Leibrentenversprechen

Ein im Rahmen eines unvollständig beurkundeten Grundstückskaufvertrages mündlich erteiltes Leibrentenversprechen wird - zusammen mit dem übrigen Vertragsinhalt - wirksam, wenn die Auflassung erklärt ist und der Übergang des Eigentums an dem Kaufgrundstück im Grundbuch eingetragen wird.

Zum Sachverhalt: Die Kläger verkaufte ihr Hausgrundstück 1968 an die Beklagte und ließ es auf. Als Gegenleistung wurden ein Kaufpreis von 95000 DM und ein fünfjähriges Wohnrecht beurkundet. Neben dem Kaufpreis zahlten die Beklagte von der Übernahme des Grundstücks an zunächst im großen und ganzen regelmäßig eine monatliche Rente von 400 DM, und zwar nach der Behauptung der Kläger deswegen, weil sie sich beim Kauf des Grundstücks mündlich hierzu verpflichtet hatten. Ab Januar 1973 stellten sie die Rentenzahlungen ein. Mit der vorliegenden Klage verlangt die Kläger die Weiterzahlung der Rente und die Tilgung der Rückstände.

LG und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagte hatte keinen Erfolg.

Aus den Gründen: I. Das Berufungsgericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Beklagte anlässlich des Vertragsschlusses von 1968 der Klägerneben der Entrichtung des Kaufpreises und der Einräumung eines lebenslangen unentgeltlichen Wohnrechts die Zahlung einer lebenslangen Leibrente in Höhe von monatlich 400 DM versprochen haben. Es hat - im Anschluss an das Landgericht - die Auffassung vertreten, der Vertrag von 1968 sei nicht so, wie beurkundet, gewollt gewesen; der tatsächlich gewollte Vertrag sei zwar wegen Verstoßes gegen die Formvorschrift des § 313

S. 1 BGB ebenfalls nichtig gewesen, jedoch durch Auflassung des Grundstücks und Eintragung des Eigentumsüberganges ins Grundbuch seinem ganzen Inhalt nach gültig geworden (§ 313 S. 2 BGB).

II. Die Angriffe der Revision bleiben erfolglos. . . . 2. Die Revision bemängelt, dass das Berufungsgericht die Formnichtigkeit des Vertrages als geheilt angesehen habe, obwohl der Vertrag ein Leibrentenversprechen enthalten habe, das als solches nach § 761 BGB der Schriftform unterliege; diese Formvorschrift sehe die Möglichkeit einer Heilung durch Erfüllung nicht vor. Die Rüge ist unbegründet. Wird ein formnichtiger Grundstücksveräußerungsvertrag nachträglich durch Auflassung und grundbuchliche Eintragung des Erwerbers geheilt, so wird der Vertrag seinem ganzen Inhalte nach gültig (§ 313 S. 2 BGB), d. h. die Heilung erstreckt sich auf die Gesamtheit der vertraglichen Vereinbarungen (BGH, LM § 313 BGB Nr. 15; BGH, NJW 1952, 1171 = LM § 313 BGB Nr. 1; vgl. auch BGH, NJW 1974, 136 = LM § 313 BGB Nr. 62). Dies gilt auch für einzelne Abreden des Gesamtvertrages, die als solche einer anderen, geringere Formerfordernisse aufstellenden Vorschrift, etwa - wie hier - nach § 761 BGB unterlägen, wenn der Schutzzweck der minderen Formvorschrift von demjenigen des § 313 S. 1 BGB umfasst wird.

