Landesgesetzgeber

Regelungen, die auf Landesrecht beruhen, können nur dann als Festsetzungen in Bebauungsplänen aufgenommen werden, wenn und soweit Landesrecht dies zulässt. § 9 Abs. 4 gestattet es nur dem Landesgesetzgeber, die Aufnahme von Festsetzungen nach Landesrecht in Bebauungsplänen vorzusehen. Allein durch Landesrecht kann daher bestimmt werden, ob und in welchen Fällen von §9 Abs. 4 Gebrauch gemacht werden darf. Fehlt die landesrechtliche Zulassung, so ist die Gemeinde allein auf der Grundlage von § 9 Abs. 4 von sich aus nicht befugt, auf Landesrecht beruhende Regelungen als Festsetzungen in den Bebauungsplan aufzunehmen §9 Abs. 4 ist keine eigenständige Ermächtigungsgrundlage zugunsten der Gemeinden. Es ist ohne Bedeutung, in welcher Form die landesrechtliche Zulassung ergeht; erforderlich ist nur eine Zulassung durch Rechtsvorschrift. Möglich sind Zulassungen unmittelbar durch Landesgesetz oder in Form einer Rechtsverordnung aufgrund landesgesetzlicher Ermächtigung. Die frühere Regelung in § 9 Abs. 2 BBauG 1960, demzufolge die Landesregierungen durch Rechtsverordnung die Aufnahme Landesrechtlicher Festsetzungen in den Bebauungsplan bestimmen konnten, ist bereits im Zuge der BBauGNovelle von 1976 im Sinne der jetzt geltenden Fassung umgestaltet worden.

Die unter der Geltung des § 9 Abs. 2 BBauG 1960 bzw. des § 9 Abs. 4 BBauG 1976 erlassenen landesrechtlichen Vorschriften über die Zulassung von Festsetzungen nach Landesrecht im Bebauungsplan haben durch die Änderungen des Bundesrechts ihre Wirksamkeit nicht eingebüßt; dies ergibt sich zwangsläufig daraus, dass das Bundesrecht keine Ermächtigung im eigentlichen Sinne enthält, sondern nur eine Gestattung.

Materiellrechtliche Voraussetzungen für Festsetzungen nach § 9 Abs. 4. Unter welchen materiellrechtlichen Voraussetzungen auf Landesrecht beruhende Regelungen als Festsetzungen in Bebauungspläne aufgenommen werden dürfen, richtet sich allein nach den betreffenden Vorschriften des Landesrechts. Ermächtigungsgrundlage z.B. für örtliche Bauvorschriften ist allein das Bauordnungsrecht. Die Vorschrift des § 9 Abs. 4 hat lediglich formelle Bedeutung, materiellreduliche Wirkungen von ihr nicht aus.

Im einzelnen sind bei der Aufnahme von Regelungen nach Landesrecht als Festsetzungen im Bebauungsplan folgende materiellrechtliche Anforderungen zu beachten:

- Zulassung zur Aufnahme in den Bebauungsplan durch Landesrecht;

- Einhaltung des in der ermächtigenden Rechtsnorm abgesteckten Rahmens, z. B. für örtliche Bauvorschriften;

- Erfordernis sachlicher Rechtfertigung;

- Beachtung des Bestimmtheitsgebots;

- Einhaltung verfassungsrechtlicher Schranken, insbesondere des Übermaßverbots.

