Mahnverfahren

Ein im Mahnverfahren geltend gemachter Schmerzensgeldanspruch ist schon mit der Zustellung des Zahlungsbefehls rechtshängig geworden, wenn nach Widerspruch des Schuldners alsbald Termin anberaumt worden ist, mag inzwischen auch der Verletzte gestorben sein; das gilt jedenfalls dann, wenn dieser durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten war, so dass das Verfahren gemäß § 246 ZPO nicht unterbrochen war.

Aus den Gründen: Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Schmerzensgeldanspruch noch rechtzeitig vor dem Tode des Vaters der Klägerrechtshängig geworden war (§ 847 Abs. 1 Satz 2 BGB).

1. § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB will wegen des höchstpersönlichen Charakters des Schmerzensgeldanspruchs sicherstellen, dass ihn die Erben des nach seiner Verletzung - gleich ob an den Folgen der Verletzung oder aus einem anderen Grunde - verstorbenen Verletzten nur dann durchsetzen, wenn das dem Willen des Verletzten entspricht (Senatsurteil vom 16. 1. 1973 - VI ZR 197/71 - VersR 73, 347 m. w. Nachw. = vorstehend Nr. 45). Das steht dann außer jedem Zweifel, wenn der Verstorbene seinen Anspruch rechtskräftig gemacht hat. Dieser in § 847 BGB, also im sachlichen Recht verwandte Begriff der Rechtshängigkeit ist im verfahrensrechtlichen Sinne des § 263 ZPO, der im Hinblick auf das Inkrafttreten des BGB durch die Novelle vom 17. 5. 1898 (RGBl. S. 256) geändert worden ist, zu verstehen. An diesem vom Senat schon in seinem Urteil vom 14. 3. 1961 (VI ZR 146/60 = VersR 61, 661 = vorstehend Nr. 17 unter Aufhebung von Oberlandesgericht Frankfurt, MDR 61, 841) eingenommenen Standpunkt ist festzuhalten. Daher genügt es nicht, dass der Verstorbene etwa seinen Anwalt beauftragt hatte, Klage (auch) auf Zahlung eines Schmerzensgeldes zu erheben. Das Gesetz begnügt sich bewusst nicht damit, dass der Verstorbene den Schmerzensgeldanspruch außergerichtlich geltend gemacht hat (vgl. Mot. 1, 802; wiedergegeben bei Weyer, VersR 71, 997), sondern fordert, dass er sein Verlangen bei Gericht geltend gemacht hat, um Streitigkeiten darüber, ob sich der Verstorbene zur Geltendmachung des Anspruchs entschlossen hatte, zu vermeiden.

a) Nach § 263 ZPO wird Rechtshängigkeit durch Erhebung der Klage begründet, also gemäß § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift an den Beklagten. Dessen Beteilgung ist also in ähnlicher Weise erforderlich wie in dem Falle, in dem der Verstorbene seinen Anspruch lediglich außergerichtlich geltend gemacht, der Beklagte ihn aber anerkannt hat (erste Alternative des § 847 Abs. 1 Satz 2 BGB). Es steht auch außer Zweifel, dass die Sondervorschriften, die die Wirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage usw. zurückbeziehen (§§ 207, 261b Abs. 3, 496 Abs. 3, 693 Abs. 2 ZPO), bei der hier in Rede stehenden Frage nicht angewandt werden können; denn es geht nicht um die Wahrung einer Frist oder um die Unterbrechung der Verjährung. Eindeutig ist auch, dass mit der Zustellung des Zahlungsbefehls, die im Streitfall noch zu Lebzeiten des Verletzten geschah, noch nicht der Schmerzensgeldanspruch rechtshängig wird. Das Mahnverfahren macht, für sich allein gesehen, den Anspruch noch nicht rechtshängig i. S. des § 263 ZPO, wie sich aus § 696 Abs. 2 ZPO ergibt (RGZ 135, 121, 122/123; Weyer, VersR 71, 994).

