Kündigung

Auf der anderen Seite kann dem Berufsgericht jedoch insoweit nicht gefolgt werden, als es für den Fall einer Kündigung seitens des Kläger zu dem Ergebnis kommt, schon die durch eine Kündigung ausgelöste Verpflichtung zu der Übergabe der gesamten Kundschaft und zu einem anschließenden zweijährigen Wettbewerbsverbot seien für einen selbständigen Kaufmann nahezu unerträglich.

Allerdings findet sich bei Verträgen, die Eigenhändler mit dem Hersteller abschließen, in aller Regel kein Wettbewerbsverbot für die Zeit nach Vertragsende, weil dafür im Allgemeinen mit Rücksicht auf die Wirkung der Marke des Herstellers, kein Bedürfnis besteht. Beim Eigenhändlervertrag zwischen Großhändlern, wie er hier vorliegt, liegen die Verhältnisse aber in diesem Punkt anders. Hier ergänzen sich die Vertragspartner nicht wie der Hersteller und der in seine Vertriebsorganisation eingegliederte Eigenhändler in ihren Wirtschaftsfunktionen, sondern sie üben vielmehr dieselbe Funktion, nämlich den Großhandelsvertrieb, aus und stehen sich damit bei Beendigung des Vertragsverhältnisses in vollem Umfang als Wettbewerber gegenüber, und zwar nicht nur im Wettbewerb mit anderen Waren um den Absatz bei den Einzelhändlern, sondern auch im Wettbewerb gegenüber dem Lieferanten um den Vertrieb der Vertragsware. Der Beklagten hatte daher, so weit ist der Rev. beizupflichten, nach den vorausgegangenen Erfahrungen ein berechtigtes Interesse an einer Übergabe der Kundschaft und an einem zweijährigen Wettbewerbsverbot, um dadurch sein Alleinvertriebsrecht und seinen Gewerbebetrieb zu sichern. Ob der Kläger demgegenüber das entsprechende Opfer auf sich nehmen wollte, richtete sich nach seinem Interesse, sich am Betrieb der Markenware in der zweiten Stufe mit zu beteiligen, für die sich der Beklagten das Alleinvertriebsrecht verschafft und gegen die Bestrebungen des Kläger aufrechterhalten hatte. Dass der Kläger solche Bindungen als selbständiger Kaufmann übernommen hat, sagt daher über die Unbilligkeit der Beschränkungen seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit an sich noch nichts entscheidendes aus. Der Kläger hat sich als Eigenhändler zweiter Stufe durch den Vertrag in die Vertriebsorganisation des Beklagten eingegliedert und sich damit abgefunden, während der Vertragsdauer nicht als unabhängiger Händler mit selbständiger Markttätigkeit zu arbeiten.

Angesichts dieser Beurteilung kommt es entscheidend darauf an, ob die Entschädigung für die dem Kläger im Kündigungsfall auferlegten Leistungen, h. d. nach den Feststellungen des Berufsgericht praktisch für die Aufgabe seines Geschäftsbetriebs zugunsten des Beklagten, hinreichend hoch war und ihm damit die Lösung der rechtsgeschäftlichen Bindung nicht auf unabsehbare Zeit wirtschaftlich unmöglich gemacht hat. Es ist nicht auszuschließen, dass die dem Berufsgericht obliegende gesamte Würdigung des Vertrages durch den irrigen Ansatzpunkt, insbesondere bei der gebotenen Abwägung der beiderseitigen Leistungen im Kündigungsfall, maßgeblich beeinflusst war. Anlass zu dieser Annahme gibt, dass das Berufsgericht die Höhe der Geldentschädigung als eine Steigerung der Untragbarkeit der Kündigungsfolgen gewürdigt hat. In Wirklichkeit kommt für den Fall der Vertragsbeendigung durch eine Kündigung des Kläger dem Verhältnis zwischen dem Wert seiner Leistungen und Beschränkungen einerseits und der vom Beklagten dafür zu leistenden Geldentschädigung andererseits die entscheidende Bedeutung zu. Ist diese Entschädigung im Verhältnis zu den dem Kläger auferlegten Opfern so gering, dass das Missverhältnis eine Kündigung des Vertrags seitens des Kläger nachhaltig zu verhindern geeignet wäre, so schränkte der Vertrag insgesamt die Bewegungs- und Wettbewerbsfreiheit des Kläger praktisch in einem Maße ein, die außerhalb der durch § 138 BGB der Vertragsfreiheit gezogenen Grenzen läge.

Zur Endentscheidung ist die Sache nach dem festgestellten Sachverhältnis nicht reif. Die Geldleistung sollte dem Kläger für die zweijährige Beschränkung seiner Händlertätigkeit und die Offenbarung seiner Kunden entschädigen. Ihre Angemessenheit richtet sich daher in erster Linie nach dem Wert des durch Kundenübergabe und Wettbewerbsverbot dem Beklagten zufallenden Geschäfts des Kläger unter Berücksichtigung der ihm anderweit zumutbaren Beschäftigung. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass das Wettbewerbsverbot dazu bestimmt war, den Kläger nicht nur vom Wettbewerb um die Einzelhändler, sondern auch vom Wettbewerb um den Vertrieb der Markenware gegenüber dem Hersteller auszuschließen.