Die Einschränkung der Grundstücksnutzung durch örtliche Bauvorschriften liegt grundsätzlich im Rahmen der Eigentumsbindung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Sie ist dennoch mit Art. 14 GG nur vereinbar, wenn sie auf sachgerechten Erwägungen beruht und entgegenstehende Interessen der Eigentümer der jeweiligen Situation entsprechend angemessen berücksichtigt sind. Die sich aus dem Abwägungsgebot § 1 Abs. 6) ergebenden Anforderungen sowohl an den Abwägungsvorgang als auch an das Abwägungsergebnis sind nur begrenzt auf Festsetzungen nach § 9 Abs. 4 übertragbar. Der Erlass von Regelungen nach Landesrecht im Sinne von § 9 Abs. 4 ist soweit nichts anderes bestimmt ist, seinem Wesen nach kein Planungsvorgang, sondern ein allgemeines Rechtssetzungsverfahren. Er unterliegt daher nicht schon von vornherein dem planungsrechtlichen Abwägungsgebot. Zwar werden durch derartige Regelungen auch Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmt und damit die Baufreiheit des Eigentümers begrenzt, doch reicht es aus, wenn das Ergebnis der getroffenen Regelung den verfassungsrechtlichen Anforderungen insbesondere aus Art. 14 GG Abs. 2 sowie aus dem Übermaßverbot entspricht. Insoweit sind nur die an das Ergebnis der Regelung gestellten Anforderungen mit denen vergleichbar, die bei Planungen an das Abwägungsergebnis gestellt werden. Im Unterschied zur Planung ist es hier aber nicht erforderlich, dass der Regelung ein aus den Satzungsunterlagen in seinen Einzelheiten ablesbarer Abwägungsprozeß vorausgegangen sein muss. Der Erlass örtlicher Bauvorschriften unterliegt dem Abwägungsgebot daher nur, soweit Landesrecht dies vorsieht. Dies ist in Baden Württemberg, Bayern und Nordrhein Westfalen der Fall. Nach § 73 Abs. 6 BaWüBO finden auf örtliche Bauvorschriften im Bebauungsplan die Vorschriften Anwendung, die Festsetzungen nach §9 Abs. 1 des Bundesbaugesetzes betreffen Damit gilt auch § 1 Abs. 6 BauGB. In Bayern ist die Anwendung der planungsrechtlichen Abwägungsvorschriften auf örtliche Bauvorschriften in Art. 91 Abs. 3 Satz 2 BayBO vorgeschrieben; ob auch bei einer Regelung durch sonstige Satzung eine Abwägung erforderlich ist, ist strittig. In Nordrhein Westfalen finden nach § 81 Abs. 4 NWBauO bei der Festsetzung von örtlichen Bauvorschriften im Bebauungsplan die §§ 1 bis 13 BauGB Anwendung. Damit gilt auch das Abwägungsgebot nach § 1 Abs. 5. Aber auch für den Erlass örtlicher Bauvorschriften außerhalb eines Bebauungsplans wird in Nordrhein Westfalen eine Abwägung für erforderlich gehalten. Eine Abwägung ist dort nicht erforderlich, wo die auf Landesrecht beruhende Festsetzung keine Rechtsgestaltung darstellt, sondern das Ergebnis einer Subsumtion ist oder eine gesetzlich bereits begründete Pflichtenstellung des Eigentümers nur konkretisiert. Dies ist z.B. der Fall, wenn bebaute Bereiche unter Denkmalschutz gestellt werden. Die Denkmaleigenschaft haftet dem Denkmal bereits kraft Gesetzes an. Bei der Unterschutzstellung ist nur zu prüfen, ob diese Voraussetzungen vorliegen. Eine Abwägung mit den Interessen des Eigentümers findet nicht statt.

Verfahren für Festsetzungen nach § 9 Abs. 4

Örtliche Bauvorschriften und sonstige Regelungen nach Landesrecht werden in erster Linie nach den hierfür maßgebenden Vorschriften des Landesrechts erlassen; hierzu gehört auch das Kommunalverfassungsrecht. Nach § 9 Abs. 4 können die Linder allerdings auch bestimmen, dass auf die Festsetzung nach Landesrecht die Vorschriften des BauGB Anwendung finden. Diese Regelung betrifft auch die Übernahme von Verfahrensvorschriften für das Zustandekommen der Bebauungspläne; sie ist nicht auf Vorschriften des BauGB zum Vollzug rechtsgültiger Festsetzungen beschränkt. Die hiervon abweichende Auffassung ist verfassungsrechtlich nicht gedeckt. Dem Bundesgesetzgeber fehlt die Kompetenz, Materien des Landesrechts seinen Regelungen zu unterwerfen; er kann die Öffnung des Festsetzungskatalogs nicht nur für den Fall zulassen, dass die auf Landesrecht beruhenden Regelungen in das bundesrechtlich ausgestaltete Bebauungsplanverfahren verfahrensmäßig und konzeptionell integriert werden. Eine solche Betrachtung liefe auf eine Aushöhlung landesrechtlicher Kompetenzen hinaus. Die Aufnahme landesrechtlicher Regelungen in den Bebauungsplan darf von Bundes wegen nicht an bestimmte formelle oder materielle Maßgaben gebunden werden. § 9 Abs. 4 sieht auch keine dahingehenden Einschränkungen vor. Für die auf Landesrecht beruhenden Festsetzungen i. S. von § 9 Abs. 4 gelten daher nicht automatisch die verfahrensrechtlichen Regelungen des BauGB. Bestimmen die Länder, dass Vorschriften des Bauleitplanverfahrens Anwendung finden, so werden die betreffenden Regelungen insoweit durch den Landesgesetzgeber rezipiert und damit Landesrecht.

Ob und inwieweit die Länder Vorschriften des bundesrechtlichen Planverfahrensrechts rezipieren, unterliegt grundsätzlich ihrer freien Entscheidung. Sie haben von dieser Möglichkeit in unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht. Am umfassendsten ist die Rezeption in Niedersachsen. Nach §97 Abs. 1 Satz 2 NdsBauO gelten die Vorschriften für das Verfahren bei der Aufstellung von Bebauungsplänen einschließlich der Vorschriften über die Folgen von Verfahrensmängeln für den Erlass örtlicher Bauvorschriften sowohl bei der Festsetzung im Bebauungsplan als auch dann, wenn diese Vorschriften unabhängig von einem Bebauungsplan erlassen werden. Ähnlich ist die Rechtslage in BadenWürttemberg. Hier werden die örtlichen Bauvorschriften generell nach den entsprechend geltenden Vorschriften erlassen. Werden örtliche Bauvorschriften als Festsetzungen in einen Bebauungsplan aufgenommen, so gelten nach § 73 Abs. 6 BaWilBO darüber hinaus auch alle sonstigen Vorschriften, die auch für Bebauungspläne maßgebend sind, also auch die Vorschriften über die frühzeitige Bürgerbeteiligung.