Kündigungsschreiben

Im Dienst- und Arbeitsvertragsrecht hat die Erwägung in Literatur und Rechtsprechung Zustimmung gefunden, wenn der Arbeitnehmer erkennbar unter allen Umständen vom Vertrage loskommen wolle, dann entspreche es seinem mutmaßlichen Willen, dies - wenn nicht im Wege der erklärten Kündigung - auch über einen Aufhebungsvertrag erreichen zu wollen. Diese Wertung mag für Schuldverhältnisse geboten sein, in denen vom kündigenden Vertragspartner persönliche Arbeits- und Dienstleistungen geschuldet werden. Ob sie sich auf andere Schuldverhältnisse übertragen lässt, ist äußerst zweifelhaft. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass eine Umdeutung ihrer Natur nach Unsicherheit gerade dort brächte, wo Gesetz und Rechtsprechung Klarheit und Eindeutigkeit im Interesse der Rechtssicherheit verlangen, nämlich bei der Ausübung von Gestaltungsrechten. Die Unsicherheit wird dadurch verursacht, dass der Vermieter, wäre der Standpunkt des Berufsgerichts richtig, gezwungen würde, einer Kündigung zur Vermeidung von Rechtsnachteilen stets zu widersprechen.

Weiterhin spricht der objektive Erklärungsinhalt des Kündigungsschreibens gegen eine Umdeutung. Zu ermitteln ist der Erklärungsinhalt aus der Sicht des Erklärungsempfängers, hier der Kläger bzw. deren Rechtsvorgängerin. Diese konnte aber dem Kündigungsschreiben nicht entnehmen, dass sie zu einer Entschließung über eine vorzeitige Vertragsbeendigung aufgefordert werden sollte. Sie durfte, entsprechend der tatsächlichen Rechtslage, die Kündigung für unwirksam halten und dementsprechend reagieren. Es mögen zwar Fallgestaltungen denkbar sein, in denen ein Kündigungsschreiben in einen Antrag auf Abschluss eines Auflösungsvertrages umgedeutet werden kann, etwa wenn der Erklärung des Kündigenden zu entnehmen ist, dass er mit einer Stellungnahme des Erklärungsgegners rechnet oder wenn eine Umdeutung den beiderseitigen Interessen entspricht; ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Abschließend braucht diese Frage jedoch aus den unten dargelegten Gründen nicht entschieden zu werden.

Auch im Schreiben der Beklagte vom 25. 4. 1974, dem die Schlüssel beigefügt waren, ist ein Antrag auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages nicht enthalten. Selbst unter Berücksichtigung der vorangegangenen Korrespondenz kann diesem Schreiben eine Willenserklärung, gerichtet auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages, nicht entnommen werden. Vielmehr lässt es erkennen, dass die Beklagte das Mietverhältnis schon durch die Kündigungserklärung als beendet ansah. Die Gegenseite wird dementsprechend im letzten Satz des Schreibens lediglich um Kenntnisnahme gebeten, ohne dass Anzeichen dafür ersichtlich sind, dass die Beklagte nunmehr eine Antwort auf ihr Schreiben erwartete.

Die Revision erweist sich letztlich deshalb als begründet, weil die Beklagte ein - unterstelltes - Angebot auf Abschluss eines Aufhebungsvertrages jedenfalls nicht angenommen hat.

Das Schreiben der Beklagte vom 10. 4. 1974 stellt kein kaufmännisches Bestätigungsschreiben dar, denn unstreitig haben sich die Parteien über eine Vertragsaufhebung, die der schriftlichen Bestätigung bedurft hätte, niemals geeinigt. Folglich greifen auch die Rechtsfolgen, die für das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben gelten, hier nicht ein.

Geht man, dem Vortrag der Beklagte folgend, davon aus, dass seitens der Kläger auf die Kündigung vor dem 20. 8. 1974 keine Reaktion erfolgte, so ist gleichwohl in diesem Verhalten der Kläger keine Zustimmung zu einer Vertragsauflösung zu sehen.

Das Berufsgericht hat dazu ausgeführt, die Kläger und die C hätten. das Angebot stillschweigend angenommen. Sie seien der Kündigung vom 10.4. 1974 nicht entgegengetreten und hätten es widerspruchslos hingenommen, dass die Beklagte ihnen den geräumten und gereinigten Verkaufsstand zurückgab und ihnen die Schlüssel mit Schreiben vom 25. 4. 1974 übersandt habe. Beide Vertragsparteien seien kaufmännisch geführte Unternehmen, bei denen das Schweigen im Geschäftsverkehr regelmäßig als Annahme eines Angebots angesehen werde. Das Schreiben vom 20. 8. 1974 liege, viel zu spät, als dass es das Zustandekommen des Aufhebungsvertrages noch hätte verhindern können.

Die Erwägungen der Vorinstanz zur Bedeutung des Schweigens im kaufmännischen Geschäftsverkehr treffen nicht zu. Sie sind mit der Rechtsprechung des BGH, insbesondere auch des erkennenden Senats nicht vereinbar. Schweigen gilt auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr grundsätzlich nicht als Zustimmung, sondern als Ablehnung. Nur ausnahmsweise kann es als Zustimmung gewertet werden, nämlich dann, wenn nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs der Erklärungsempfänger eine konkrete Rechtspflicht zu widersprechen, jedenfalls zur Anmeldung von Vorbehalten hat, so dass der Erklärende bei deren Ausbleiben darauf vertrauen darf, sein Geschäftspartner sei mit seiner Offerte einverstanden. Derartige Umstände sind hier nicht ersichtlich. Eine unwirksame Kündigung erzeugt keine Rechtswirkung, kann folglich auch keine Äußerungspflicht des Erklärungsempfängers begründen. Auch auf ein Vertragsangebot braucht der Adressat nicht zu antworten. Diese Grundsätze gelten auch im Rahmen eines Mietverhältnisses. Es begründet keine besonders enge oder gar personenbezogene Verbindung zwischen den Parteien, so dass sich daraus keine Pflicht zur Beantwortung von Schreiben der Gegenseite herleiten lässt. Für den Standpunkt den Beklagten spricht allenfalls der Umstand, dass ein sorgfältiger Vertragspartner auch auf die beiden Schreiben vom 10. und 25. 4. 1974 geantwortet hätte. Dies reicht jedoch zur Begründung einer Rechtspflicht zur Äußerung nicht aus, nachdem die Kläger auf das Schreiben der Beklagte vom 6. 3. 1974 in einem für sie negativen Sinne geantwortet hatte.