Kreditvertrag

Wenn ein Kreditvertrag gemäß § 138 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig war, konnte er durch Bestätigung nach § 141 BGB nur Gültigkeit erlangen, wenn die Gründe für diese Sittenwidrigkeit nicht mehr fortbestanden. Wenn sich - wie hier beim wucherähnlichen Kreditgeschäft nach § 138 I BGB - die Sittenwidrigkeit aus einer Gesamtwürdigung einer Mehrzahl von objektiven und subjektiven Einzelumständen ergibt, so muss bei Wegfall eines dieser Umstände geprüft werden, ob nicht trotzdem die weiterwirkenden übrigen allein oder in Verbindung mit hinzutretenden neuen Umständen auch das neu vorgenommene Rechtsgeschäft als sittenwidrig erscheinen lassen. Anders als beim Wuchertatbestand des § 138II BGB handelt es sich bei den einzelnen Umständen, deren Gesamtwürdigung beim wucherähnlichen Kreditgeschäft zur Sittenwidrigkeit nach § 138 I BGB führt, nicht stets um notwendige Tatbestandsmerkmale, die nebeneinander erfüllt sein müssen. Manche Einzelumstände, die sonst häufig bei einem sittenwidrigen Geschäft nach § 138 I BGB vorliegen, können im Einzelfall fehlen, wenn nur die übrigen erheblichen Umstände so schwer wiegen, dass sie allein die Gesamtwürdigung des Geschäfts als sittenwidrig rechtfertigen.

Das Berufsgericht hat diese Rechtsgrundsätze bei der Prüfung der Wirksamkeit der Bestätigung nach § 141 BGB nicht hinreichend berücksichtigt. Selbst wenn man mit dem Berufsgericht davon ausgeht, dass die Beklagten am 16. 1. 1980 aufgrund der gerichtlichen Verfügung vom 14. 1. 1980 die Nichtigkeit des ursprünglichen Vertrags kannte, ist doch die Folgerung des Berufsgericht fehlerhaft, die Kläger habe zu diesem Zeitpunkt nicht mehr die schwächere wirtschaftliche Lage der Beklagten zum eigenen Vorteil ausgenutzt. Sie steht im Widerspruch zum Inhalt der Erklärung der Beklagten vom 16. 1. 1980 und zu ihren Beweggründen, die sich aus dieser Erklärung ergeben. Wie die Kläger selbst in ihrer Revisionserwiderung ausführt, sah sich die Beklagten damals der Gefahr ausgesetzt, aufgrund der Klage vom Landgericht trotz Sittenwidrigkeit des ursprünglichen Kreditvertrages zur Zahlung eines sofort fälligen hohen Betrages und weiterer Raten verurteilt zu werden, deren Aufbringung ihr, da sie inzwischen von Sozialhilfe lebte, noch mehr Schwierigkeiten bereiten musste als die Zahlung der ursprünglich vereinbarten Raten. Nur um diese Gefahr durch die vorgeschlagene Ratenzahlungsvereinbarung abzuwenden, war die Beklagten bereit, sich den Bedingungen des ursprünglichen Vertrages zu unterwerfen. Das ergab sich auch für die Kläger erkennbar aus dem Inhalt der Erklärung vom 16. 1. 1980. Durch eine Einigung auf der Grundlage dieser Erklärung nutzte die Kläger zu ihrem eigenen Vorteil die schwächere wirtschaftliche Lage der Beklagten aus. Das aber kann in Verbindung mit sonstigen Umständen den Tatbestand des § 138 I BGB erfüllen. Auch wenn ein Darlehensnehmer weiß, dass die Vertragsbedingungen ihn grob benachteiligen, wenn er sich ihnen aber trotzdem wegen seiner schwächeren wirtschaftlichen Lage unterwirft und der Darlehensgeber das erkennt oder sich dieser Erkenntnis leichtfertig verschließt, kann das Rechtsgeschäft sittenwidrig und daher nichtig sein.