Entgegen der Meinung der Rev. ließe sich allein aus dem Umstand, dass der Kläger selbst in einem von ihm vorgeschlagenen Vertragsentwurf seinerzeit eine Entschädigung von 25000 DM vorgesehen hatte, noch nicht ohne weiteres entnehmen, dass eine Entschädigung in dieser Höhe nicht geeignet gewesen wäre, den Kläger von einer Kündigung als der Maßnahme, die ihm die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit gewährleistet hätte, auf un- absehbare Zeit abzuhalten.

Ohne Erfolg verweist die Rev. ferner in diesem Zusammenhang auf die rechtliche Würdigung, die der vom Zeugen K. mit dem Beklagten geschlossene gerichtliche Vergleich vom 24. 10. 1966 durch den erkennenden Senat gefunden hat. In jenem Verfahren war u. a. zu prüfen, ob das im gerichtlichen Vergleich bis zur rechtskräftigen Entscheidung, längstens bis zum 9. 2. 1968, vereinbarte Wettbewerbsverbot wegen Gesetzes- oder Sittenverstoßes nichtig war. Die für die Beurteilung im vorliegenden Fall wesentliche Wirkung auf das zukünftige Verhalten des Kläger während der Vertragsdauer trat dort überhaupt nicht in Erscheinung, da der Vertrag durch den Vergleich einverständlich aufgehoben worden war und der Streit allein um die im Vergleich festgelegte Voraussetzung für die Zahlung von 25000 DM ging. Daneben spielte bei den Verhältnissen zwischen K. und dem Beklagten die ausdrückliche Aufhebung der Bindung eines Familienangehörigen bei der gebotenen Gesamtwürdigung eine wesentliche Rolle.

Der Sachvortrag bedarf auch noch in anderer Richtung einer erneuten Prüfung durch den Tatrichter: Da nach der vom Berufsgericht jedenfalls für möglich erachteten Auslegung des § 12 die Kundenübergabe und das Wettbewerbsverbot selbst dann eintreten sollte, wenn der Beklagten dem Kläger einen wichtigen Grund zur Kündigung geben und der Kläger sonach zur fristlosen Kündigung berechtigt sein sollte, so könnte nach Meinung des Berufsgericht, der Beklagten es nach freiem Belieben auf eine nachhaltige Zerstörung der für eine langjährige Vertragsbindung unerlässlichen Vertrauensbasis ankommen lassen, ohne eine Kündigung des Kläger gewärtigen zu müssen. Dies Ergebnis, meint das Berufsgericht, wäre aber mit den guten Sitten im geschäftlichen Leben schlechthin unvereinbar.

Bei dieser Würdigung hat das Berufsgericht jedoch nicht mit in Betracht gezogen, dass dem Beklagten als Eigenhändler erster Stufe eine besondere Treuepflicht gegenüber dem Kläger deshalb obliegt, weil dieser als Eigenhändler zweiter Stufe in den Vertrieb des Beklagten eingegliedert war. Diese Treuepflicht schließt die Möglichkeit einer solch weitgehenden Auslegung zum Nachteil des Kläger, zu der der Wortlaut des § 12 nicht ohne weiteres zwingt, auslas Berufsgericht wird unter diesem Umständen zu prüfen haben, welche Bedeutung die Bestimmung des § 12 Abs. 3 hat, nach der der Beklagten dem Kläger entschädigungspflichtig werden soll, wenn er mit anderen den Interessen des Kläger zuwiderhandelt. Sollte diese Bestimmung dahin auszulegen sein, dass, dem Kläger selbst bei schuldhaftem Verhalten des Beklagten keine Schadensersatzansprüche zustehen und dass der Kläger auch bei einer Kündigung aus wichtigem Grund, zu der ihn das schuldhafte Verhalten des Beklagten veranlasst hatte, dem Wettbewerbsverbot unterliegen sollte, so könnte entgegen der Meinung der Rev. diese Vertragsbestimmung nicht mit Hilfe der Arglisteinrede korrigiert und in der Weise zugunsten des Kläger eingeschränkt werden, dass sie mit § 138 BGB vereinbar werden würde. Denn unter dem Gesichtspunkt der Sittenwidrigkeit eines Vertrags ist sein Inhalt so zu würdigen, wie er von den Parteien gewollt und vereinbart ist. Einer solchen Anpassung widerspricht auch der Umstand, dass andernfalls das mit einem Rechtsstreit über den Vertragsinhalt verbunden Risiko vollständig der Gebundene zu tragen hätte. Schon dieses Risiko wäre geeignet, die Einschränkung des Gebundenen in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit weiter zu verfestigen.