Liefervertrag

Hat eine an einem Liefervertrag als Verkäuferin beteiligte Partei eine Mengenbeschränkung für Drittlieferungen verletzt und dadurch eine Vertragsstrafe verwirkt, so ist die Geltendmachung des darauf beruhenden Anspruchs der anderen Partei nicht schon deshalb missbräuchlich, weil die Gläubigerin zuvor über mehrere Monate hin mit ca. 10% des Jahresumsatzes in Zahlungsrückstand gewesen war.

Hat auch die andere Partei als Käuferin eine Vertragsstrafe verwirkt, weil die Verkäuferin unter Berufung auf ein wegen Zahlungsrückstandes bestehendes Zurückbehaltungsrecht weitere Lieferungen abgelehnt und die Käuferin daraufhin von dritter Seite Waren bezogen hatte, so kommt es für den von der Käuferin erhobenen Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht auf einen durch nachträgliche Aufrechnung rückwirkend herbeigeführten Wegfall des Zurückbehaltungsrechts der Verkäuferin an, sondern maßgeblich auf die subjektive Haltung und Einstellung der Vertragspartner zu ihrer Rechtsbeziehung im Zeitraum der Vertragsabwicklung.

Zum Sachverhalt: Die Beklagte bezog von der Kläger aufgrund eines am 31. 12. 1985 abgeschlossenen Liefervertrag medizinisch-technische Geräte. Aus den Lieferungen des Jahres 1986 waren 36488,94 DM nicht durch Zahlung beglichen. Diesen Betrag nebst Zinsen hat die Kläger mit ihrer Klage in erster Linie geltend gemacht. In § 1 vom Liefervertrag werden mehrere Arten der für die künftigen Lieferungen vorgesehenen Katheter näher bezeichnet. In § 4 des Vertrages heißt es: Pro Bestellung verpflichtet sich C, monatlich 800 Katheter sortiert abzurufen. Zudem erhält M von C eine Vorplanung, damit keine Lieferverzögerungen eintreten. Der Gesamtauftrag für ein Jahr beträgt 10000 Stück sortiert. Aufgrund dieser Mengenabnahme verpflichtet sich M, keine weiteren Aktivitäten auf dem deutschen Markt vorzunehmen bis auf die bestehenden Verträge der nachfolgend genannten Firmen: Alle anderen Verkaufsaktivitäten werden von M auf dem deutschen Markt eingestellt, um der Abnahmeverpflichtung der C aus diesem Vertrag gerecht zu werden. In § 9 heißt es weiter: C verpflichtet sich, während der Laufzeit dieses Vertrages keine anderen Katheter zu vertreiben als die in diesem Vertrag vereinbarten. Sollte es hier zu einer Zuwiderhandlung kommen, wird eine Vertragsstrafe von 50000 DM vereinbart. Ebenso wird diese Vertragsstrafe von Seiten der M bezahlt, wenn noch mehr Katheter verkauft werden als die in § 4 aufgeführten.

Die Kläger lieferte an die Firma R im November und Dezember, u. a. am 2. 12. 1986 1137 Katheter. Auf eine Neubestellung von 200 Kathetern in einem Fernschreiben der Beklagte vom 2. 12. 1986 listete sie in ihrem Antwortfernschreiben vom 4. 12. 1986 die bestehenden Zahlungsrückstände auf und führte weiter aus: Des Weiteren möchten wir nochmals an die Bezahlung unserer alten Rechnungen erinnern. Erst dann können wir Ihnen die neue Ware liefern. Die Beklagte mahnte mit zwei Fernschreiben vom 9. und 10. 12. 1986 wegen der Lieferung der 200 Katheter, bestellte weitere neue Sendungen und kündigte für die Neubestellung sofortige Scheckzahlung an. Mit weiterem Fernschreiben vom 11. 12. 1986 forderte sie eine sofortige Erklärung über die Lieferbereitschaft für den folgenden Tag, andernfalls sie sich anderweitig eindecken und den Auftrag stornieren werde. Am 11., 15. und 31. 12. 1986 kaufte sie bei der Firma R insgesamt 1063 Katheter, für die sie pro Stück 48 DM und damit 7 DM mehr als bei der Klägerin bezahlte. Die Beklagte hat wegen der über 500 Stück hinausgehenden Lieferung der Kläger an die Firma R einen Vertragsstrafenanspruch nach § 9 S. 3 des Liefervertrages in Höhe von 50000 DM geltend gemacht und in ihrem Schreiben vom 2. 2. 1987 mit diesem Anspruch gegen die Kaufpreisrestforderung der Kläger aufgerechnet. Hilfsweise hat sie die Aufrechnung auf einen Schadensersatzanspruch wegen des Mehrpreises für ihren Deckungskauf in Höhe von 7442 DM gestützt.

Das Landgericht hat der Kläger 36488,94 DM nebst Zinsen zugesprochen und die Aufrechnung der Beklagte für unbegründet erklärt. Nachdem die Kläger in der Berufungsinstanz die Klageforderung hilfsweise auf einen Vertragsstrafenanspruch in Höhe von 50000 DM wegen der Einkäufe der Beklagte bei der Firma R gestützt hatte, hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Vertragsstrafenansprüche beider Parteien seien begründet und die Klageforderung deshalb auf den Hilfsanspruch hin gerechtfertigt, während der hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Schadensersatzanspruch der Beklagte unbegründet sei. Die Revision der Beklagte und die unselbständige Anschlussrevision der Kläger, mit der sie die Zubilligung des zur Aufrechnung gestellten Vertragsstrafenanspruchs der Beklagte angreift, hatten keinen Erfolg.

Aus den Gründen: Das Berufsgericht hält den unstreitig entstandenen restlichen Kaufpreisanspruch der Kläger durch die vorprozessuale Aufrechnung der Beklagte mit einem Vertragsstrafenanspruch in Höhe von 50000 DM für erloschen. Es legt die Regelungen in § 4 und § 9 S. 3 des Liefervertrages dahin aus, dass die Kläger nicht mehr als die in § 4 genannten 500 Katheter pro Kalenderjahr an die Firma R habe liefern dürfen. Diese Grenze habe sie mit mindestens 137 Stück überschritten und dadurch den Vertragsstrafenanspruch der Beklagte ausgelöst.

Einwendungen gegen diese ihr günstigen Erwägungen erhebt die Beklagte nicht. Auch die Kläger nimmt die tatrichterliche Auslegung des § 4 des Vertrages als revisionsrechtlich unangreifbar hin. In ihrer Anschlussrevision ist sie nur - allerdings zu Unrecht - der Auffassung, dem Vertragsstrafenanspruch stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, weil sich die Beklagte selbst vertragsuntreu verhalten und den Vertragsverstoß der Kläger durch eigene vertragswidrige Handlungen veranlasst habe; insoweit habe das Berufsgericht den Sachvortrag der Kläger nicht hinreichend gewürdigt.