Kündigt eine Internatsschule den Internatsvertrag

Kündigt eine Internatsschule den Internatsvertrag wegen grober Verstöße eines Schülers gegen die Schul- und Internatsordnung fristlos, so kann sie von dem anderen Vertragsteil (hier: den Eltern) Ersatz des ihr durch die vorzeitige Aufhebung des Dienstverhältnisses entstehenden Schadens verlangen.

Zum Sachverhalt: Der Kläger betreibt eine Internatsschule. Nach einem mit den Beklagten geschlossenen Internatsvertrag besuchte deren - damals vierzehnjähriger - Sohn D ab 1. 2. 1980 die Schule. Teil des Internatsvertrags waren die vom Kläger formularmäßig verwendeten Aufnahmebedingungen. Nach deren Nr. 3.1 war der - auf unbestimmte Zeit geschlossene - Vertrag mit einer Frist von jeweils drei Monaten zum 31. 1. oder zum 31. 7. kündbar. Ferner bestimmte Nr. 3.4 der Bedingungen: Bei groben Verstößen gegen die Schul- und Internatsordnung oder bei ungebührlichem Verhalten ist die Verweisung des Schülers möglich. In diesem Falle und auch dann, wenn ein Schüler aus Gründen, die das Internat nicht zu vertreten hat, vorzeitig das Internat verlässt, sind die Internatsgebühren bis zum nächsten Kündigungszeitpunkt weiterzuzahlen. Jedoch ermäßigen sich die Gebühren um A, beginnend mit dem Monat, der auf das Ausscheiden des Schülers folgt. Wiederholte Verstöße von D gegen die Internatsordnung veranlassten die Schulleitung, zunächst gegen ihn einen Verweis auszusprechen sowie zweimal einen einwöchigen Besinnungsurlaub zu verhängen. Sodann sprach diese nach weiteren Disziplinlosigkeiten mit Schreiben vom 29. 5. 1981 gegen den Beklagten die Verweisung des Jungen von Schule und Internat aus. Der Kläger fordert von den Beklagten die um Via gekürzten Internatsgebühren für die Monate Juni 1981 bis Januar 1982. Die Beklagte meinen, dem Kläger nichts zu schulden. Nr. 3.4 der Aufnahmebedingungen sei wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam. Überdies habe der Schulleiter am 5. 6. 1981 auf die Zahlung weiterer Internatsgebühren verzichtet.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision des Klägers führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht hat die Klage - unabhängig von der Frage eines Verzichts auf die Klageforderung - abgewiesen, weil sich die Beklagte das Verhalten ihres Sohnes nicht zurechnen lassen müssten, so dass eine Schadensersatzforderung aus § 628 Il BGB nicht in Betracht komme. Ebenso wenig könne der Kläger seinen Anspruch auf Nr. 3.4 der Aufnahmebedingungen stützen. Die Bestimmung verstoße, soweit sie die Pflicht zur Weiterzahlung der Internatsgebühren bis zum nächsten Kündigungszeitpunkt für den Fall der Verweisung des Schülers wegen grober Verstöße gegen die Schul- und Internatsordnung oder wegen ungebührlichen Verhaltens vorsehe, gegen wesentliche Grundgedanken des Dienstvertragsrechts, insbesondere der Regelung des § 628 I 1 BGB. Sie benachteilige deshalb die Beklagte unangemessen i. S. von § 91 AGB-Gesetz. Auch könne in Nr. 3.4 der Aufnahmebedingungen keine für die Beklagte verbindliche Schadenspauschalierungsklausel gesehen werden.

II. Die Revision wendet sich gegen diese Ausführungen mit Erfolg.

1. Keine rechtlichen Bedenken bestehen allerdings, soweit das Berufungsgericht die Frage der Beendigung der vertraglichen Beziehungen der Parteien und der sich daran knüpfenden Rechtsfolgen nach den Vorschriften über den Dienstvertrag geprüft hat. Gewiss mag der Internatsvertrag kein reiner Dienstvertrag gewesen sein, sondern im Hinblick auf die Unterbringung und Verpflegung des Sohnes der Beklagte auch miet- und werkvertragliche Elemente enthalten haben. Im Vordergrund hat jedoch der dienstvertragliche Charakter gestanden, nämlich die schulische Ausbildung und die erzieherische Betreuung des Jungen durch Lehrer und Erzieher der Internatsschule.