Zu Unrecht meint die Kläger, § 138 BGB sei nicht anwendbar, weil die Zwangslage, in der sich die Beklagten im Januar 1980 befand, eine Folge der Anwendung der gesetzlichen Vorschriften der §§ 138, 812 BGB gewesen sei. Wenn ein Schuldner eine berechtigte Forderung aufgrund seiner finanziellen Schwäche nicht fristgemäß erfüllen kann, darf der Gläubiger diese Notlage nicht zu seinem eigenen Vorteil ausnutzen, indem er sich für eine Ratenzahlungsvereinbarung eine den Schuldner grob benachteiligende Erhöhung der Forderung und eine zusätzliche Verzinsung versprechen lässt, die den Schuldner übermäßig belastet, weil sie dazu führt, dass nur ein geringer Teil jeder Rate zur Kapitaltilgung dient und dadurch die Zeit der Verzinsung unerträglich verlängert wird.

Das Berufungsurteil kann auch nicht gemäß § 563 ZPO mit der Begründung aufrechterhalten werden, das Berufsgericht habe die objektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit verkannt und daher schon zu Unrecht den ursprünglichen Vertrag vom 13. 6. 1978 als nichtig angesehen. Wie die Kläger nicht verkennt, hat sich das Berufsgericht bei seiner Beurteilung des Verhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung im Rahmen der ständigen Rechtsprechung des Senats gehalten, deren Grundsätze in dem - nach Erlass des Berufungsurteils verkündeten - Urteil vom 12. 3. 1981 noch einmal zusammengefasst worden sind. Danach ist die Gegenüberstellung des effektiven Jahreszinses, der sich aus den Kreditbedingungen des zu überprüfenden Vertrages einerseits und aus dem in den Monatsberichten der Deutschen Bundesbank ausgewiesenen Schwerpunktzins andererseits ergibt, eine geeignete Beurteilungsgrundlage. Soweit die Kläger dagegen vorbringt, die Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank sei keine geeignete Erkenntnis- quelle für die hier maßgeblichen Marktverhältnisse, weil sie nur auf Meldungen einer relativ zu geringen Zahl von Kreditinstituten beruhe, unter denen auch noch die Großbanken durch ihre Filialen überproportional vertreten seien, die einen Sondermarkt bedienenden Teilzahlungsbanken mit ihren höheren Refinanzierungskosten dagegen praktisch gar nicht, so handelt es sich um Angriffe, die - gestützt auf allgemein bekannte Tatsachen - bereits früher gegen die Rechtsprechung des Senats vorgebracht worden sind und die ihm schon in der Entscheidung BGHZ 80, 153 = LM § 138 [Bc] BGB Nr. 31 = NJW 1981, 1206, keinen Anlass zur Änderung dieser Rechtsprechung gegeben haben.

Die Kläger meint jedoch weiter, diese Rechtsprechung verbiete es nicht, konkrete Besonderheiten der Preisbildung in der Gruppe der Teilzahlungsbanken und Abweichungen des einzelnen Kreditvertrages zu berücksichtigen; das habe das Berufsgericht versäumt. Wieweit diese Angriffe der Kläger im Einzelnen begründet sind, braucht nicht entschieden zu werden. Die Kläger selbst kommt nämlich in einer ihre Überlegungen berücksichtigenden Vergleichsrechnung, die sich an das Abrechnungsschema bei Scholz, WM 1981, 540, anschließt, zu dem Ergebnis, der effektive Jahreszins der Kläger betrage 24,14%, der Marktzins dagegen 10,47%. Auch wenn man von diesen Zahlen ausgeht, rechtfertigt der Unterschied - der Zinssatz der Kläger liegt um rund 130% über dem Marktzins - noch die Feststellung, dass ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt, das die Beklagten grob benachteiligt. Dieses objektive Missverhältnis ist immer noch so groß, dass es den Darlehensvertrag als wucherähnlich und sittenwidrig i. S. des § 138 I BGB erscheinen lässt, wenn man im Rahmen der notwendigen Gesamtwürdigung auch die sich aus ihren AGB zusätzlich ergebenden erheblichen Ansprüche der Kläger im Falle des Verzuges berücksichtigt - insoweit werden von der Kläger in der Revisionsinstanz keine Einwendungen mehr gegen die Würdigung der Vorinstanzen erhoben - und hinzunimmt, dass die Beklagten sich, für die Kläger erkennbar, am 16. 1. 1980 nur aufgrund ihrer wirtschaftlich schwächeren Lage und unter dem Druck des Rechtsstreits den Forderungen der Kläger unterworfen hat.

Die Auffassung des Landgerichts, der Kläger stehe wegen Nichtigkeit des Darlehensvertrages nur ein Anspruch aus § 812 BGB auf Rückzahlung des Nettokreditkapitals zu, ist somit jedenfalls im Ergebnis zutreffend.