Revision der Beklagte hat keinen Erfolg.

Aus den Gründen: 1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass die Beklagte für die schuldhafte Verletzung der den Gemeinden als Amtspflicht obliegenden Verkehrssicherungspflicht für die Gemeinde Straßen einschließlich der Gehwege durch einen ihrer Beamten nur nach Art. 34 GG i.V. mit §839 BGB einzustehen hat. Es nimmt weiter an, der Ersatzanspruch der Verletzten sei im zugesprochenen Umfang auf die Kläger gemäß § 1542 RVO übergegangen. Die Bestimmung des § 839 12 BGB (sog. Verweisungsprivileg) stehe dem nicht entgegen, weil die Leistungen eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung einen anderen Ersatz im Sinne dieser Vorschrift nicht darstellten. Hiergegen wendet sich die Revision im Ergebnis ohne Erfolg.

2. Beginnend mit BGHZ 68, 217 = NJW 1977, 1238 = LM § 426 BGB Nr. 44 (Ls.) = MDR 1977, 735 = JZ 1977, 558) hat der Senat die Anwendung des Verweisungsprivilegs für Amtsträger verneint, die - ohne Sonderrechte nach § 35 StVO in Anspruch zu nehmen - dienstlich am allgemeinen Straßenverkehr teilnehmen und schuldhaft einen Verkehrsunfall verursachen. Insoweit kann eine nach Amtshaftungsregeln haftende Körperschaft den Verletzten und den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, der Aufwendungen für den Verletzten erbringt und auf den dessen Schadensersatzansprüche aus dem Unfall übergehen (§ 1542 RVO), bei einer dienstlichen Teilnahme des Amtsträgers am allgemeinen Straßenverkehr auch nicht darauf verweisen, die Leistungen des Krankenversicherungsträgers bildeten eine andere Ersatzmöglichkeit (§ 839 I 2 BGB) für den Verletzten. Die Gleichheit der Rechte und Pflichten im Straßenverkehr, das Fehlen eines weitergehenden Rechtsgüterschutzes und einer erweiterten Haftung für alle Vermögensschäden bei der Amtshaftung in diesem Bereich und das Zurücktreten des ursprünglichen gesetzgeberischen Zwecks des Verweisungsprivilegs (Stärkung der Entschlusskraft des Beamten; Begrenzung des persönlichen Haftungsrisikos des Beamten in seiner besonderen Beziehung zum Bürger) erfordern es, dass sich die haftende Körperschaft nicht (mehr) auf die dem Grundsatz der haftungsrechtlichen Gleichbehandlung aller Verkehrsteilnehmer widersprechende Vorschrift des § 839 12 BGB berufen darf (Senatsurt., MDR 1979, 824 = NJW 1979, 1602 = VersR 1979, 547; vgl. auch Stoll, Zur richterl. Fortbild, der Staatshaftg. f. Unfallschäden, FS für Hauss [1978] S. 349f., 363f.).

3. Mit dem nach der Verkündung des Berufungsurteils erlassenen Urteil (BGHZ 75, 134 = NJW 1979, 2043 = MDR 1979, 1004 = JZ 1979, 812) hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass das Verweisungsprivileg auch dann entfällt, wenn ein Amtsträger durch Verletzung der ihm als hoheitliche Aufgabe obliegenden Straßenverkehrssicherungspflicht einen Verkehrsunfall schuldhaft verursacht. Er hat hierbei vor allem auf den engen Zusammenhang zwischen den Pflichten im allgemeinen Straßenverkehr und der Verkehrssicherungspflicht sowie auf die inhaltliche Übereinstimmung der öffentlich-rechtlich ausgestalteten Amtspflicht zur Sorge für die Verkehrssicherheit mit der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht abgestellt. In seinen Urteilen, VersR 1980, 282 und weiter in NJW 1980, 2194 hat der Senat diese Rechtsprechung fortgeführt.

a) Die Angriffe der Revision auf diese Rechtsprechung erachtet der Senat für nicht begründet. Neue, bisher nicht beachtete Gesichtspunkte, zeigt die Revision nicht auf. Das gilt auch für ihre Rüge, mit dieser Rechtsprechung habe der Senat die dem Richter bei der Anwendung des Rechts gezogene Grenze überschritten. Diese Entwicklung muss in dem größeren Zusammenhang eines schon länger andauernden Prozesses der Einschränkung des Verweisungsprivilegs durch die Rechtsprechung gesehen werden (vgl. u. a. die Zusammenstellung bei Stoll in Fs. f. Hauss 1978 S. 349f., 354f.).

b) Die Grundsätze der Haftung für eine Verletzung der öffentlich-rechtlichen Straßenverkehrssicherungspflicht gelten auch zugunsten von Fußgängern, die durch den verkehrswidrigen Zustand der öffentlichen Gehwege Schaden erleiden. Denn der Gehweg ist lediglich ein von der Fahrbahn abgegrenzter, für die Fußgänger bestimmter Teil der öffentlichen Straße (Mühlham, StVO, 8. Aufl., §25 Anm. 2a), deren Verkehrssicherheit in dem für die Haftung bedeutsamen engen Zusammenhang mit den Pflichten im allgemeinen Straßenverkehr steht.

4. Die von der Revision weiter zur Nachprüfung gestellten Frage, ob Leistungen eines Trägers der gesetzlichen Krankenversicherung als anderer Ersatz i. S. von § 839 I 2 BGB zu gelten haben, ist deshalb im vorliegenden Rechtsstreit nicht entscheidungserheblich.