3. Zuzustimmen ist der Revision hingegen, dass das Berufungsgericht zu Unrecht einen Schadensersatzanspruch aus § 628 II BGB verneint hat. Insoweit hat es den Inhalt des Internatsvertrags nicht ausgeschöpft. Die Beklagte hatten nämlich nicht nur die vereinbarten Gebühren für die Unterbringung sowie die schulische und erzieherische Betreuung ihres Sohnes fristgerecht zu zahlen, sondern auch die - von ihnen überdies ausdrücklich anerkannte - Schul- und Internatsordnung zu beachten. Danach hatte sich ihr Sohn, was im übrigen selbstverständlich ist, im Interesse eines vernünftigen und möglichst reibungslosen Zusammenlebens und -wirkens von Schülern, Lehrern und Erziehern ordnungsgemäß zu führen. Insoweit war er ihr Erfüllungsgehilfe. Das hat das Berufungsgericht zwar mit der Erwägung ausräumen wollen, es sei Sache des Klägers gewesen, für die Erziehung des Sohnes der Beklagte zu sorgen und hierdurch dazu beizutragen, dass es zu Handlungen der beanstandeten Art nicht komme. Dieser Gedanke trifft sicherlich zu, soweit das Fehlverhalten eines Internatsschülers mit einer Verletzung von Aufsichts- und Erziehungspflichten der Lehrer oder Erzieher zusammenhängt oder sich in Grenzen hält, die von jeder Schule bei Kindern und Jugendlichen hinzunehmen sind; die Bewältigung solcher Mängel hat die Internatsschule übernommen. Hiervon sind aber grob fehlerhafte Verhaltensweisen zu unterscheiden, die das Ordnungsgefüge eines Internats nicht unerheblich in Mitleidenschaft ziehen können und die schulische Ordnung in einem Maße stören, dass der Internatszweck beeinträchtigt wird und die Schule Gefahr läuft, ihren Erziehungsauftrag gegenüber den übrigen Internatsschülern nicht mehr sachgerecht erfüllen zu können. In diesem Umfang fällt das Risiko fehlerhaften Verhaltens eines Schülers in den Risikobereich der Eltern, welche die Schul- und Internatsordnung vertragsgemäß gegen sich gelten lassen müssen (§ 278 BGB). Den Beklagten ist daher das im Tatbestand des Berufungsurteils als unstreitig wiedergegebene und als grob vertragswidrig zu wertende Verhalten ihres Sohnes ebenso wie die fristlose Kündigung des Internatsvertrages selbst zuzurechnen, so dass sie nach § 628 II BGB zum Ersatze des durch die Aufhebung des Dienstverhältnisses dem Kläger entstandenen Schadens verpflichtet sind.

4. Danach lässt sich die Klage beim derzeitigen Stand des Rechtsstreits nicht abweisen. Vielmehr bedarf die Sache hinsichtlich des von den Beklagten behaupteten Verzichts und, sofern ein solcher nicht feststellbar sein sollte, zur Schadenshöhe weiterer Prüfung durch das Berufungsgericht Dabei wird es im zweiten Punkte auch auf folgendes zu achten haben:

Auf die Frage, ob die Regelung in Nr. 3.4 der vom Kläger verwendeten Aufnahmebedingungen in den Fällen des § 628 I 1 BGB gegen § 9 I AGB- Gesetz verstößt, kommt es nicht an. Hingegen wird zu prüfen sein, ob gegen die genannte Bestimmung als Schadenspauschalierungsklausel im Rahmen des § 628 II BGB Bedenken bestehen. Insoweit ist § 11 Nr. 5 AGB- Gesetz bedeutsam. Danach wäre Nr. 3.4 der Aufnahmebedingungen als Schadenspauschalierungsklausel unwirksam, wenn die Pauschale von 90% der vereinbarten Gebühren den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden (also den branchentypischen Durchschnittsschaden - vgl. Ulmer-Brandner-Hensen, AGB-Gesetz, 4. Aufl., § 11 Nr. 5 Rdnr. 13) übersteigt oder wenn die Klausel den Beklagten den Nachweis abschneiden würde, dass ein Schaden überhaupt nicht entstanden oder wesentlich niedriger als die Pauschale ist. Zu diesem Punkte kann allerdings schon jetzt gesagt werden, dass Wortlaut und Sinn der Klausel bei verständiger Würdigung den Beklagten die Möglichkeit offen lassen nachzuweisen, dass dem Kläger kein oder ein geringerer Schaden erwachsen ist; auch ist insoweit ohne Belang, dass die Klausel dem anderen Vertragsteil nicht ausdrücklich diesen Nachweis vorbehält (vgl. BGH, NJW 1982, 2316 = LM § 11 Ziff. 5 AGBG Nr. 2).