§ 313 S. 1 BGB dient - neben verschiedenen anderen Zwecken - auch und in erster Linie dem Schutz vor unüberlegten und übereilten Grundstücksverkäufen (vgl. hierzu etwa BGH, NJW 1974, 271 m. w. Nachw.) und -käufen. Diesen Schutz vor Übereilung sah der Gesetzgeber - in einem für die Heilung ausreichenden Maße - auch dann noch als erreicht an, wenn sich zwischen den formlosen Abschluss und das Wirksamwerden des schuldrechtlichen Geschäfts die (formbedürftige) Auflassung schiebt und die Eintragung im Grundbuch erfolgt (Prot. I, S. 463; RGZ 82, 413 [415 f.]; vgl. auch BGHZ 32, 11 [13] = LM § 11 ErbbauVO Nr. 3 = NJW 1960, 525). Im Zuge der Rechtsentwicklung hat dieser Gedanke allerdings an Bedeutung und Tragfähigkeit verloren; denn häufig beruhen die Formfehler nicht darauf, dass der schuldrechtliche Vertrag über das Grundstück überhaupt nicht beurkundet wurde, sondern rühren - wie hier - daher, dass der beurkundete Vertrag die Vereinbarungen nicht richtig oder nicht vollständig wiedergibt, z. B. weil er ein Scheingeschäft ist (Kanzleitner, DNotZ 1973, 523). Derartige unter den Beteiligten formlos getroffene Vereinbarungen, die durch die Heilung wirksam werden, bleiben deshalb auch dem Notar, vor dem die Auflassung erklärt wird, unbekannt. Der Schutz vor Übereilung (und vor mangelnder Beratung) wird in diesen Fällen weiter dadurch eingeschränkt, dass die Heilung nach § 313 S. 2 BGB auch dann eintritt, wenn die Auflassung zugleich mit den unrichtig oder unvollständig beurkundeten schuldrechtlichen Abreden erklärt und protokolliert wird (vgl. BGH, WM 1973, 612; RGZ 104, 102; RGZ 104, 296 [298 f.]); hinzu kommt, dass die Willensübereinstimmung nur bis zur Auflassung, nicht aber bis zur Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch fortzudauern braucht (st. Rspr., vgl. BGH, DNotZ 1969, 350 [352]; RGZ 109, 354). Der daraus folgende weite Anwendungsbereich des § 313 S. 2 BGB findet in erster Linie in dem Ziel der Rechtssicherheit im Sinne der Aufrechterhaltung sachenrechtlich abgeschlossener Verhältnisse seine Rechtfertigung. Die Beteiligten sollen nicht gegenseitigen Bereicherungsansprüchen bis zum Ablauf der Verjährungsfrist ausgesetzt sein, nachdem das Eigentum an dem Grundstück - der wichtigste Vertragsgegenstand - übergegangen ist (Kanzleitner, DNotZ 1973, 523). Wie § 313 S. 1 BGB dient auch § 761 BGB in erster Linie dem Schutz vor Übereilung (vgl. Staudinger-Brändl, BGB, 10./11. Aufl., § 761 Rdnr. 2 m. w. Nachw.). Über die Schutzzwecke des § 313 S. 1 BGB hinausgehende Ziele verfolgt die Vorschrift nicht. Deshalb besteht kein Grund, aus dem Anwendungsbereich des § 313 S. 2 BGB Leibrentenversprechen als Einzelabreden eines Grundstückskaufvertrages herauszunehmen, nur weil sie ohne Einbeziehung in den Kaufvertrag dem - minderen - Erfordernis der Schriftform unterlägen (im Ergebnis ebenso RGRK, 12. Aufl., § 761 Rdnr. 4; Staudinger-Brändl, § 761 Rdnr. 6 m. w. Nachw.; Planck-Oegg, BGB, 3. Aufl., § 761 Anm. 6; ebenfalls auf die Zwecke der verletzten Formvorschriften abstellend; RGZ 73, 206 [208]; gegen die Heilung nach § 313 S. 2 BGB: Erman-Battes, BGB, 6. Aufl., § 313 Rdnr. 79 m. w.Nachw.).

3. Die Revision vermisst Feststellungen des Berufungsgerichts darüber, ob die Einigung der Parteien über das Leibrentenversprechen bis zur Eintragung des Eigentumsüberganges im Grundbuch angedauert habe. Die Revision verkennt hierbei, dass die Heilung (durch spätere Eintragung im Grundbuch) schon dann eintritt, wenn die Willensübereinstimmung im Zeitpunkt der Auflassung vorgelegen hat (vgl. o. 2). Diese Voraussetzung der Heilung ergibt sich hier ohne weiteres daraus, dass die Auflassung zusammen mit den übrigen Vereinbarungen ... erklärt und protokolliert worden ist.