Indes wird im Schrifttum und in der Rechtsprechung mehrfach der Standpunkt vertreten, i. S. des § 847 BGB müsse der prozessuale Begriff der Rechtshängigkeit aufgelockert werden, indem in diesem sachlich-rechtlichen Bereich (vgl. auch § 1300 Abs. 2 BGB) auf Sinn und Zweck der auf das Prozessrecht verweisenden Sachnorm abzustellen sei (vgl. zum Stand der Meinungen zuletzt Oberlandesgericht Saarbrücken, NJW 73, 854 und Wussow, Unfallhaftpflichtrecht, 11. Aufl., Nr. 1187). Sinn und Zweck des § 847 forderten aber, die Voraussetzung Rechtshängigkeit dahin auszulegen, dass schon die Einreichung der Klage, eines Zahlungsbefehls oder auch eines Armenrechtsgesuchs für Vererblichkeit und Übertragbarkeit (damit allerdings auch der Pfändbarkeit: § 851 Abs. 1 ZPO) genüge. Insofern glaubt das Oberlandesgericht Stuttgart (NJW 72, 1900), aus dem Beschluss des Senats vom 8. 12. 1970 (VersR 71, 272 = vorstehend Nr. 40) schließen zu können, er habe seinen bisherigen Standpunkt aufgegeben. Das ist nicht richtig (zutr. Weyer in seiner Anm. NJW 72, 2271). Jener Beschluss brauchte sich mit dem Meinungsstreit nicht auseinanderzusetzen, da der Sonderfall des § 697 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorlag (vgl. Wussow, WJ 71, 16).

Richtig ist allerdings, dass der Senat, schon in seinem Urteil vom 19. 9. 1967 (VI ZR 82/66 = VersR 67, 1075 = vorstehend Nr. 32) auf den Normsinn und den Zweck des § 847 Abs. 1 Satz 2 abgestellt hat. Auch findet sich die Wendung, Rechtshängigkeit i. S. des § 847 BGB sei im streng verfahrensrechtlichen Sinne aufzufassen, wohl im Urteil vom 10. 10. 1961 (VI ZR 40/61 = VersR 61, 1117, 1118 = vorstehend Nr. 19), nicht jedoch in dem bereits erwähnten Leiturteil vom 14. 3. 1961 (VersR 61, 661 = vorstehend Nr. 17). In diesem Urteil wird aber der für die Auslegung des Satz 2 des § 847 Abs. 1 BGB nicht unwichtige Umstand hervorgehoben, dass hier in beiden Alternativen die Beteiligung des Schädigers bzw. des Beklagten vorgesehen ist. Dem mag die Zustellung einer Klage oder - wie hier - eines Zahlungsbefehls genügen. Ob aber auch die bloße Einreichung einer Klage oder eines Gesuchs auf Erlass eines Zahlungsbefehls genügt, kann nach wie vor bezweifelt werden.

b) Diese Fragen bedürfen im vorl. Rechtsstreit jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn auch hier liegt - wie im Falle des Senatsbeschlusses vom 8. 12. 1970 (aaO) - ein besonderer Fall vor, nämlich der des § 696 Abs. 2 ZPO. Hier hatte der Amtsrichter Termin anberaumt, zu dem der Beklagte zu Händen seines Prozessbevollmächtigten geladen worden war. Darm aber gilt die Sache, wie das Berufungsgericht mit Recht ausführt, schon mit Zustellung des Zahlungsbefehls als rechtshängig im verfahrensrechtlichen Sinne, somit auch i. S. des § 847 BGB. An diesem Tage aber lebte der Verletzte noch.

2. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass der Verletzte allerdings schon gestorben war, als der Amtsrichter Termin anberaumte. Nach seiner Auff. gilt die Rückwirkungs-Fiktion des § 696 Abs. 2 ZPO hier schon deshalb trotz des Todes des Verletzten, weil dieser durch einen Rechtsanwalt vertreten war, so dass der Rechtsstreit gemäß §§ 239, 246 ZPO nicht unterbrochen war.

Gegen diese Auff. wendet sich die Rev. ohne Erfolg. Sie meint, die Vorschriften der §§ 239ff. ZPO seien auf das Mahnverfahren nicht anzuwenden. Das ist indes nicht richtig. Die Vorschriften der §§ 239 ff. ZPO stehen im 1. Buch der ZPO (Allgemeine Vorschriften), gelten daher auch für das Mahnverfahren (vgl. Baumbach-Lauterbach, ZPO, 31. Aufl., Übers, vor § 239 Anm. 1 B; Stein-Jonas-Schlosser, ZPO, 19. Aufl., Bern. V zu § 693).