Kündigungssachverhalt

Ist der Kündigungssachverhalt durch ein Geständnis des Dienstverpflichteten so weit geklärt, dass der Kündigungsberechtigte eine ausreichende Grundlage für seine Entscheidung über die Fortsetzung oder Beendigung des Dienstverhältnisses hat, so kann er durch weitere Ermittlungen den Lauf der Ausschlussfrist des § 626 II BGB im allgemeinen nicht aufhalten.

Zum Sachverhalt: Die Beklagte errichtet auf eigenen oder fremden Grundstücken X-Tankstellen. Diese, aber auch andere Tankstellen, fit die Verwaltungs- und Belieferungsverträge bestehen, beliefert sie mit Treib- und Schmierstoffen. Der Kläger ist der Geschäftsführer der GmbH; neben ihm war noch ein anderer Geschäftsführer bestellt. Der Kläger errichtete in Z. zwei und in G. eine Tankstelle, wobei er jedesmal Handwerker der beklagten GmbH einsetzte. Er leistete für diese Arbeiten der GmbH keine Zahlungen. Im Mai/Juni 1971 wurden die Eigengeschäfte des Klägers festgestellt. Zu den darauf beruhenden Vorwürfen wurde der Kläger in einer Gesellschaftsversammlung vom 29. 6. 1971 gehört. Er gab im Wesentlichen die ihm vorgehaltenen Pflichtverstöße zu. Nachdem die Beklagte beschlossen hatte, den Sachverhalt noch weiter aufzuklären, wurde der Kläger am 19. 7. 1971 als Geschäftsführer abberufen und sein Dienstverhältnis fristlos gekündigt.

Der Kläger hat beantragt festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Anstellungsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 19. 7. 1971 nicht beendet worden sei. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision des Klägers war erfolgreich.

Aus den Gründen: Der Senat bejaht unter I in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht das Vorliegen eines wichtigen Grundes.

II. Nach § 626 II BGB kann ein Dienstverhältnis nur innerhalb von zwei Wochen aus wichtigem Grund gekündigt werden. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Diese Frist sieht das Berufungsgericht bei der Kündigungserklärung der Beklagte vom 19. 7. 1971 als gewahrt an. Der Gesellschafterversammlung war am 29. 6. 1971 aufgrund der Anhörung des Klägers bereits bekannt, dass er drei Tankstellen in Z. und G. errichtet hatte, sowie dass er für diese Vorhaben Handwerker der Beklagte für insgesamt 2073 Stunden ohne Berechnung eingesetzt hatte. Mit diesen Feststellungen, so meint das Berufungsgericht, habe sich die Beklagte jedoch nicht zufriedenzugeben brauchen, zumal in diesem Zeitpunkt nur das noch nicht überprüfte Geständnis des Klägers und bis dahin lediglich vage Verdachtsmomente aufgrund einiger bei der Buchprüfung vorgefundener Urkunden (Grundbuchauszug, Rechnung über Eichgebühren) sowie zweier anonymer Briefe vorgelegen hätten. Vielmehr habe sie noch weiter ermitteln dürfen und dies auch getan, indem sie die Prüfungsgesellschaft mit weiteren Untersuchungen beauftragt habe. Bis zum Abschluss dieser Ermittlungen habe die Zweiwochenfrist für die Kündigung nicht zu laufen begonnen, selbst wenn sie bei rückblickender Betrachtung kein neues Belastungsmaterial mehr ergeben hätten.

Diese rechtliche Beurteilung ist aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht haltbar, wie die Revision mit Recht rügt. Das Berufungsgericht stützt sich auf das Urteil BAGE 24, 99 (104f.) = NJW 1972, 1486. Darin heißt es im Hinblick auf eine sog. Verdachtskündigung, die Frist des § 626 II BGB beginne mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte ein solches Stück des Sachverhalts mit Sicherheit kenne, dass er sich ein eigenes Urteil über den Verdacht und seine Tragweite bilden und daraufhin entscheiden könne, ob die Fortsetzung des Dienstverhältnisses für ihn noch zumutbar sei. Dabei dürfe es dem Kündigungsberechtigten nicht zum Nachteil gereichen, wenn er sich vor Ausspruch der Kündigung durch Anhörung des anderen Teiles oder sonstige, ihm nach pflichtgemäßen Ermessen -notwendig erscheinende Maßnahmen eine möglichst vollständige und zuverlässige Kenntnis zu verschaffen suche. Diese Entscheidung betrifft einen Fall, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu dem Verdacht schwerer dienstlicher Verfehlungen gehört, hierdurch aber weder eine Bestätigung noch eine Entkräftigung des Verdachts erreicht und daraufhin erfolglos versucht hatte, auf andere Weise Klarheit zugewinnen. Dieser Fall unterscheidet sich wesentlich von dem vorliegenden Sachverhalt, in dem es nicht um einen Verdacht, sondern um zugestandene Pflichtverletzungen geht. Ähnlich verhält es sich mit dem weiteren Urteil BAGE 24, 341 (345 ff.) = NJW 1973, 214, das unter Hinweis auf die vorerwähnte Entscheidung ausführt, die Ausschlussfrist des § 626 II BGB sei jedenfalls so lange gehemmt, wie der Kündigungsberechtigte aus verständigen Gründen mit der gebotenen Eile noch Ermittlungen über den Kündigungssachverhalt anstelle und der Kündigungsgegner dies erkennen könne; maßgebende Tatsachen i. S. des § 626 II 2 BGB seien hierbei sowohl die für als auch die gegen eine Kündigung sprechenden Umstände. Bei dieser Entscheidung handelte es sich darum, dass der Kündigungsberechtigte in angemessener Zeit dem anderen Teil zunächst Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte; dass er dies ohne Rechtsnachteil tun durfte, leuchtet ohne weiteres ein. Damit ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar.

Hier hatte die Beklagte nach dem vom Berufungsgericht unterstellten Tatbestand bereits am 29. 7. 1971 durch das Geständnis des Klägers, also durch ein in der Regel besonders sicheres Erkenntnismittel, alles erfahren, was ihr nach verständigem Urteil als notwendige Grundlage für eine Entscheidung über den Fortbestand oder die Auflösung des Dienstverhältnisses erscheinen konnte. Dass über wesentliche Umstände damals noch Unklarheiten verblieben seien, die aufzuhellen die Beklagte aus ihrer Sicht für erforderlich hätte halten dürfen, ist nicht festgestellt. Vielmehr besaß die Beklagte schon am 19. 6. 1971 jene sichere und umfassende Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen, mit der auch nach der Rechtsprechung des BAG die gesetzliche Ausschlussfrist zu laufen beginnt. Es widerspräche dem Zweck dieser Frist, die Verwirkung des Kündigungsrechts zeitlich zu fixieren (BAGE 24, 341 [346] = NJW 1973, 214), wenn der Kündigungsberechtigte ihren Beginn nach seinem Gutdünken durch weitere Ermittlungen hinausschieben könnte, die er nicht mehr benötigt, um sich ein hinreichend klares Urteil über die Zumutbarkeit einer Vertragsfortsetzung bilden zu können.